Tatort Antike. Cornelius Hartz

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Tatort Antike - Cornelius Hartz

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die gegen diese Regeln verstoßen haben. Die hier vorgestellten Kriminalfälle des Altertums sind genau das: Verstöße gegen die grundlegenden Prinzipien unserer menschlichen Interaktion. Dabei geht es um Mord, Diebstahl und Raub, um Attentate, falsche Zeugenaussagen und gewiefte Ermittler.

      Und doch besteht ein großer Unterschied all dieser „Fälle“ zu unserer heutigen Zeit: In der gesamten klassischen Antike, sei es in Ägypten, Griechenland oder im Römischen Reich, gibt es keinen funktionierenden Polizeiapparat. Gerade für Rom überrascht dies, wird uns doch das Imperium Romanum immer öfter als prä-industrialisierte Moderne vorgestellt. Doch vom alten Rom trennt uns mehr als nur das „dunkle“ Mittelalter, das viele zivilisatorische Errungenschaften wieder in Vergessenheit geraten lässt. Zwar ist unser Wort „Polizei“ vom altgriechischen pólis („Stadtstaat“) bzw. politeía („Staat“) abgeleitet, doch ein staatliches Organ, das für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sorgt und als investigative Kraft bei der Verbrechensbekämpfung und -aufklärung hilft, existiert im Altertum noch nicht. Immerhin besitzt Athen in klassischer Zeit das Beamtenkollegium der Elfmänner, das unter anderem das Staatsgefängnis betreut und bei der Tat überraschte Täter aburteilt (vgl. Krause 2004, 13). In Rom gibt es eine ähnliche Einrichtung (tresviri capitales), und in der Kaiserzeit kommen die vigiles dazu: Soldaten, die in der dicht besiedelten Stadt für den Feuerschutz zuständig sind und deren Präfekt „Brandstifter, Hauseinbrecher, Diebe und Hehler“ aburteilt (ebd., 45). Daneben werden in allen antiken Kulturen Strafmaßnahmen für verurteilte Verbrecher angewandt, die heute mehr als skurril erscheinen und sich doch z. T. über Jahrhunderte halten – von der Aporhaphanidosis in Griechenland, bei der dem Delinquenten rektal ein Rettich eingeführt wird, bis zur Säckung in Rom, bei der der Verurteilte mit Schlangen und anderen Tieren in einen Sack eingenäht ins Meer geworfen wird. Und doch: Einen Polizeiapparat, wie wir ihn heute kennen, gibt es noch nicht.

      Wenn beispielswiese ein Mörder nicht in flagranti erwischt wird, ist es oft geradezu unmöglich, einen Mordfall aufzuklären. Dass Menschen dennoch für solche Taten verurteilt werden, ist in Rom unter anderem auf die Existenz berufsmäßiger Ankläger zurückzuführen, die am Prozess verdienen wollen (s. S. 64). Die Bestechlichkeit der altrömischen Gerichte ist heute geradezu legendär, und die Quote an Fehlurteilen dementsprechend hoch – später in diesem Band wird uns diese Tatsache noch öfter begegnen. Aber genau deshalb gibt es bei historischen Krimis, die in der Antike spielen, in der Regel keinen Kommissar oder sonstigen Beamten einer Strafverfolgungsbehörde als Ermittler, sondern die Verbrechen werden meist von Privatleuten aufgeklärt (am bekanntesten ist wohl heute immer noch der fiktive Magistrat Decius Caecilius Metellus, der in John Maddox Roberts’ populärer Romanreihe SPQR Kriminalfälle löst).

      Insofern sind einige der in diesem Band vorgestellten Vorkommnisse weniger Kriminalfälle im Sinne eines Krimis mit Tat, Ermittlung und Aufklärung. Manche sind ganz einfach Verbrechen, über die die Nachwelt durch historische Quellen erfahren hat – und mitunter ist dies auch verständlich: Wenn zum Beispiel der römische Kaiser seine Mutter umbringt, wer wollte da der Richter sein?

      Die hier vorgestellten 21 Verbrechen umspannen einen Zeitraum von über 1700 Jahren, mehr als uns heute von dem letzten dieser Kriminalfälle in der Spätantike trennt. Zugleich bieten sie ein mosaikartiges Panorama der Geschichte des Altertums von Ägypten über Griechenland, China und das alte Rom bis zur Spätantike und zum frühen Christentum – im Spiegel des Verbrechens. Dass sich die Massenmedien heute immer noch für die Antike interessieren, liegt nicht zuletzt daran, dass sie immer wieder als ein teilweise gesetzloser Ort dargestellt wird. Griechenland und vor allem Rom als Schauplatz von Intrigen und skrupellosen Politikern, ein Ort des „anything goes“ – Sex und Crime durchziehen als roter Faden moderne Darstellungen der Antike wie Gladiator (Kino, 2000), Das Schwert von Karthago (Roman, 2005), Spartacus – Blood and Sand (TV, 2010) oder God of War – Ascension (Videospiel, 2013).

      Der Vorteil dieses Buchs jedoch ist, dass alles hier Dargestellte überliefert ist. Auch wenn man bei den antiken Geschichtsschreibern viele Details anzweifeln und überprüfen muss, da deren Zeugnisse meist mehr auf Hörensagen denn auf harten Fakten beruhen, so zeigt sich dennoch einmal mehr, dass die Geschichte oft auch die spannendsten Geschichten schreibt – man muss sie nur lesen.

      Mord oder Unfall: Tutanchamun (1323 v. Chr.)

      Tutanchamun ist ein Name, der klingt wie kein zweiter. Man verbindet ihn mit wundersamen Goldschätzen, geheimnisvollen Flüchen und frühzeitigem Tod. Vor wenigen Jahren sprengte eine Ausstellung, in der lediglich Repliken der in seinem Grab gefundenen Schätze zu sehen waren, Besucher- und Eintrittspreisrekorde. Tutanchamuns Regierungszeit gehört zum sogenannten Neuen Reich, der wohl bekanntesten Epoche in der ägyptischen Geschichte, in der es viele legendäre Herrschergestalten gibt – Amenophis III., Echnaton, Nofretete und Hatschepsut. Dabei kannte zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum jemand überhaupt nur den Namen des Pharao – erst seit der Entdeckung seines Grabs mit den vielen kostbaren Grabbeigaben durch Howard Carter im Jahr 1922 ist auch Tutanchamun eine Legende.

      Tutanchamun im Streitwagen. Vorderseite der Kriegs- und Jagdtruhe aus dem Grab des Tutanchamun, Tal der Könige, Theben. Holz, stuckiert und bemalt.

      Von der sechsjährigen Suche nach dem Grab bis zur abenteuerlichen Bergung der Schätze – die „Aufzeichnungen Carters … lesen sich wie ein Detektivroman“ (Wagner, 9). Doch auch wenn wir das Innere des Grabs Tutanchamuns mit den buchstäblich Tausenden von Kunstgegenständen heute sehr genau kennen, wissen wir immer noch recht wenig über das Leben Tutanchamuns selbst. Und das wenige, das wir wissen, trägt zum Mythos noch bei, denn sicherlich liegt die Faszination für diesen Pharao zum Teil auch daran, dass er eine ebenso prachtvolle wie tragische Figur der Geschichte ist: Mit nur 19 Jahren stirbt Tutanchamun, nach knapp einem Jahrzehnt Regierungszeit. Er hinterlässt keine Nachkommen, und so endet mit ihm die 18. Dynastie der ägyptischen Pharaonen (vgl. Schlögl, 244). Doch bis heute sind die Umstände seines Todes nicht geklärt. War es ein Unfall – oder war es Mord?

      1999 veröffentlicht der angesehene US-amerikanische Ägyptologe Bob Brier das Buch Der Mordfall Tutanchamun (The Murder of Tutankhamen). Brier ist von der Mordtheorie überzeugt. Sein Hauptindiz für einen gewaltsamen Tod: Eine alte Röntgenaufnahme der Mumie Tutanchamuns weist eine Absplitterung des Schädelknochens auf – ist der Pharao erschlagen worden? Falls Tutanchamun ermordet worden ist, so führt die Spur zu mehreren Personen, die für seinen Tod verantwortlich sein könnten. Die Instabilität des Umfelds Tutanchamuns könnte dabei eine wichtige Rolle spielen (vgl. Brier, 16 ff.).

      Tutanchamuns Vater, Echnaton, hat das Leben und die Kultur in Ägypten verändert: Er führt anstelle des traditionellen Polytheismus die Verehrung eines einzigen Gottes (Aton) ein – eine geradezu unerhörte Neuerung. Auch wenn er die Existenz der anderen Götter nicht verleugnet, so räumt er Aton doch einen Stellenwert ein, der fast einem Monotheismus gleichkommt. Für regelrechtes Entsetzen unter den Zeitgenossen sorgt die Schließung des Tempels des Amun in Karnak, die „nicht nur die Gläubigen [verletzt], sondern vor allem auch die Priesterschaft des Gottes, die bisher von der Wirtschaftsmacht des Tempels gelebt und ihren Einfluß und ihre Pfründe daraus bezogen“ hat (Schlögl, 136). Zwar ist Echnatons „Revolution“ nicht von Dauer, und seine Neuerungen halten keine 50 Jahre. Aber sie sorgen dafür, dass das durch Priester geprägte Umfeld des Königshauses an Stabilität einbüßt. Als sein Vater stirbt, ist Tutanchamun noch ein Kind; mit etwa neun Jahren muss er den Thron besteigen. Zu diesem Zeitpunkt nennt er sich noch Tutanchaton – sein Geburtsname, in dem sich der Monolatrismus des Vaters widerspiegelt („lebendes Abbild des Aton“, des vom Vater verehrten Sonnengottes).

      In seine Regierungszeit fällt der Beginn der Aussöhnung mit dem traditionellen Glauben, von der sein neuer Name Tutanchamun („lebendes Abbild des Amun“) zeugt: Amun ist der ägyptische Gott der Fruchtbarkeit. Allerdings ist das

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