Fit für den Kunstmarkt. Claudia Herstatt
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Auch Siegen, im Dreiländereck von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz gelegen, konnte einen bekannten Architekten für sein Museum für Gegenwartskunst gewinnen. Josef Paul Kleihues kennt man vom Umbau des Ausstellungshauses Hamburger Bahnhof in Berlin und unzähligen Projekten von Peking bis Chicago. Doch die schöne Hülle reicht ja nicht. Erst das Programm macht das Haus lebendig. In Siegen vermittelt man alle Positionen zeitgenössischer Kunst: Malerei, Fotografie, Video, raum- und zeitbezogene Installationen. Glanz und Alimentation verleiht dem Haus der seit 1955/57 verliehene Rubenspreis. Im Namen des dort geborenen Barockmeisters wurden unter anderem die österreichische Malerin Maria Lassnig und Sigmar Polke geehrt. (www.kunstmuseum-siegen.de)
Die Kunst entsteht nicht nur vielfach in der Provinz, sie wird auch dort gezeigt und gefördert. Das funktioniert allerdings nur auf einem hohen Niveau, wenn engagierte und gut informierte Ausstellungsmacher dahinterstehen. Die Künstlerliste des kleinen Kunstvereins im nordrhein-westfälischen Arnsberg kann mit den Beiträgen der 170 Mitglieder gerade mal die Miete finanzieren. Aber das Programm ist seit fast 20 Jahren mehr als vorzeigbar: Kazuo Katase, Nan Hoover, Olaf Nicolai, Thomas Ruff, Bernard Frize und Ays˛e Erkmen wurden dort bereits gezeigt, als sie noch nicht so bekannt wie heute waren. (www.arnsberg.de)
Den Namen Nordhorn in Niedersachsen an der holländischen Grenze kannten zuvor weder die Amerikanerin Jenny Holzer noch der Exilrusse Ilya Kabakow oder der Italiener Luciano Fabro. Sie und weitere international bekannte Künstler ließen sich dennoch für das Projekt »kunstwegen« (www.kunstwegen.org) zwischen Wiesen, Alleen und Kanälen begeistern, ein auf Dauer eingerichtetes offenes Museum im Dialog von Natur, Kunst und Geschichte. Als Königin Beatrix der Niederlande der Sache zur Eröffnung persönlich ihren Segen gab, verstummten auch die Kritiker vor Ort, denen die künstlerischen Interventionen Rätsel aufgegeben hatten. Inzwischen lohnt sich ein Blick gen Nordhorn immer, wenn man jenseits des hektischen Messehypes etwas interessantes Neues kennenlernen möchte.
Wen es an den äußersten Zipfel auf der entgegengesetzten Seite der Republik, ins sächsische Zwickau führt, ist auch dort nicht in der künstlerischen Diaspora. Die Städtischen Museen pflegen nicht nur ihre Sammlungen, sondern veranstalten unter klammen finanziellen Verhältnissen ein zeitgenössisches Programm, das die Nase ganz schön weit vorne hat. In den Räumen der Museen sind auch die »Freunde aktueller Kunst« angesiedelt, denen man aus Sympathie für die Qualität ihrer Arbeit gleich beitreten möchte.
Was an diesen Orten mit persönlichem Einsatz und finanziell eher knapper Ausstattung geleistet wird, kann sich andernorts großzügig gesponsert ganz anders darstellen. Zu den Vernissagen des von der VW-Stiftung luxuriös gepolsterten Kunstmuseums Wolfsburg (www.kunstmuseum-wolfsburg.de) reisen bis zu 4000 Gäste an, wohl wissend, dass der letzte Zug in Richtung Hamburg oder Berlin den Bahnhof viel früher verlässt als die Party überhaupt in Gang gekommen ist.
Parallel zu den großen Ausstellungen zu aktuellen Themenkomplexen und Präsentationen einzelner Künstlerinnen und Künstler baute der Gründungsdirektor Gijs van Tuyl eine Sammlung mit Kunst ab 1968 und ganzen Werkkomplexen auf, angefangen von Carl Andre über Gilbert & George, Georg Herold, Jannis Kounellis, Mario Merz, Bruce Nauman, Thomas Schütte bis hin zu James Welling. Auf 450 Seiten im Katalog (Hatje Cantz Verlag, Ostfildern) ist sie ausführlich dokumentiert.
Ebenfalls komfortablere Arbeitsmöglichkeiten hat die mit Mitteln des BDI ausgestattete Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig (www.gfzk.de). Dort wird ein diskursives, in die Stadt ausgreifendes Programm mit jungen, international ins Rampenlicht rückenden Künstlern gefahren. 2005 wurde auch der mehrfach hinausgezögerte Neubau des 1837 gegründeten Museums der bildenden Künste Leipzig (www.mdbk.de) eröffnet. Das Haus versichert sich über die Pflege seiner exzellenten Sammlungen früherer Jahrhunderte hinaus auch der jungen Talente und nicht nur der erfolgreichen Leipziger Schule.
Wen es also in die Provinz verschlägt, sollte sich vorher oder vor Ort informieren, zu sehen gibt es genug, und man muss nicht im öden Hotelzimmer hocken.
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