Tausendfache Vergeltung. Frank Ebert
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Читать онлайн книгу Tausendfache Vergeltung - Frank Ebert страница 5
Al schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
„Natürlich – klar … Verdammt, das ist heute schon das zweite Mal, dass ich sie fast hätte stehen lassen. Wo habe ich nur meinen Kopf?“
„Wenn Sie das nicht wissen, Mister“, raunte George.
Sie reihten sich vor dem Abfertigungsschalter der Korean Air an. Das Bodenpersonal wickelte die Formalitäten routinemäßig ab. George begleitete die beiden Fluggäste an den Kabinen der Passkontrolle vorbei zur Leibes- und Handgepäckvisitation. Er verabschiedete sich mit einem Küsschen von Jung Sook und mit einem kräftigen Handschlag von Al.
„Es geht mich zwar nichts an, aber – sind Sie mit dem Mann befreundet?“, fragte Al.
„Befreundet? Nun, sagen wir, gut bekannt“, antwortete sie.
„Ich glaube, das ist eine Geschichte, die ich Ihnen während des Fluges erzählen kann. Die Maschine ist ja nicht ausgebucht. Wenn Sie möchten, können wir uns ein bisschen unterhalten – von mir aus auch im Raucherabteil. Der Flug ist lange genug“, schlug sie vor.
Al war einverstanden, obwohl ihm nicht nach Konversation zumute war. Schon gar nicht wollte er Hals über Kopf in eine neue Beziehung schlittern. Aber eine Unterhaltung während des Fluges würde ihn auf andere Gedanken bringen. Einstimmung auf seine neue Heimat? Warum nicht? Er hatte ohnehin nichts Besseres vor.
Mit wenigen Minuten Verspätung erhob sich der Jumbo der Korean Air donnernd von der Startbahn. Die schwere Maschine reckte ihren schlanken Hals einem wolkenlosen blauen Firmament entgegen. Gleich einem riesigen Vogel zog sie in einem stetigen Steigflug ihren massigen Körper kraftvoll nach. Nachdem der Jumbo die Smogschicht über Los Angeles durchstoßen hatte, drehte er in eine leichte Linkskurve ein. Sein Kurs trug ihn auf die unendlichen Weiten des Pazifiks hinaus.
Stunden später setzte die Maschine quietschend auf der Landebahn des Internationalen Flughafens Seoul-Kimpo auf.
Frau Kang hatte ihr Gepäck zügig erhalten. Al musste noch einige Zeit warten, ehe das Förderband seine beiden prall gefüllten Koffer preisgab. Vertraute, strenge Gerüche durchzogen alle Ecken des Abfertigungsgebäudes: fernöstliche Gewürze aller Art, vor allem Knoblauch …
„Es war wirklich sehr interessant, mit Ihnen zu fliegen“, schwärmte Frau Kang, während sie nach einem der begehrten schwarzen Luxustaxis Ausschau hielt. „Sie müssen mir versprechen, dass wir uns wiedersehen.“
Jung Sook überlegte, wie sich ihre neue Bekanntschaft weiterentwickeln würde. Ein wenig Rührung empfand sie für den sympathischen, intelligenten Journalisten. Wie tollpatschig er doch war, als sie ihn kennengelernt hatte. Es mochte sein, dass sie ihn sogar ein wenig bewunderte. Zugegeben – anfänglich wirkte er recht unbeholfen. Und doch machte er nicht den Eindruck eines trockenen Theoretikers. Nein, er schien ein Mensch zu sein, der sich vor nichts fürchtete, der zupacken konnte und für alle Probleme eine Lösung wusste.
Galant reichte er ihr das Bordcase. Sie bedankte sich höflich.
Vor allem aber fand sie ihn als Mann interessant. Er war so erfahren, so reif und abgeklärt. Seine große, kräftige Statur, das militärisch kurzgeschnittene, grau durchwirkte Haar, sein fein geschnittenes Gesicht mit dem südländischen Teint und dem schelmischen, fast ein wenig verwegenen Ausdruck … Ja, er imponierte ihr.
„Schade, dass ich Sie nicht mitnehmen kann. Aber Sie müssen ja in eine andere Richtung, Al“, drückte sie ihr Bedauern aus und entschwand.
„Ich bitte Sie, Frau Kang, das Vergnügen war ganz meinerseits.
Ich melde mich, sobald ich Boden unter den Füßen habe“, rief Al ihr müde nach.
Sie winkte ihm noch aus dem Taxi zu, als sie kurz darauf an dem wie ein Maultier bepackten Mann an der Haltestelle der Flughafen-Expressbusse vorbeibrauste.
2 Seoul, Redaktionsbüro der Los Angeles News
William Antony Cooper leitete seit zwei Jahren das im achten Stock eines Wolkenkratzers der Seouler Innenstadt untergebrachte Redaktionsbüro der Los Angeles News. Er konnte es kaum erwarten, seinen Nachfolger zu sehen. Kaum einer der ausländischen Diplomaten, Journalisten und Geschäftsleute, die er kannte, war bereit, länger als zwei, bestenfalls drei Jahre hier zu arbeiten. Es gab weiß Gott begehrtere Auslandsdienstposten, vor allem klimatisch günstigere. In knochentrockenen, eiskalten Wintern erstarrte die Halbinsel unter der grimmigen Kälte, die aus der Mongolei hereinzog. Im Sommer lastete unerträgliche feuchte Schwüle über dem Land.
Cooper empfand abrupte Witterungsunterschiede stets als persönlichen Anschlag. „Was für ein Weichei du bist, Bill“, frotzelten seine sonnenverwöhnten Kollegen aus Los Angeles, wenn er sie am Telefon volljammerte. Das miese Wetter konnte er getrost Al überlassen. Das – und alles andere auch. Mit der koreanischen Mentalität kam er ohnehin so wenig klar wie mit einer Nähmaschine. Wie konnte einer nur aus Kalifornien hierher gehen! Noch dazu freiwillig. Er konnte Al’s Motive nicht begreifen. Aber – musste er das? In ein paar Tagen würde er dem ungeliebten Land den Rücken kehren. Der ewige Sonnenschein Kaliforniens erwartete ihn …
„Hey, Al. Mensch, Wahnsinn! Ich meine natürlich: Herzlich willkommen“, korrigierte sich Cooper beim Anblick seines Nachfolgers.
Er hüpfte hinter Bündeln von Papier von seinem Drehstuhl auf, stürzte mit weit ausgestreckten Armen auf Al zu und packte ihn kräftig bei den Schultern, um sogleich seine Hand kräftig zu schütteln.
„Hallo, Bill! Wie geht’s?“
Cooper lachte breit.
„Ich fasse es nicht. Wahnsinn! In weniger als hundert Stunden bin ich zu Hause – und du fragst, wie es geht?“
Cooper schüttete sich aus vor Lachen.
„Das wirst du sehen, Al. Hier regiert das Chaos – manchmal“, schränkte er sogleich ein, um nicht vor Al als unfähiger Redaktionsleiter dazustehen.
Al suchte nach einer passenden Bemerkung, um Bills Feststellung zu widersprechen. Ihm fiel keine ein. Der erste Eindruck, den er von dem Zustand des Büros gewann, war mehr als chaotisch. Die Pinboards an den Wänden quollen vor Zetteln und Bildern über. Auf den Schreibtischen türmten sich neben Computern Berge von Faxen, aufgestapelte Ausgaben der Los Angeles News und anderer Zeitungen, Mappen unterschiedlicher Stärke und Packen mit Fotos. Für einen Außenstehenden musste es aussehen, als ob das Chaos die Mitarbeiter fest im Griff hätte. Al schwankte, ob Bill mit der Leitung des Büros überlastet oder überfordert war. Hier würde er zunächst Ordnung schaffen müssen.
„Das hier ist kein Honiglecken, nicht nur Im-Sessel-Sitzen, wie daheim in L.A.“, fuhr Bill fort und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum. „Die Leute in L. A. machen sich da oft falsche Vorstellungen …“
„Hör’ mit dem Blödsinn auf“, verlangte Al und entschied sich dafür, dass Bill überfordert sein musste. Der Mann wirkte gehetzt und nervös. Er verbreitete mit allem, was er sagte, Hektik und versprühte den Eindruck, als wäre jede Minute, die er länger hier verbringen musste, verschwendete Zeit. Sein Redefluss war nicht zu bremsen.
„Nächste