Tausendfache Vergeltung. Frank Ebert
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Читать онлайн книгу Tausendfache Vergeltung - Frank Ebert страница 4
„Die Ursache für den Unfall?“, wollte George neugierig wissen.
Al zuckte die Achseln.
„Bis heute ungeklärt.“
Die beiden Männer standen eine Weile schweigend da. Betreten stierten sie vor sich hin.
Sie wirkten auf die Lady, die sie von ferne erspähte, inmitten des Gewühls der Passagiere wie verlorene, einsame Insulaner.
„Nanu, so nachdenklich?“
Die Lady trug jetzt ein buntes Sommerkleid, in dem sie fast noch adretter aussah als vorher in ihrem hellblauen Kostüm.
Die Kaffeeflecken hatte sie von ihren Schuhen und dem Bordcase notdürftig abgewischt. Letzte Spuren waren nicht zu übersehen.
„Weißt du, Jung Sook, dieser Gentleman hat mir gerade seine Geschichte erzählt. Eine traurige Geschichte, eine sehr traurige Geschichte“, antwortete George.
Georges mürrischer Gesichtsausdruck war inzwischen der mitleidsvollen Miene eines Hundegesichts gewichen. Er blickte auf die riesigen Metallzeiger der Terminaluhr.
„Tut mir leid, Jung Sook, ich muss meinen Dienst fortsetzen.
Ich komme aber später noch einmal vorbei – bis dann.“
George zog seine Uniform wieder glatt und rückte die Mütze zurecht. Er verschwand im Gewimmel der Passagiere.
„Darf ich auch erfahren, worum es geht?“, erkundigte sich die Lady neugierig.
„Oh ja, natürlich. Aber ich wollte mich zunächst bei Ihnen in aller Form entschuldigen, Madame. Für den Schaden komme ich selbstverständlich auf.“
„Halb so schlimm, es geht schon wieder“, kokettierte sie.
„Ich habe noch eine gute halbe Stunde Zeit bis zum Boarding. Darf ich Sie zu einem Drink einladen?“
„Gerne.“
„Wann geht Ihr Flug?“
„Ach, erst zwanzig nach drei. Aber Sie wissen ja, wie das mit den Sicherheitsmaßnahmen ist. George sagt immer, es sei besser, frühzeitig am Flughafen zu sein.“
„Ja, da hat er sicher recht. Ich fliege übrigens auch um fünfzehn Uhr zwanzig.“
„Etwa auch mit der Maschine nach Seoul?“
Al nickte.
„Dann sitzen wir in derselben Maschine. Ich habe allerdings einen Platz im Raucherabteil reservieren lassen. Bei Korean Air geht so etwas noch.“
„Oh! Da ich nicht rauche, werden wir wohl kaum zusammensitzen. Nun ja …“
Sie wirkte plötzlich etwas verlegen. Ihre linke Schuhspitze zeichnete eines der unruhigen Muster des Marmorfußbodens nach.
„Und wann fliegen Sie zurück?“
„Überhaupt nicht.“
„Überhaupt nicht?“
„Nein. Ich habe ein One-Way-Ticket. Wissen Sie, bis vor Kurzem arbeitete ich in Los Angeles. Aber ich ziehe es vor, nach Südkorea zu gehen.“
„Na so was. Ein Amerikaner, der freiwillig nach Korea auswandert“, staunte sie. „Sie werden dort also auch arbeiten?“
„Ja. Als Journalist für die Los Angeles News. Arbeiten und leben – auf unbestimmte Zeit.“
„Kennen Sie das Land?“
„Nicht nur das Land, Madame. Auch die Leute. Meine Frau war Koreanerin. Außerdem war ich schon früher in Korea, als ich noch bei der Navy war. Aber das ist lange her.“
Al unterstrich seine Aussage mit einer ausladenden Handbewegung.
„Sie sind geschieden, nicht wahr?“, wollte die Dame nun auf Koreanisch wissen.
„Nein, verwitwet.“
Al antwortete in ausgezeichnetem, nahezu akzentfreiem Koreanisch. Sie bewunderte seinen sanften Wortfluss.
„Meine Frau ist vor sechs Wochen tödlich verunglückt – bei einem schweren Verkehrsunfall“, fuhr er fort. „Mysteriöse Geschichte. Alle Verwandten meiner Frau leben in Korea. Da hat mich mein Chef gebeten, das Redaktionsbüro unserer Zeitung in Seoul zu übernehmen.“
„Ach so!“, entfuhr es der Lady erstaunt.
„Wie das eben so ist, wenn einen der Chef ,bittet‘. Was blieb mir anderes übrig, als einverstanden zu sein. Besser ein Job in Seoul als arbeitslos im Orange County. Hier habe ich nichts mehr verloren.“
„Dann besteht die Chance, dass man sich sieht … ich meine – in Seoul?“
Die Frage klang ebenso einladend wie verlegen.
„Nun ja …“
Al wusste nicht recht, was er antworten sollte.
„Also … ich denke, ich werde mich erst einmal orientieren.
Ach, übrigens – ich habe mich noch nicht einmal vorgestellt.
Albert Ventura. Nennen Sie mich einfach Al. Darf ich Ihnen meine Karte geben?“
„Gerne. Danke.“
Sie kramte in ihrer Handtasche und überreichte Al mit einer kaum merklichen Verneigung ebenfalls eine Visitenkarte.
„Frau Dr. Kang Jung Sook“, murmelte er, „Kunstprofessorin“, und steckte das Kärtchen ein. „Ah ja, der Drink! Also, wozu darf ich Sie einladen, Frau Doktor?“
„Ein Wasser, bitte.“
„Das gibt wenigstens keine Kaffeeflecken“, lachte Al etwas gezwungen.
„Ich glaube, der Abfertigungsschalter öffnet gleich. Du solltest dich jetzt besser anstellen, Jung Sook“, mahnte George, der unvermittelt wieder aufgetaucht war.
„Stell dir vor, George, Herr Ventura fliegt auch nach Seoul“, erklärte Frau Kang.
Wortlos nahm George ihr Bordcase auf. Wie ein Kind sein Spielzeug zog er es hinter sich her.
„Es ist wirklich nett, dass du mir so behilflich bist“, schmeichelte sie.
„Schon gut“, brummte George.
„Dann verschieben wir den Drink auf später – im Flugzeug?“, meinte