Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner
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Als Aigonn dem Zentrum zwischen den vier Steinen immer näher kam und seine Rufe keinerlei Reaktion hervorriefen, beschlich ihn allmählich eine düstere Ahnung. Sie ist gar nicht hier. Die Nebelfrau hat mich hierher gelockt, obwohl sie wusste, dass Lhenia nicht hier ist.
Doch was war, wenn Aigonn sich nun getäuscht hatte? Die Nebelfrau hatte das Grab der Götter an sich niemals erwähnt. „Aber sie kann keinen anderen Ort gemeint haben“, flüsterte er zu sich selbst. „Nirgendwo sonst ist man der Anderen Welt so nahe …“
Aigonn verstummte. Er konnte diesem Gefühl keinen Namen geben, doch es war – wie ein Fremdkörper – ihm plötzlich so nahe, dass sich all seine Körperhaare aufstellten. Ein Schauer überkam ihn. Ohne, dass er etwas dagegen tun konnte, versank der dämmernde Nachmittag in der Schwärze einer bewölkten Nacht. Er spürte die klamme, feuchte Kälte auf den nackten Armen unter seinem kurzärmeligen Hemd. Aigonns Atem ging stoßweise, während er seiner Mutter hinterherstolperte. Seine Mutter, die auf all seine Rufe nicht achtete und einfach vorwärtseilte. Sie hatte ganz vergessen, dass ihr eigener Sohn auf seinen kurzen Kinderbeinen nicht nachkam. Er teilte nicht dieselben Ängste wie sie. Er hatte nur bruchstückweise gehört, wie Rowilan zu seiner Mutter geeilt war, gesagt hatte, Derona wäre verschwunden …
In dieser Nacht hatte er sich nur gefürchtet, das Licht der Fackel in der Hand seiner Mutter aus den Augen zu verlieren. Er hatte ihre Panik gar nicht verstehen können, sie hatte ja nichts gesagt …
Wie ein Flackern mischte sich Wirklichkeit mit Erinnerung. Aigonn spürte gerade noch so, wie seine Füße mechanisch nach vorne liefen, schneller als er wollte auf den nördlichen der Monolithen zu. Die Bilder aus der lange vergangenen Nacht zuckten immer wieder vor die Realität. Aigonn wurde es schwindelig. Er war damals denselben Weg gelaufen. Alles in seinem Kopf schrie, dass er anhalten, nicht weitergehen sollte, doch die Beine gehorchten seinem Willen nicht mehr.
Der nördliche Monolith kam immer näher. Vor seinem geistigen Auge sah er Fackeln vor dem Fuß des riesigen Felsens in der kalten Nachtluft zucken. Irgendwo raschelten Steine in der Finsternis, weit oben. Er hörte, wie seine Mutter plötzlich voller Panik einen Namen in die Dunkelheit schrie, ihre Fackel zu Boden fiel. Noch mehr Steine fielen hinab, dann eine Gestalt. Wie ein gewaltiger Vogel war sie Aigonn damals erschienen, als die junge Frau den etwas weniger als einhundertfünfzig Fuß hohen Monolithen hinabstürzte, ihr Körper gegen den harten Stein schlug.
Das Knacken hallte wie ein Donnerschlag in Aigonns Ohren wider. Das Knacken, als ihre Knochen barsten. Unnatürlich verdreht lag sie im Schein der Fackeln auf dem Boden. Aigonn erkannte sie, seine Mutter, wie sie schreiend nach vorne stürzte.
Zwei tote Augen sahen Aigonn entgegen. Der letzte Glanz des Lebens haftete ihnen noch an, bevor er sich zu lösen begann, die Schwärze ihm nachfolgte. Damals hatte er nicht schreien können. Er war gar nicht alt genug gewesen, um zu begreifen, was dort geschehen war. Doch in sein Innerstes war eine Kälte gekrochen, die ihn noch heute zu Boden zwängen wollte.
Sein Blick hing auf den leeren Augen der Frau, jung wie sie damals noch waren. Seine Mutter, die in diesem Moment innerlich zerbrach.
Zwei kalte Hände klammerten sich um Aigonns Kehle. Alle Luft schien ihm aus den Lungen zu weichen. Sein Atem verwandelte sich in ein Röcheln, als sein Hals sich zuschnürte. Er keuchte, seine Lunge verkrampfte sich. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen die ungeheure Kraft, die mit der Macht aller alten Verzweiflung auf ihm haftete, solange, bis der klamme Griff, der ihm den Atem raubte, plötzlich nachließ.
Aigonn schrie. Er konnte den Gefühlen keinen Namen mehr geben, die in diesem Moment aus ihm herausbrachen. Der ganze Ort, das Singen, das Raunen, alles schien sich in nackte Wände verwandelt zu haben, von welchen seine eigene Stimme wie ein ohrenbetäubendes Echo immer wieder zurückgeworfen wurde. Ein widerliches Kreischen schien sich dazwischen zu mischen …
Dann war es plötzlich vorbei. Keuchend öffnete Aigonn die Augen. Erst jetzt schmeckte er das Blut, das aus seiner aufgebissenen Lippe lief. Eiskalte Schweißperlen rannen seine Nase entlang, während er – auf beide Hände gestützt – zu Boden starrte.
Das plötzliche Gefühl, nicht mehr allein zu sein, ließ ihn ruckartiger als gewollt den Kopf zur Seite reißen. Und dort war sie. Ihre blauen Augen vor Schrecken geweitet kniete sie halb im Gras. Der rechte Arm schien nach Aigonn greifen zu wollen, war jedoch mitten in der Bewegung erstarrt. Ihr Ausdruck spiegelte Schockiertheit wider, Unverständnis. Einen Herzschlag lang starrte sie ihm in die Augen, bevor sie stotternd hervorbrachte: „Geht … geht es dir gut?“
Erst jetzt wurde Aigonn sich bewusst, was soeben geschehen war. Alle Eindrücke der Wirklichkeit schlugen auf ihn ein – das Keuchen, der pochende Schmerz in seinem überbelasteten, verletzten Arm, die gebrochene Rippe. Es raubte ihm ein weiteres Mal den Atem, bevor er sich auf sein Gesäß fallen ließ und einen Moment nach Luft schnappte.
Die junge Frau hatte sich in der Zwischenzeit wieder gefasst. Zwar lag ihrem Blick noch immer Misstrauen inne, doch ihre Stimme wirkte gefasster, als sie bemerkte: „Du solltest vorsichtiger sein, wenn du so unbedacht einen Platz wie diesen betrittst. Orte bewahren Erinnerungen lebendiger und besser als Menschen. Das hättest du bedenken können!“
„Das habe ich bedacht.“ Endlich hatte Aigonn seine Stimme wiedergefunden. Unwirsch schüttelte er den Kopf, um wieder Klarheit zu erringen. Dann hievte er sich auf die Beine, während ihm bewusst wurde, dass er vor der Person stand, die er gesucht hatte.
Auf den ersten Blick war sie die Lhenia, die ihm am Abend der Schlacht begegnet war. Der heilige rote Ocker, der sie zum Geschenk an die Götter machte, war noch immer über ihr ganzes Gesicht verschmiert und bildete einen sonderbaren Einklang mit den rot-blonden, leicht ausgeblichenen Haaren, die kaum schulterlang waren. Ein naturfarbenes Leinenkleid, mit einem dünnen, geflochtenen Ledergürtel auf Taille gebunden, umspielte ihren schlanken, fast mageren Körper, war jedoch über ihren bloßen Füßen dreckverschmiert und beinahe bis zu den Knien eingerissen.
Sie war es. Auf den ersten Blick hätte sie jeder als die Lhenia erkannt, die sie gewesen war. Lediglich der Ausdruck ihres Gesichts, als wäre ihr Geist plötzlich um Jahre gereift und gealtert, wollte nicht so recht in Aigonns Erinnerung passen – ebenso wie die Stimme, die ihm tiefer erschien. Doch darin konnte er sich täuschen.
Die junge Frau für ihren Teil schien sich unter Aigonns intensiver Musterung unwohl zu fühlen – überspielte dies aber, als sie ihre Stirn in Falten legte. „Mir erschien es nicht so, als ob du das bedacht hättest. Hast du sie nicht gesehen?“
Fragend sah Aigonn auf. „Gesehen? Wen?“
Die junge Frau war überrascht. „Sie, hinter dir, an deinem Hals … wirklich nicht?“
Verwirrt schüttelte Aigonn mit dem Kopf. „Wen soll ich denn gesehen haben?“
„Schon gut.“ Sie wandte sich von Aigonn ab. Dieser wollte bereits nachhaken, bevor er an ihrer Gestik erkannte, dass sie keinerlei weitere Erklärung geben würde. Mit einem Kopfschütteln warf er den letzten Rest der Beklemmung von sich ab und vertrieb – diesmal mit Erfolg – die prägnante Erinnerung in einen Winkel seines Kopfes. Ihm kam wieder in den Sinn, weshalb er eigentlich hier war.
„Lhenia!“ Die junge Frau lief noch einen Schritt weiter, bevor ihr einfiel, dass sie sich angesprochen fühlen musste. Dann drehte sie sich um.
„Lhenia. Eigentlich habe ich nach dir gesucht!“ Aigonn machte einen Schritt auf sie zu und erforschte ihren Blick, der im Moment lediglich abwartend war. Ihre Augen hatten eine ungeheure Tiefe gewonnen, bemerkte er wie nebenbei. Aigonn konnte sich