Kurz und schmerzlos. Peter Gerdes

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Kurz und schmerzlos - Peter Gerdes

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»Jedenfalls für einige von uns.« Er grinste.

      Kramer Miene blieb unbewegt wie ein Pflasterstein.

      Essener Dauerlieger

      »Ich traue dir nicht«, sagte Sina.

      Stahnke mimte den Empörten. »Waas? Na hör mal, ich bin Beamter!«

      »Sei froh. Als Schauspieler bist du nämlich echt schlecht.« Das letzte Wort sprach sie mit einem genüsslich in die Länge gezogenen »ä«, während sie sich über den kleinen Tisch beugte, die Ellbogen aufstützte und ihr Gegenüber kritisch fixierte. Ihr leichtes Sommertop war tief ausgeschnitten, und Stahnke gönnte sich einen ebenso tiefen Blick.

      »Hallo, mein Gesicht ist hier oben!«

      »Ich weiß. Aber die Konkurrenz ist zu zweit. Au!« Etwas zu spät zog Stahnke seine Füße zurück.

      »Lustmolch, vertrauensunwürdiger. Sowas gehört getreten.« Sina spitzte die Lippen, schnappte freihändig nach ihrem Strohhalm und nuckelte an ihrer Cola.

      Stahnkes Lächeln zog sich in die Breite, bis der Hauptkommissar tatsächlich fast wie ein Molch aussah. Nach mehrjähriger Pause war er erst seit ein paar Wochen wieder mit Sina Gersema zusammen, sein Glück war noch ganz frisch und prickelnd und schäumte bei jeder Gelegenheit auf und über. Da reichte schon die bloße Erwähnung des Wortes ›Lust‹, egal in welcher Kombination.

      »Warum beschimpfst du mich eigentlich so wüst?«, fragte er, während er nach seinem Bierglas griff. Es war leer. Keine Bedienung weit und breit. An diesem herrlichen Samstag war die MS Heisingen rappelvoll. An die dreihundert Passagiere drängten sich um die Tische an Oberdeck und in den Salons, um den Baldeneysee in der Frühsommersonne zu genießen, da hatte das Servicepersonal alle Hände voll zu tun.

      Sina legte ihr Kinn auf die verschränkten Finger und senkte ihre langen Wimpern. »Weil ich dich kenne«, antwortete sie leise. »Von wegen, keine Hintergedanken! Eine Einladung zum gemütlichen Wochenendausflug, zusammen essen, Schiffchen fahren, ein bisschen sonnen … und das alles ohne dienstlichen Hintergrund? Nee, mein Lieber, das kauf ich dir nicht ab. Das passt nicht zu dir.«

      »Aber wieso denn?« Stahnke breitete die Hände aus. »Genau das machen wir doch gerade! Ich meine, Ausflug und, äh, Schiffchen. Und was Essen betrifft – guck dich doch um! Ist das da am Ufer etwa nicht Essen?«

      »Als Witzbold taugst du auch nichts«, erwiderte Sina. »Aber jetzt sag schon. Wen musst du hier verhören? Was wirst du durchsuchen? Oder geht es um eine Verhaftung?«

      Stahnke seufzte. »Man hätte euch Frauen das Psychologiestudium besser doch nicht erlauben sollen.« Diesmal bekam er seine Füße rechtzeitig hoch, um Sinas Tritt auszuweichen.

      Er lehnte sich zurück, schaute über die Reling hinaus auf den See, der geradezu kitschig blau, vom leichten Wind sanft gekräuselt und mit weißen Segeln verschiedenster Größen gesprenkelt war. Ein Anblick, der sämtlichen Vorurteilen über das Ruhrgebiet spottete. Selbst ein seelandschaftsverwöhnter Küstenbewohner konnte ihn genießen.

      Genau das hatte Professor Groenewold auch gesagt.

      Stahnke drehte sich zurück; Sinas goldbraune Augen erwarteten ihn schon. »Ja, du hast recht«, sagte er. »Tut mir leid. Ich hätte es dir gleich sagen sollen. Es ist aber wirklich nur eine Kleinigkeit, dauert nur ein paar Minuten. Keine Befragung oder Verhaftung oder so.« Er zuckte die Achseln. »Eigentlich der Fall sowieso schon abgeschlossen.«

      »Solche Kleinigkeiten haben dich ja noch nie an irgendwas gehindert.« Sina grinste spöttisch. »Nun erzähl schon.«

      Der Hauptkommissar rieb sich die weißblonden Haarstoppeln. Sie fühlten sich feucht an. Obwohl er in den letzten Monaten tüchtig abgespeckt hatte, schwitzte er immer noch schnell. Sina dagegen wirkte wie aus dem Ei gepellt. Bestimmt hielten die anderen Fahrgäste sie für seine Tochter. Das war ihm früher schon passiert, und es störte ihn jedes Mal.

      »Unser Mann heißt Groenewold«, begann er. »Professor Dr. Ulfert Groenewold. Bis vor Kurzem Dozent an der Uni Oldenburg. Spezialist für Sprache und Literatur der Niederlande. Irgendwie naheliegend für einen gebürtigen Ostfriesen. Allerdings fristet die Niederlandistik in Oldenburg ein Schattendasein, und Groenewold ist ehrgeizig. Aus seiner Unzufriedenheit mit seiner untergeordneten Position im Fachbereich und seiner hohen Lehrverpflichtung hat er nie ein Geheimnis gemacht. Er wollte vor allem forschen, wollte einen eigenen Lehrstuhl mit Sekretariat und mit Assistenten, die in seinem Namen die lästigen Seminare und vielen Korrekturen erledigten. Und er wollte auch mehr Geld. Also musste er aus Oldenburg weg.«

      »Völlig normal im Universitätsbetrieb. Man publiziert so viel wie möglich, das steigert den eigenen Marktwert, man bewirbt sich auf jede passende Stelle, wird zu Gastvorträgen eingeladen, und irgendwann klappt es dann.« Sina zuckte die Achseln. »Natürlich schafft es nicht jeder. Die Stellenpyramide verjüngt sich nach oben hin, und die Konkurrenz wird immer härter. Man muss sich halt durchsetzen können.« Ein Gedanke, der ihr mehr zu schaffen machte, als sie zugeben wollte. Sie stand kurz vor ihrem Abschluss in Psychologie, und wenn sie weiterhin an der Oldenburger Uni bleiben wollte, würde sie sich wohl auch in dieses Haifischbecken stürzen müssen.

      »Groenewold hat sich hier in Essen beworben«, fuhr Stahnke fort. »Vielmehr an der Universität Duisburg-Essen, Standort Essen, Fachbereich drei. Niederlandistik gehört hier zur Germanistik. Ausgeschrieben war eine C4-Professur, gut dotiert und ausgestattet mit allem Drum und Dran. Entsprechend groß war der Bewerberandrang. Schon, dass Groenewold von der Berufungskommission eingeladen wurde, war ein großer Erfolg. Und man war auch ganz angetan von ihm. Unser Mann durfte sich Hoffnungen machen.«

      Sina schnippte mit den Fingern. »Sag mal, Groenewold – ziemlich groß, schlank, kurzer Vollbart, schmale Brille, heller Anzug mit bunter Fliege? Noch keine vierzig Jahre? Den kenne ich. Ich meine, vom Sehen, aus der Mensa und so. Hat dort einen Stammplatz. Hält regelrecht Hof. Klar, als Prüfer hat er eine Machtposition, aber – glaub mir, Studenten können echt peinlich sein.«

      »Er hat eine gewinnende Art«, sagte Stahnke. »Nicht zuletzt diese Tatsache brachte ihn oben auf die Berufungsliste. Allerdings nicht ganz nach oben, sondern auf Platz zwei. Manchmal reicht das schon, denn oft haben die qualifiziertesten Kandidaten mehrere Eisen im Feuer und verzichten im letzten Moment, weil es anderswo eine noch lukrativere Stelle gibt. Also kann man auch als Zweiter durchaus der Sieger sein. Allerdings nicht in diesem Fall.«

      »Und wer hat die Stelle bekommen?«

      »Ein gewisser Dr. habil. Friedemann Salewski. Mitte vierzig. War bis dahin Wissenschaftlicher Rat an der Uni Bielefeld. Karrieretechnisch eine ziemliche Sackgasse, habe ich mir sagen lassen. Salewski wollte unbedingt da weg – und er wollte unbedingt hierher. Genauer: hierher zurück. Er ist nämlich gebürtiger Essener, stammt aus Heisingen. War als Jugendlicher begeisterter Jollensegler beim Heisinger SC. Hat sein Elternhaus am Fährenkotten, das er schon als Student erbte, nicht verkauft, sondern vermietet, mit Eigenbedarfs-Vorbehalt, weil er eines Tages wieder darin wohnen wollte. Und er hat, seit er als Wissenschaftlicher Assistent regelmäßig verdiente, eine eigene Segelyacht auf dem Baldeneysee. Viel mehr Heimatverbundenheit geht nicht.«

      »Kaum.« Sina nickte. »Jede Menge Motivation, vor allem, weil solche Stellen ja nicht alle Jahre ausgeschrieben werden. Dieser Salewski muss um die C4-Stelle gekämpft haben wie eine Kanalratte. Na ja, als Essener Jung hatte er bestimmt noch alte Kontakte. Sowas hilft ja auch.«

      Stahnke hatte endlich eine der überforderten Bedienungen erwischt und war seine Bestellung losgeworden. »Klar

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