Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner страница 8
„Er ist schön geworden … der Stoff.“ Seine Finger tasteten über den rostroten Wollstoff. „Was willst du daraus nähen?“
„… Himmel stehen die Sterne, leuchten dort …“
Aigonn schluckte. Erst jetzt erkannte er das alte Wiegenlied, das seine Mutter ihm früher immer zum Einschlafen gesungen hatte. Noch einmal fragte er: „Nähst du dir daraus ein Kleid?“
„… allein sein. Denn ich bleibe da …“
Aigonns Blick wurde traurig. Im Grunde wusste er, dass seine Versuche zwecklos waren. Seine Mutter sprach nicht mehr mit ihm. Nicht mit Efoh und auch nicht mit irgendjemand anderem. Seit Jahren nicht mehr. Sein Blick verriet mehr Kummer, als es ihm lieb war, während er seiner Mutter sanft über die Wange streichelte. Dünn wirkte ihre Haut, wie der Kokon, den eine Raupe zurückließ, nachdem sie zum Schmetterling geworden war. Sie schien unter seinen Fingern zu zerfallen, so fühlte es sich an. Er konnte den Kloß nicht vertreiben, der ihm plötzlich im Hals steckte.
Wenn ich feige bleibe, wird damit auch nichts ungeschehen werden. Gar nichts.
Wiederkehrer
Das Grab der Götter war eine Gruppe von vier Monolithen, die – teilweise dreihundert Fuß hoch – schon von weitem über den Wipfeln des Waldes zu sehen waren. Aigonns Wallach schnaubte in der Hitze des Nachmittags. Seit dem späten Vormittag hatte das steile, hügelige Land Tier und Reiter zu schaffen gemacht. Sobald man die fruchtbaren Auen um Aigonns Heimatsiedlung verlassen hatte, trat man ein in das ungezähmte, wilde Land seiner Ahnen. Riesige Wälder bildeten eine fast geschlossene Decke über der hügeligen Region. Lediglich Niedermoore und sumpfige Feuchtwiesen unterbrachen das Dickicht, bevor die Bäume sich Land und Boden zurückeroberten.
Beklemmung hatte Aigonns gesamten Körper erfasst. Es war dasselbe Gefühl, das jeden Menschen überkam, wenn er sich der ruhenden Kraft dieser Wildnis bewusst geworden war. Hier hatte kein Mann, keine Frau mehr Macht über den Lauf der Dinge. Die Wälder und Moore waren das Reich der Geister und menschenscheuen Wesen, die nur die wenigsten je mit eigenen Augen gesehen hatten.
Prüfend blickte Aigonn über die Wiese hinweg, die vor ihm lag. Sauergras und Heidelbeere verrieten ihm, dass tückische Sumpflöcher unter der dünnen Schicht Bewuchs verborgen sein konnten. Mit Missfallen hörte er das Schmatzen des Bodens unter den Hufen seines Pferdes. Er würde bald absteigen müssen.
Unbarmherzig brannte die Nachmittagssonne vom wolkenfreien Himmel. Aigonn erkannte von weitem das Gestein der vier Monolithen, das mit seiner goldgelben Farbe im Sonnenlicht leuchtete wie der Festschmuck der Fürsten. Es war eigenartig. Gäbe es nicht immer noch diese eine Erinnerung, die sich mit jedem Schritt voran immer schwerer verdrängen ließ, so hätte die Schönheit dieses Anblicks Aigonn wohl gefangen gehalten.
Doch das vermochte das Grab der Götter nicht mehr. Faszination und Ehrfurcht hatten einer Bedrückung Platz gemacht, die jeden Baum, jeden Strauch auf dem Weg zu den Monolithen zu umgeben schien. Immer wieder huschte Aigonns Blick nach hinten, zur Seite. Er wusste, dass so nah an der Grenze zur Anderen Welt nicht nur Damwild, Bären und Wildschweine die Wälder bewohnten – dazu die Monolithen wie vier steinerne Wächter über den Baumkronen.
Unwillkürlich kam Aigonn die alte Sage in den Sinn, welche diesem Ort ihren Namen gegeben hatte: Ein Krieg, am Anfang der Zeit, hatte zwischen den Mächten der Erde getobt. Ein Krieg um die Ordnung in der Welt, der Chaos und Verwüstung gebracht hatte, bis es den Göttern gelungen war, einen Stillstand zu erringen, eine Ordnung auf der Erde, die der heutigen gleichkam. Dutzende hatten ihre letzten Kräfte bei diesem Versuch gegeben. Und es sollen vier Geschwister gewesen sein, die auf dem Hügel, den Aigonn soeben bestieg, kraftlos zur Erde gesunken waren.
In Gestalt vierer Felsen warteten sie nun dort, bis die alte Ordnung wieder ins Wanken geraten, das Firmament auf die Erde stürzen, das Land sich auftun und schließlich das Meer alle Reste ihres großen Werkes verschlingen würde. Dann würde der Kampf von Neuem beginnen und ihm ein ungewisses Ende folgen – so wie jeder Mensch wiedergeboren wurde.
Das war es, was die Bärenjäger sich seit Generationen erzählten. Und als Aigonn den Wald vor sich aufgehen sah und die vier gewaltigen Felsen vor ihm lagen, schien es, als ob der letzte Hauch dieser alten Tage noch immer Teil des Ortes wäre.
Er nahm einen tiefen Atemzug, als er seinen Wallach anhielt und sich langsam auf den Boden rutschen ließ. Dort war er. Dort, wohin ihn die Nebelfrau gewiesen hatte. Der südlichste der vier Monolithen leuchtete golden in der Nachmittagssonne. Windböen verfingen sich immer wieder in den kleinen Ausbuchtungen und winzigen Felshöhlen, während der Wald leise flüsterte. Das Pferd schnaubte unruhig. Irgendwo, weit entfernt, hörte er Vögel in den Baumwipfeln singen. Doch viel näher als sie schien ihm ein feines, unterschwelliges Wispern – nicht auszumachen, woher es kam.
Beklommen ließ Aigonn den Strick seines Pferdes ins kniehohe Gras sinken. Sein Wallach rannte ihm nicht davon. Und wenn ihn an einem Ort wie diesem doch zu große Furcht übermannen würde, wollte er das Tier nicht halten.
Vorsichtig trat er fünf Schritte auf die kleine Lichtung hinaus, die sich nahe der Monolithen wieder in einem Wald mit undurchsichtigem Strauchdickicht verlor. Hier war er. Die Erinnerungen in seinem Kopf verselbstständigten sich beim Anblick dieses Ortes. Es wurde plötzlich Nacht in seinen Gedanken, die bedrückende Dunkelheit eines wolkenverhangenen Himmels. Nur fahles Mondlicht zwischen den Wolkenfetzen und das flackernde Licht einer Fackel erhellten die Lichtung. Damals hatte er sich geängstigt, hatte kaum mit seiner Mutter Schritt halten können, die voller Panik vorausgeeilt war …
Unwirsch schüttelte Aigonn den Kopf. Er war nicht hierhergekommen, um dieser längst vergangenen Nacht zu gedenken, sondern hatte den Weg auf sich genommen, um jemanden zu finden. Es stimmte ihn ärgerlich, dass dieser eigentliche Auftrag für ihn so schnell an Priorität verloren hatte.
Entschlossen ließ er das Pferd auf der Lichtung zurück und ging weiter auf das Dickicht zu. Nirgendwo verriet ein abgebrochener Ast oder niedergetrampeltes Gras, dass jemand vor Aigonn hier gewesen war. Doch es musste nicht sein. Das Schlachtfeld, auf welchem die Bärenjäger und Eichenleute zusammengetroffen waren, lag weiter westlich. Lhenia hätte genauso gut von einer anderen Seite das Grab der Götter erreichen können.
Aigonn hatte sein Schwert gezogen, um sich mit dessen stumpfer Seite einen Weg durch das Dickicht zu bahnen. Von Moos und Flechten bewachsen harrte der südliche Monolith, der Sternenfänger, zu seiner Rechten. Mit jedem Schritt, der Aigonn von der Lichtung mit seinem Reittier entfernte, schien die wirkliche Welt ein Stück weiter in die Ferne zu rücken. Unwirklich wiegten sich die Wipfel der Holunder-, Hasel-, Vogelbeer- und Dornensträucher im lauen Wind. Es schien Aigonn, als summten sie mit dem Wald eine alte Melodie. Die Vertrautheit, die ihr innelag, war ihm unheimlich. Immer mehr schien sie dem Wiegenlied zu gleichen, das seine Mutter gesungen hatte. So gut es ihm möglich war, lenkte er seine Aufmerksamkeit nach vorn, versuchte auf die Spuren der Wirklichkeit zu achten, dieser Welt, nicht der Anderen, die irgendwo, vielleicht direkt vor ihm, beginnen konnte, wenn seine Gedanken sich zu sehr von seiner Heimat entfernten.
„Lhenia?“ Der Ruf hallte leise von der Steilwand des Monolithen wider. Allmählich erkannte Aigonn vor sich die anderen drei Felsen aufragen, mächtig und bedrückend, als ob acht Augen jeden seiner Schritte verfolgten.
„Lhenia? Ich bin es, Aigonn. Nur ich. Ich bin allein. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben!“
Das Raunen des Waldes, das Singen des Windes, das Wispern der Sträucher, aber sonst hörte