Fit für den Kunstmarkt. Claudia Herstatt

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de Chile, St. Petersburg bis Haifa, Paris, New York und Caracas abgeklopft. Wie weltumspannend in der Chefetage auch gedacht, für die Künstlerauswahl und Vorträge inzwischen auch gereist wird, für 100 Tage ist und bleibt der zentrale Ort des Geschehens als Treffpunkt der internationalen Kunstwelt Kassel.

      Diese 1955 von dem Kasseler Kunstprofessor Arnold Bode erfundene und periodisch etablierte, auf inzwischen rund 15.000 Quadratmeter und verschiedene Gebäude und den öffentlichen Raum ausgebreitete Schau zeitgenössischer Kunst aus aller Welt ist Pulsmesser, Anschauungsfeld und bietet Diskussionsstoff ohne Ende. Hier entzünden sich die Debatten im Vorfeld und im Nachhinein über das Woher und Wohin der Kunst, werden Kurskorrekturen vorgenommen und außerdem ein sommerliches 100-Tage-Fest gefeiert. (www.documenta.de)

      Nicht ganz so lange muss man auf die Wiederkehr der »Biennale« in Venedig warten. Die älteste, alle zwei Jahre stattfindende und bereits 1895 gegründete Kunstschau lebt vor allem von dem Ambiente der Lagunenstadt. Und weil alle so gerne dorthin fahren, durfte über die vermittelten innovativen Qualitäten von Kunst und Inszenierung gelegentlich hinweggesehen werden.

      Wie immer ambitioniert und versiert übernahm der Schweizer Ausstellungsmacher und künstlerische Leiter der inzwischen fast als legendär verklärten »documenta 5« (1972), Harald Szeemann, 1999 und 2001 die Regie in den Giardini. Er überraschte mit Kunst aus China, und das hatte Folgen zugunsten der Akzeptanz der dortigen jungen Künstler. Erstmals im Jahr 2005 zeichneten zwei Frauen verantwortlich, die Spanierinnen María de Corral und Rosa Martínez mit einer eher retrospektiven Schau als Basis für die Zukunft. 2007 war dann zum ersten Mal ein Amerikaner an der Reihe; Robert Storr erfand einen poetischen Titel: »Denken mit den Sinnen – Fühlen mit dem Verstand« und legte auch einen Schwerpunkt auf afrikanische Kunst. Rund um das zentrale, meistens um ein Motto kreisende Ausstellungsgebäude gruppieren sich in der weitläufigen Parkanlage um die 30 »Pavillons« der einzelnen Länder mit jeweils eigenen Kuratoren. Außerdem etablieren sich zunehmend neue Länder – auch ohne festes Dach – in Kirchen, Schulen und Palazzi in der Stadt und auf den Inseln. (www.labiennale.org)

      Diese beiden Erfolgs-Säulen im Ausstellungsbetrieb, mit Überraschungen und Enttäuschungen gleichermaßen, fanden und finden immer mehr Nachahmer in Sachen »Biennale«. Sie kommen und gehen, gedeihen und verblühen, und wahrnehmen kann sie in Gänze schon niemand mehr.

      Wechselnde Orte zeichnen seit 1996 die »Manifesta«, die europäische Biennale zeitgenössischer Kunst, aus. Im Jahr 2000 war Luxemburg ihr Startplatz, zwei Jahre später bot Frankfurt die Kulisse. Nach San Sebastián im Jahre 2004 ging die Reise 2006 erst einmal nirgendwo hin – im Streit schieden die Gastgeber auf Zypern mit den Kuratoren und das Ereignis fiel aus. Für 2008 ist nicht nur die Stadt Bozen, sondern die ganze Region Trient Austragungsort für die 7. Ausgabe der Manifesta. (www.manifesta.org)

      Einen zunächst äußerst vielversprechenden Start legte die »Biennale d’art contemporain« in Lyon hin. In der imposanten Industriehalle Tony Garnier und anderen Orten der Stadt gestalten wechselnde Intendanten zu eher willkürlich wiederkehrenden Terminen (www.biennale-de-lyon.org). Wer dorthin fahren will, sollte unbedingt das Flugzeug nehmen: Der von dem spanischen Architekten Santiago Calatrava erbaute Flughafen, der die Eleganz eines Jets in die fast abhebende Architektur des Gebäudes übersetzt hat, ist Start oder Landung in Lyon unbedingt wert. (www.calatrava.com)

      In der Hauptstadt Berlin darf eine Biennale zeitgenössischer Kunst nicht fehlen. Das ehemalige Postfuhramt und die Kunst-Werke in der neuen alten Mitte der Metropole sind dafür die richtige Kulisse. Wechselnde internationale Ausstellungsmacher sorgen jedes Mal wieder für neue Sichtweisen. Die »Berlin Biennale« im Jahr 2006 mit dem Titel »Von Mäusen und Menschen« lud als einen der drei Kuratoren den international gefeierten Künstler Maurizio Cattelan ein. Die Ausstellungsorte beschränkten sich fast nur auf eine einzige Straßenzeile, die, ohne ein Stück Berliner Geschichte erzählen zu wollen, aufgeladen waren mit deutscher Geschichte in der Konfrontation mit internationaler künstlerischer Intervention. (www.berlinbiennale.de)

      Auch in Fernost und im mittleren Osten ist man auf den Biennalezug aufgesprungen. Seit 1993 schon hat sich die »Sharja Biennale« in den Vereinigten Arabischen Emiraten bemerkenswert profiliert. Die Teilnahme von international aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern wie Dan Peterman oder Michael Sailstorfer und im Westen erst noch zu entdeckenden arabischen Künstlern melangierte im Jahr 2007 zu einem anregenden Austausch der verschiedenen Welten. Mit dem Flugzeug geht es über Dubai dann mit dem Auto in das strengste der Emirate, nach Sharjah. (www.sharjahhart.org)

      Über den Sinn und Unsinn der Inflation der alle zwei Jahre wiederkehrenden Kunstmanifestationen ist viel gestritten worden. Nichtsdestrotrotz sprießen sie weiter hervor, teils durchaus politisch gewünscht und finanziell gefördert. 2006 startete die »Singapur Biennale« (www.singaporebiennale.org), im gleichen Jahr trat die »Gwangju Biennale« in Korea schon zum sechsten Mal auf (www.gwangju-biennale.org).

      Sich einen Gesamtüberblick über die ständig mehr werdenden Großereignisse zu verschaffen ist eher aussichtslos. Am besten informiert man sich über die Tages- und Monatspresse und die vielen beigelegten Jahresvorschauen von art und The Art News Paper und die zahlreichen Internet-Informationsdienste zu Kunst und Kunstmarkt (siehe Abschnitt »Lesen, blättern, schauen«).

      KUNST KENNT KEINE PROVINZ

      ZUM BEISPIEL:

       ARNSBERG, BAMBERG, BIELEFELD, HERFORD, LEIPZIG, NORDHORN, SIEGEN, WOLFSBURG, ZWICKAU

      Nicht nur in den Metropolen mit ihren namhaften Ausstellungshäusern und Galerien kommt man zur zeitgenössischen Kunst. Die Künstler lassen sich immer gerne an die noch so entlegensten Orte verführen, wenn sie dort auf Verständnis und gute Arbeitsbedingungen stoßen. Privat richten sich viele ihre Ateliers in der Provinz ein. Das nicht nur der Abgeschiedenheit und Konzentration wegen, sondern auch aus Kostengründen.

      Was dort hinter unscheinbaren Mauern von zu Werkstätten umgebauten ehemaligen Landkneipen, Marställen und Katen ersonnen und produziert wird, kann schnell zu Weltgeltung kommen. Das Reihenhaus von Gregor Schneider in Rheydt ist dafür ein gutes Beispiel. Sein Totes Haus ur wurde 2001 nach Venedig zur Biennale verfrachtet und als begehbare Installation im Deutschen Pavillon als bester Länder-Beitrag mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

      »In der Provinz entsteht das, was man später in den Zentren bewundert«, behauptet Jan Hoet, der künstlerische Leiter der »documenta IX«. Dieses Credo beweist er nach vielen Jahren in seinem Museum im belgischen Gent mit der Übernahme der Direktion des Museums MARTa in Herford. In dem ersten Museumsbau des kalifornischen Stararchitekten Frank Gehry auf deutschem Boden realisiert der Belgier seit 2005 ein Programm, das nun absolut nichts Provinzielles an sich hat. Mit »Helden«, »(my private) HEROES«, eröffnete er das Formen zum Tanzen bringende Sandsteingebäude, überließ es dem jungen Berliner Designerteam Vogt und Weizenegger als Labor für das Wohnen in der Zukunft und gönnte den großen italienischen Altmeistern der Avantgarde, Carla Accardi und Lucio Fontana, eine ungewöhnliche Begegnung. (www.marta-herford.de)

      Wenige Kilometer weiter verfügt Direktor Thomas Kellein mit der Kunsthalle Bielefeld ebenfalls über ein architektonisch außergewöhnliches, wenn auch völlig anders gedachtes Gebäude. In dem

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