Kurz und schmerzlos. Peter Gerdes

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Kurz und schmerzlos - Peter Gerdes

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      »Danke«, sagte Kramer, »ich ziehe die Frage zurück.«

      Globisch bemerkte die beiden Kripobeamten erst, als ihre Schatten auf seine Arbeit fielen. Er guckte hoch, blinzelte, nickte grüßend. »Schon was Neues?«, fragte er.

      Stahnke schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Nach wie vor keine Hinweise auf den Aufenthaltsort Ihrer Mutter.«

      Globisch nickte, grunzte, wandte sich wieder seinen Pflastersteinen zu. Tuck, tuck, tuck.

      Kramer stemmte die Fäuste in die Hüften und starrte seinen Vorgesetzten mit erhobenen Augenbrauen an. Für ihn kam das einem Gefühlsausbruch gleich, ausgelöst durch den absoluten Mangel an Gefühlen, die dieser Globisch angesichts des Verschwindens seiner eigenen Mutter zeigte. Stahnke aber ignorierte Kramers Gebaren, woraufhin dieser schnell in seine gewohnt stoische Haltung zurückfiel.

      »Neue Auffahrt?«, fragte der Hauptkommissar stattdessen Globisch. »Jetzt also doch? Aber in dieser Richtung ist doch der Graben.«

      »Plattenbrücke«, stieß Globisch hervor, ohne von seinem Tun abzulassen oder sich gar umzudrehen. »Betonguss. Ist schon in Auftrag gegeben. Nach vorne hin mach’ ich dicht. Sehen Sie ja.«

      »Aber warum?«, fragte Stahnke. »Vor Gericht haben Sie doch gewonnen.«

      Der Kniende schnaubte zur Bestätigung. »Schon. Aber diese Bedingungen! Nur ein Auto, Schritttempo, Gäste nur nach Anmeldung – nee, nee. Jetzt mach’ ich das lieber richtig. Hinten verläuft ja der Bauernweg, für Anlieger frei. Da baue ich mir eine eigene Zufahrt, gegen die dann keiner etwas sagen kann.«

      Stahnke drehte sich um. In der Zaunlücke waren der eisengraue Haarschopf und das gebräunte Gesicht des älteren Mannes vom Vordergrundstück zu sehen, mit halboffenem Mund und zusammengekniffenen Augen. Eilig entfernte sich der Mann, eine Karre voll Kompost vor sich her schiebend.

      Tuck, tuck, tuck machte Globischs Gummihammer.

      Der Hauptkommissar nahm Kramer bei der Schulter und zog ihn ein paar Schritte beiseite, außerhalb der Hörweite des Hausherrn, obgleich der sie gar nicht weiter beachtete. »Globisch hat dieses Grundstück geerbt, samt Haus«, erläuterte er. »Von seiner Großmutter, der alten Frau Janssen. Seine Mutter bekam Haus und Grundstück an der Straße. Beide sind jeweils Einzelkinder und damit die einzigen Erben.«

      »Da hat unser fleißiger Freund hier aber das bessere Schnäppchen gemacht«, kommentierte Kramer. »Der Schuppen da vorne ist doch uralt. Das Dach hängt durch, keine Iso-Fenster, und wer weiß, wie es da drinnen aussieht.«

      Stahnke nickte. »Frau Janssen war von ihrem Erbanteil auch sehr enttäuscht.« Auf Kramers fragenden Blick hin erläuterte er: »Verwitwete Globisch. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie ihren Mädchennamen wieder angenommen. Ihr Sohn, so heißt es, soll ihr das sehr übel genommen haben.«

      Kramer nickte langsam. Hinter seiner Stirn arbeitete es sichtlich.

      »Eigentlich hatte Frau Janssen sowieso damit gerechnet, den gesamten Immobilienbesitz ihrer Mutter überschrieben zu bekommen. Auf jeden Fall aber fand sie, ihr stehe das bessere Haus zu. Das Testament war jedoch eindeutig und nicht anfechtbar, eine Klage sinnlos. Also hat sie ihrem Ärger auf andere Art Luft gemacht, nämlich mit Schikane.«

      Stahnke machte eine Pause, lauschte auf das Tuck, tuck, tuck von Globischs Hammer und dem Quietschen der Schubkarre vom Vordergrundstück. Als Kramer ihm nicht den Gefallen tat nachzufragen, seufzte der Hauptkommissar und fuhr ohne dies fort.

      »Sie fand nämlich heraus, dass die Teilung der ursprünglichen Parzelle niemals ins Grundbuch eingetragen worden war. Erschien ja auch unnötig, da beide Grundstücke der alten Frau Janssen gehörten. Eine Eintragung hätte nur unnötige Kosten verursacht, glaubte man. Erst, nachdem die Grundstücke vererbt worden waren, wurde das zum Problem. Beziehungsweise zur Chance, Ärger zu machen.«

      Kramers Gesicht blieb steinern, trotzdem hatte Stahnke das deutliche Gefühl, dass sein gewöhnlich so scharfsinniger Kollege nicht darauf kam, wo der Hase im Pfeffer lag. Das freute ihn diebisch. Einige Sekunden lang weidete er sich daran, dann stampfte er mit dem Fuß auf. »Hier liegt das Problem. Wir stehen drauf! Es ist diese Auffahrt hier.«

      »Klar«, sagte Kramer. »Das Überwegungsrecht. Wird ein Grundstück geteilt und der hintere Teil bebaut, muss das Überwegungsrecht von der Straße nach hinten ins Grundbuch eingetragen werden. Geschieht dies nicht, hängt es vom Besitzer oder Mieter des vorderen Teils ab, ob er dem sogenannten Hintersassen eine Überquerung gestattet. Oder eben nicht.«

      Die Miene des Oberkommissars blieb unbewegt, trotzdem fühlte sich Stahnke seines kleinen Triumphs beraubt. Seine breiten Schultern sanken ein wenig herab. »Richtig«, bestätigte er. »Beide Häuser waren zum Zeitpunkt des Erbfalles vermietet, aber Mutter Janssen kannte den Mieter des Hauses, das sie erbte, recht gut. Der Typ ist Tiefbauarbeiter, im Kopf eher schlicht, aber dafür streitsüchtig. War wohl nicht weiter schwer, den so weit aufzustacheln, dass er anfing, seinen Nachbarn vom Hintergrundstück, mit dem er bis dahin recht gut ausgekommen war, zu schikanieren und ihm das Leben schwer zu machen.«

      »Ostfriesischer Volkssport«, repetierte Kramer. »Nachbarn ärgern.«

      »Ärgern und verklagen«, korrigierte Stahnke. »Der Hintersasse spielte das Spiel nämlich mit und übernahm den Klagepart. Sein frischgebackener Vermieter, der Herr Globisch, sprang ihm bei, weil er sich von seiner Mutter nicht alles bieten lassen wollte, beide erwirkten zusammen eine Einstweilige Verfügung auf freie Überfahrt, und so konnte Frau Janssen nicht anders, als Gegenklage zu erheben. So standen sich denn Mutter und Sohn vor Gericht gegenüber.«

      »Klassisch«, sagte Kramer.

      »Ein gefundenes Fressen für die ganze Siedlung«, bestätigte Stahnke. »Um es mal abzukürzen, Globisch gewann, bekam das Überwegungsrecht für den jeweiligen Hausbewohner zuerkannt, wenn auch unter Auflagen, wie eben gehört. Mutter Janssen schäumte und versprach noch im Gerichtsgebäude, dass das nicht das letzte Wort gewesen sei. Sie werde sich schon noch etwas einfallen lassen.«

      »Und dann?«, fragte Kramer.

      »Dann«, antwortete Stahnke mit funkelnden Augen, »dann war die alte Ziege weg.«

      »Äh … wieso?« Der Oberkommissar schaute jetzt doch verwirrt. »Gehörte etwa auch eine, äh, alte Ziege zum Erbe?« Noch während er sprach, schien er endlich zu begreifen.

      Stahnke bot alle Selbstbeherrschung auf, die ihm zu Gebote stand, um nicht loszubrüllen vor Lachen. »Du fluchst nicht oft, nicht wahr?«, fragte er scheinheilig. »Man merkt’s.«

      »Stimmt«, antwortete Kramer mit drohendem Unterton. »Aber ich weiß durchaus, wie das geht. Also bitte.«

      »Alte Ziege ist eine sehr verbreitete Bezeichnung für Frau Janssen«, fuhr Stahnke eilig fort. Er war froh, den stets bestens informierten Kramer endlich einmal vorgeführt zu haben, wollte es aber nicht ernstlich mit ihm verderben. »Hier in der Siedlung, meine ich, wo man sie kennt. Die Kollegen haben mal rumgefragt und wenig Schmeichelhaftes zu hören bekommen. Die Dame scheint sich mit fast jedem angelegt zu haben, immer wegen Kleinigkeiten, und pflegte sich dabei schnell im Ton zu vergreifen. Freunde hat sie sich auf diese Art kaum gemacht. Halbwegs ausgekommen ist sie nur mit Becker, ihrem Mieter. Der soll ihr charakterlich recht ähnlich sein.«

      »Becker. Ist das der Mann, der da vorne im Garten arbeitet?«

      »Das ist sein Vater.

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