Fit für den Kunstmarkt. Claudia Herstatt
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Galerien, Messen und Großausstellungen sorgten für mehr und mehr öffentliche Aufmerksamkeit und die Medien spielten mit. Sie druckten Homestorys von den Malerfürsten Markus Lüpertz und Georg Baselitz auf ihren Schlössern, erregten sich über die Blutsudeleien eines Hermann Nitsch und feierten Messeeröffnungen als Großevents mit Prominenz, als wäre es das Filmfestival in Cannes. Kunst wurde Kult und nebenbei ein knallhartes Geschäft.
In den Boomzeiten der achtziger Jahre hatten die Galeristen dann das Sagen, die Künstler bekamen von ihnen die Vorgaben für Formate und Produktionsausstoß, die Sammler hatten dafür geradezu anzustehen. Die Preise stiegen in astronomische Regionen. Der japanische Papierindustrielle Ryoei Saito leistete sich das Gemälde des Dr. Gachet von Vincent van Gogh im Jahr 1990 für bis dahin unerreichte 82,5 Millionen Dollar.
Dann brach an der Wende in die neunziger Jahre das internationale Wirtschaftsgefüge und damit auch der überhitzte Kunstmarkt in sich zusammen. Inzwischen ist er jedoch auf dem besten Wege, sich wieder hochzuschaukeln – daran ändert auch ein kurzes Erschrecken und Innehalten in der Kunstmarktmetropole New York nach dem Terroranschlag des 11. September 2001 so gut wie nichts.
Verändert haben sich allerdings in den vergangenen zehn Jahren die Mechanismen des Kunstmarktes. Künstler werden nicht mehr nur entdeckt und gefördert, sondern auch gemacht und wieder fallen gelassen. Und dahinter stehen die verschiedensten, oft im Hintergrund bleibenden Interessengruppen, die Geld in Galerien und schnell aufbaufähige Künstler pumpen. Ihre Strategien sind ebenso wenig durchschaubar wie der Finanztransfer.
Kunstkritikern stellt sich da die Frage, inwieweit der Markt die Künstler bereits zu Komplizen des zugleich profitablen wie gnadenlosen Geschäfts gemacht hat. Auch wenn immer wieder einzelne Kunst-Produzenten sozusagen kontraproduktiv versuchen, sich den Mechanismen der Vermarktung mit Werken ohne Waren- oder Objektcharakter zu entziehen, so ist die Verführung doch groß.
Der erfolgreiche italienische Bildhauer Maurizio Cattelan bekundete seine Motivation, Künstler zu werden, mit dem Wunsch nach »einem geregelten Einkommen und attraktiven Frauen«. Die Rechnung ging (nicht nur da) auf – die Preise auf Auktionen für die Arbeiten des 1960 geborenen Provokateurs haben längst die Millionendollargrenze überschritten, wie für seine Skulptur des von einem Meteor erschlagenen Papstes La Nona Ora.
Nicht alles ist zynisch auf dem Glamourparkett des Kunstmarktes, aber man sollte sich auch keine Illusionen machen: Der Handel mit der schöngeistigen Ware adelt nicht unbedingt seine Geschäftsmethoden, warum sollte er auch. Das umso weniger, um je mehr Geld es geht. Auch wenn viele Liebhaber von Kunstwerken gar nicht in den hochpreisigen Regionen operieren können oder wollen, auch im unteren und mittleren Bereich ist es Pflicht, Preise und Qualität zu vergleichen. Nur so ist zu verhindern, dass man über den Tisch gezogen wird.
Damien Hirst, der über die Werbeagentur Saatchi einst hochgeboxte, inzwischen nicht mehr ganz so junge britische Künstler, hat dafür ein passendes Bild gefunden: einen in Formaldehyd eingelegten Hai. Das Werk hat Hirst inzwischen aufwendig restaurieren müssen. Das macht Sinn, denn nun steht es am Anfang des 21. Jahrhunderts noch viel prägnanter für das gnadenlose Becken, in dem mit Kunst gemakelt und spekuliert wird wie nie zuvor. Es ist ja keine Ausnahme mehr, dass an einem Abend bei einer Auktion locker mal über 100 Millionen Pfund, Dollar, Schweizer Franken und Euro umgesetzt werden. Die Gier nach den Ikonen der zeitgenössischen Kunst scheint ungebremst. Ob diese Zeiterscheinung von der Liebe zur Kunst getragen ist oder von ganz anderen Motiven, darf durchaus hinterfragt werden.
Die Marktmechanismen sollten Liebhaber der Kunst nicht abschrecken. Man muss an dem großen Rad nicht mitdrehen, um Freude an der Kunst in ihren vielfältigen Ausprägungen zu haben. Wer aufmerksam hinschaut, wird auch trotz des überhitzten Kunstmarktes vieles finden, was jenseits der Schlagzeilen, Trendberichte und dem Geflüster der Szene vielmehr über die eigene Wahrnehmung für Bewegung im Kopf oder schiere Freude sorgt. Von dem Betrieb sollte man sich den Spaß an der Kunst und deren Erwerb also nicht verderben lassen, wissen sollte man darum schon.
SAMMELLEIDENSCHAFT:
WOHER SIE KOMMT UND WOHIN SIE FÜHRT
Das Erwerben und Bewahren von Kunstwerken, das Fördern von jungen Künstlerinnen und Künstlern macht mir genauso viel Spaß wie das Leben mit der Kunst. Es sind die Gespräche, die Freundschaften, die Atelierbesuche, die dem Kunstkauf vorangehen beziehungsweise sich erst durch diese Kontakte ergeben. Kunst sammeln heißt immer auch Menschen sammeln. Das ist der besondere Reiz daran.«
Karsten Schmitz, Sammler zeitgenössischer Kunst in München
Die Leidenschaft des Sammelns ist bereits aus den unterschiedlichsten Perspektiven unter die Lupe genommen worden – psychologisch, historisch, kunstwissenschaftlich und phänomenologisch. Was den einzelnen Sammler jedoch treibt, bestimmte Dinge zusammenzutragen und in Beziehung zu anderen zu setzen, lässt sich wahrscheinlich nur aus der jeweiligen Persönlichkeit heraus erschließen.
Im Gegensatz zu Museen mit einem öffentlichen Auftrag sind private Sammler frei in ihren Entscheidungen, Missgriffe und Lehrgeld inbegriffen – die müssen sie nur vor sich selbst verantworten beziehungsweise finanziell verschmerzen. Privatleute können zudem ihre Besitztümer wieder verkaufen oder tauschen und somit die Sammlung nach Belieben strukturieren, dynamisch wachsen lassen oder auch kondensieren.
Lebendig, vorpreschend und unkonventionell wirken private Sammlungen zunehmend über den privaten Tellerrand hinaus in die Öffentlichkeit hinein – als Leihgaben in Museen und Ausstellungen oder auch in eigens für sie konzipierten kleineren und größeren Privatmuseen (siehe auch Kapitel »Sammlerrefugien« und »Sammlermuseen«).
Der Weg ins Rampenlicht ist nicht unbedingt das Anliegen eines jeden Sammlers. Schließlich ist der Aufbau einer Kollektion zunächst auch mit der tastenden Suche und ganz vorsichtigen, auch ungesicherten Zugriffen auf junge Kunst verbunden, die sich zunächst nur im eigenen Umfeld bewähren sollte und dort auch im Privaten ihr verborgenes Dasein führen darf.
Was den Kunstliebhaber mit schönen Dingen an der Wand oder im Raum von einem echten Sammler unterscheidet, ist ein Großteil Verantwortung, sowohl für die Werke als auch die Künstler. Denn ab einer bestimmten Situation sind dann auch Katalogisierung und wissenschaftliche Aufarbeitung nötig. Dazu kann man natürlich niemanden verpflichten, aber es wird letztlich auch im ureigensten Interesse desjenigen liegen, der es ernst mit der Sammelei meint.
Am Anfang ist meistens alles ganz einfach. Man begeistert sich für ein Werk und kauft es, dann gesellen sich andere dazu. Irgendwann kommt möglicherweise der Punkt, an dem der Besitzer mit einem Sammelsurium dasitzt, dessen Werke keine inhaltliche Zwiesprache führen und deren Beisammensein keine Relevanz hat.
Dann sind Konsequenzen angesagt, es sei denn, man ist mit dem bunt Zusammengewürfelten glücklich – auch das kann einem keiner nehmen. Systematisierung und Qualitätssteigerung werden dem ambitionierten Sammler Lust und oft auch Qual sein. Kunst zu kaufen ist schließlich auch eine finanzielle Frage, und in nicht wenigen Fällen haben sich Kunstliebhaber mit ihrer Leidenschaft um Kopf und Kragen verspekuliert.
Der Schweizer Josef Müller (1887–1977), an außereuropäischer