Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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vor mir, und ich tat es einfach. Drückte sie fest an meine Brust. Gott, wie dünn sie geworden war; wie zerbrechlich sie sich anfühlte.

      „Ihr habt zehn Minuten“, sagte einer der Männer.

      „Warum bin ich hier, William?“, fragte Emily mit tränenerstickter Stimme, sobald man uns allein gelassen hatte. „Man sagte mir, man würde mich in eine Zwangsjacke stecken, wenn ich versuche, mich zu verletzen. Wie kommen sie darauf, dass ich so etwas tun könnte, William? Keiner sagt mir, was los ist.“

      „Beruhige dich, Emily. Du kommst hier schon noch raus. Setzen wir uns erst mal.“ Ich führte sie zu einem freien Tisch im hinteren Bereich des Saals. Dabei begegnete ich dem Blick eines Mannes, der mich anstierte, und sah schnell in eine andere Richtung. Ich dachte an die Worte, die das Sicherheitspersonal mir zu Beginn eingeschärft hatte.

      Vermeiden Sie direkten Augenkontakt.

      Vermeiden Sie ruckartige Bewegungen und laute Geräusche.

      Sprechen Sie mit niemandem außer der Person, die Sie besuchen wollen.

      Insassen, von denen Gefahr ausgeht, werden in aller Regel isoliert, aber es geschieht immer mal wieder, dass ein bislang harmloser Irrer durchdreht.

      Emily und ich ließen uns einander gegenüber am Tisch nieder. Ich musterte sie voller Mitgefühl. Tränen hatten glitzernde Spuren um ihre spitze Nase hinterlassen.

      „Sie denken, du hättest dir die Verletzungen selbst zugefügt.“

      „Wieso?“, flüsterte sie.

      „Weil … weil ich ihnen etwas über dich erzählt habe.“

      Emily sah mich aus geröteten Augen heraus an. „Was hast du ihnen erzählt?“

      Ich blickte sie traurig an. „Ich habe dich vor einigen Vierteln beobachtet.“ Ich berichtete ihr, was ich gesehen hatte. Wie sie zum Friedhof gegangen war, sich den Arm aufgeschnitten und mit sich selbst geredet hatte.

      Emilys Augen weiteten sich. „Warum hast du ihnen das erzählt?“, fragte sie immer noch flüsternd.

      Ich rang die Hände. „Weil ich glaube, dass du dich wahrhaftig selbst verletzt hast. Emily, merkst du nicht, dass etwas Merkwürdiges mit dir vorgeht?“

      „Ich bin nicht verrückt.“ Wieder traten ihr Tränen in die Augen. „Ich gehöre nicht hierher, William. Ich habe mir nicht die Arme aufgeschnitten. Nicht dieses Mal“, fügte sie leise hinzu.

      Ich erinnerte mich, dass ihre Türen offen gewesen waren. „Wer war es dann?“

      Sie schwieg.

      „Warum zögerst du?“

      „Weil du mir niemals glauben würdest. Du musst es mit eigenen Augen sehen. Hör mir jetzt genau zu.“ Ich starrte sie an. „Besorge Schutzhandschuhe, eine Maske, wie man sie beim Schweißen trägt, und Gehörschutz.“

      „Was redest du …?“

      „Unter dem Fensterbrett meines Schlafzimmers findest du eine Schatulle. Öffne sie und sieh, was dort drin ist. Aber trag auf alle Fälle die Schutzkleidung!“

      Ich schüttelte den Kopf. „Emily …“

      In diesem Moment erschien das Sicherheitspersonal zu meiner beider Seiten.

      „Die Zeit ist um.“

      „Du findest den Schlüssel zu meiner Wohnung in einer Mauerfuge auf Kniehöhe links von der Tür“, flüsterte Emily. Ich erhob mich. Vergeblich suchte ich in ihrer Miene nach einem Hinweis. Emily erwiderte meinen Blick ernst.

      „William, wenn ich wahrhaft verrückt wäre, würde ich diese Tatsache mit offenen Armen begrüßen“, sagte sie und scherte sich dieses Mal einen Dreck darum, dass das Sicherheitspersonal sie hören konnte. „Denn die Realität ist schlimmer.“

      W. D. Walker

       End

      Hier endete das Tagebuch. Es war bis auf die letzte Seite beschrieben. Vielleicht gab es einen zweiten Teil? Aber nein: Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass einige Seiten fehlten. Man hatte sie herausgerissen. Ich fuhr mit dem Finger über die Seitenstümpfe und zählte. Es waren dreizehn. Dreizehn Seiten fehlten.

      Ich las die letzten Zeilen erneut. Von welcher Realität sprach Emily? War sie immer noch in der Nervenheilanstalt? Wie lange mochte das Ganze zurückliegen?

      In diesem Moment ging die Tür auf, und Teena betrat den Raum. Ich stand auf.

      „Teena! Wo ist Sam?“

      „Chemo hat sie.“ Es dauerte einen Moment, ehe ich mich daran erinnerte, wer Chemo war. Es war so lange her, dass ich ihn im Entzugswahn in den Neulingsschacht geworfen hatte. „Es tut mir leid, Godric. Ich bin ihm im Unterrumpf begegnet und er nahm mich gefangen. Er ist unglaublich stark. Das Perl … hat ihn verändert.“

      „Was ist mit Sam?“

      „Chemo hat mich im Austausch für sie freigelassen, damit ich dir davon berichten kann. Ich sagte ihr, sie solle sich nicht darauf einlassen, aber sie hörte nicht. Er will dich töten.“

      Ich knurrte. „Ich hätte ihm damals den Hals umdrehen sollen. Wo ist er?“

      „Er erwartet dich an Deck. Aber Godric … sei auf alles gefasst.“

      Ich wandte mich ab und erklomm die Leiter, die zu dem verborgenen Eingang führte. Auf dem Gang davor erwartete mich niemand. Ich trat ins Freie und hastete über das Deck. Es war ein strahlend schöner Wintertag. Ich sah nur wenige Piraten. Sie alle gingen in die gleiche Richtung – zum Ort des Geschehens. Manch einer rief mir nach, aber ich rannte einfach weiter. Nur einmal wurde ich langsamer: als ich den Schiffsaufbau passierte, der zur Dealertür führte. Ich hörte den Lärm dutzender Süchtiger, die schrien und kreischten und gegen die Eisentür hämmerten. Der Grund dafür konnte nur schwarzes Perl sein.

      Ich fand Chemo im Zentrum einer Menschenmenge. Er war nicht wiederzuerkennen. Bis auf eine zerschlissene Hose war er nackt. Von Kopf bis Fuß verunzierten Narben seinen Körper. Die Muskeln waren auf unnatürliche Weise angeschwollen. Die weiße Haut derart gespannt, dass sie zu reißen drohte. Seine massigen Schultern hoben und senkten sich bei jedem Atemzug. Die Adern traten schwarz hervor. Das lange Haar war weiß wie Schnee, seine unversehrte Iris ebenfalls und nur die Pupille, ein schwarzer Punkt in seinem gesunden Augapfel, zeigte die Richtung, in die er blickte. Hatte auch ich wie ein mutiertes Ungeheuer ausgesehen, als ich den Unterrumpf verlassen hatte?

      Chemo drückte ein Messer an Sams Kehle. Sie blutete an der Schläfe und wirkte benommen. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge.

      Chemos Augen weiteten sich. „Eeend!“ Er stieß Sam von sich, die in die Menge taumelte und beinahe gestürzt wäre. Jemand von Marios Bande fing sie auf, und man schloss sie in einen schützenden Kreis.

      „Endlich hab ich dich.“ Seine Worte waren dunkel, als läge Teer auf seinen Stimmbändern. Er neigte den Kopf nach links und rechts und ließ den Nacken knacken. „Du hast mir die Sonne genommen.“

      „Wie du mir.“

      „Ich

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