Die Pest der Korruption. Kent Heckenlively

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Die Pest der Korruption - Kent Heckenlively

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entwendet und dann irgendwie in einen Wandschrank in ihrem Haus geschmuggelt, offensichtlich um sie zu belasten. Wochen später, als Judy in einer Gefängniszelle saß, fand ihr Ehemann David die Bücher fein säuberlich in einen Leinenbeutel verpackt in einem dunklen Wandschrank in ihrem Zuhause in Südkalifornien. David brachte sie nach Mitternacht verzweifelt in das Gefängnis und übergab sie dann der Polizei von Ventura.

      Während sie im Gefängnis war, erklärte Judys früherer Boss ihrem Ehemann und Dr. Ruscetti, sie müsse einfach nur eine Entschuldigung unterschreiben und zugeben, dass ihre Veröffentlichung falsch sei. Dann würde die Polizei sie aus der Haft entlassen und sie könne ihre wissenschaftliche Karriere retten. Judy lehnte das ab. Kein Staatsanwalt hat jemals Anklage gegen sie erhoben, aber das Kartell der Pharmaindustrie und die von ihr gekaperten wissenschaftlichen Journale traten eine Kampagne der Verleumdung gegen sie los. Weniger als zwei Jahre zuvor hatte die Fachzeitschrift Science sie noch gefeiert. Und nun veröffentlichte die gleiche Zeitschrift ihr Fahndungsfoto und zog ihre Veröffentlichung zurück.

      Judy verlor die staatlichen Forschungsgelder, die sie als Projektleiterin verwaltet hatte. Sie ist in die Insolvenz geraten beim Versuch, Arbeit zu finden und ihren guten Ruf wiederherzustellen. Die wissenschaftlichen Zeitschriften, die zugegebenermaßen jetzt alle von den großen Pharmafirmen kontrolliert werden, haben es abgelehnt, ihre Artikel zu veröffentlichen. Die medizinischen Bibliotheken der NIH haben sie ausgeschlossen. Obwohl sie Hunderttausende von Dollar an Anwaltshonoraren ausgegeben hat, ist es ihr nicht gelungen, eine Gerichtsverhandlung zu erwirken. Der US-Staatsanwalt in Nevada hat ihren Fall jahrelang „unter Verschluss“ gehalten. Arglistige Aktionen von Funktionären auf den höchsten Ebenen des US-Gesundheitsministeriums Department of Health and Human Services (HHS) haben es erfolgreich geschafft, dass niemand mehr sie einstellen wird.

      Die Verfolgung von Wissenschaftlern und Ärzten, die es wagen, die zeitgenössischen Orthodoxien infrage zu stellen, hat nach Galileo nicht aufgehört: Sie war immer und ist noch heute ein berufliches Risiko. Henrik Ibsens Theaterstück Ein Volksfeind von 1882 ist eine Parabel für die Tücke wissenschaftlicher Redlichkeit. Ibsen erzählt die Geschichte eines Arztes im Süden Norwegens, der entdeckt, dass die beliebten und lukrativen öffentlichen Bäder seiner Stadt die Besucher, die in Scharen kommen, um sich zu verjüngen, tatsächlich krank machen. Abwässer aus den lokalen Gerbereien haben die Bäder mit tödlichen Bakterien infiziert. Als der Arzt mit dieser Information an die Öffentlichkeit geht, machen sich die Kaufleute vor Ort zusammen mit Regierungsbeamten, ihren Verbündeten von der „liberal gesinnten, unabhängigen Presse“ und anderen finanziell interessierten Parteien daran, ihn mundtot zu machen. Das medizinische Establishment entzieht ihm die Approbation, das Volk verleumdet und brandmarkt ihn als „Feind des Volkes“.

      Ibsens Romanfigur erlebt, was Sozialwissenschaftler als den „Semmelweis-Reflex“ bezeichnen. Dieser Begriff beschreibt die reflexhafte Abscheu, mit der die Presse, die Gemeinde von Medizinern und Wissenschaftlern und die mit ihnen verbundenen finanziellen Interessen neue wissenschaftliche Erkenntnisse willkommen heißen, die einem etablierten wissenschaftlichen Paradigma widersprechen. Der Reflex kann in solchen Fällen besonders heftig ausfallen, in denen neue wissenschaftliche Informationen nahelegen, dass die etablierten medizinischen Verfahren die öffentliche Gesundheit tatsächlich schädigen.

      Die Misere, die den ungarischen Arzt Ignaz Semmelweis traf – ein Beispiel aus dem wirklichen Leben –, war die Anregung für diesen Begriff und für Ibsens Stück. Dr. Semmelweis war Assistenzprofessor an der Entbindungsklinik des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien, wo damals etwa zehn Prozent der Frauen am Wochenbettfieber starben. Auf der Grundlage seiner Lieblingstheorie, dass Reinlichkeit die Übertragung von krankheitserregenden „Partikeln“ abschwächen könnte, führte Semmelweis die Praxis des obligatorischen Händewaschens für Assistenzärzte zwischen dem Durchführen einer Autopsie und einer Entbindung ein. Die Rate an tödlichem Kindbettfieber ging sofort auf etwa ein Prozent zurück. Semmelweis machte diese Ergebnisse bekannt.

      Anstatt Semmelweis ein Denkmal zu setzen, schloss die medizinische Gemeinschaft – nicht willens, die Schuld an der Schädigung so vieler Patienten zuzugeben – den Arzt aus der Ärzteschaft aus. Seine früheren Kollegen brachten Dr. Semmelweis im Jahr 1885 mit einer List dazu, eine psychiatrische Klinik zu besuchen, um ihn dann gegen seinen Willen dort einzuweisen. Zwei Wochen später starb Semmelweis auf mysteriöse Weise. Ein Jahrzehnt später haben Louis Pasteurs Theorie über Krankheitserreger und Joseph Listers Arbeit über Krankenhaushygiene Semmelweis’ Vorstellungen bestätigt.

      Zeitnahe Analogien gibt es in Hülle und Fülle. Herbert Needleman von der University of Pittsburgh durchlitt den Semmelweis-Reflex, als er in den 1980er-Jahren die gehirnschädigende Wirkung von Blei aufdeckte. Needleman veröffentlichte 1979 im New England Journal of Medicine eine bahnbrechende Studie, nach der Kinder mit hohen Bleiwerten in ihren Zähnen signifikant niedrigere Ergebnisse in Intelligenztests, bei der Verarbeitung von Sprache und akustischen Signalen sowie bei Aufmerksamkeitsmessungen erzielten. In den frühen 1980er-Jahren begann die Blei- und Ölindustrie (verbleites Benzin war ein lukratives Erdölprodukt) Werbefirmen sowie wissenschaftliche und medizinische Berater zu mobilisieren, um Needlemans Forschung und seine Glaubwürdigkeit zu untergraben. Die Industrie übte auf die Umweltschutzbehörde Environmental Protection Agency, das Office of Scientific Integrity [etwa: Büro für wissenschaftliche Korrektheit] an den National Institutes of Health und die University of Pittsburgh Druck aus, Ermittlungen gegen Needleman in Gang zu setzen. Am Ende haben die US-Regierung und die Universität Needleman rehabilitiert. Aber die Auswirkungen der vernichtenden Angriffe vonseiten der Industrie ruinierten Needlemans akademische Laufbahn und führten zur Stagnation auf dem Gebiet der Bleiforschung. Der Vorfall lieferte einen fortwährenden Beweis für die Macht der Industrie, das Leben von Forschern zu zerstören, die es wagen, die Sicherheit ihrer Produkte infrage zu stellen.

      Rachel Carson war in den frühen 1960er-Jahren in gleicher Weise harter Kritik von allen Seiten ausgesetzt, als sie die Gefahren von Monsantos Pestizid DDT aufdeckte, das die medizinische Gemeinde damals als Prophylaxe gegen Menschenläuse und Malaria propagierte. Regierungsbeamte und medizinische Fachkräfte, angeführt von der American Medical Association [Ärztekammer der USA] stellten sich an die Seite von Monsanto und anderen Chemieunternehmen und griffen Carson auf bösartige Weise an. Fachzeitschriften und die allgemeinen Medien verunglimpften sie als „hysterisches Weib“. Das entscheidende Argument der Industrie bestand darin, Carson als „Jungfer“ – der damals übliche, beschönigende Ausdruck für lesbisch – und als unwissenschaftlich zu verspotten. Boshafte Kritiken ihres Buches erschienen auf den redaktionellen Seiten von Time, Life, Newsweek, Saturday Evening Post, US News and World Report und sogar bei Sports Illustrated. Ich bin enorm stolz, dass mein Onkel, Präsident John F. Kennedy, eine entscheidende Rolle bei der Rehabilitierung von Carson gespielt hat. Im Jahr 1962 widersetzte er sich seinem eigenen Landwirtschaftsministerium USDA, einer befangenen Behörde, die mit Monsanto verbündet war, und ernannte ein Gremium von unabhängigen Wissenschaftlern, die alle grundlegenden Behauptungen in Carsons Buch Silent Spring (Der stumme Frühling) bestätigten.

      Die Erfahrungen der britischen Ärztin und Epidemiologin Alice Stewart bieten eine nahezu perfekte Analogie dazu, wie Judy Mikovits durch das medizinische Kartell gelyncht wurde. In den 1940ern war Stewart eine der wenigen Frauen in ihrem Beruf und das jüngste Mitglied, das zu dieser Zeit jemals in das Royal College of Physicians (des britischen Ärzteverbands) gewählt worden war. Sie begann die hohe Rate von Krebs bei Kindern in wohlhabenden Familien zu untersuchen, ein verblüffendes Phänomen angesichts der Tatsache, dass Krankheit häufig mit Armut und selten mit Wohlstand in Verbindung gebracht wurde. Stewart veröffentlichte 1956 einen Artikel in The Lancet und lieferte starke Beweise dafür, dass die übliche Praxis des Röntgens von schwangeren Frauen der Übeltäter war, der später dann zu Krebs bei ihren Kindern führte. Nach Margaret Heffernan, Autorin des Buches Willful Blindness [etwa: Vorsätzliche Blindheit], widersprachen Stewarts Forschungsergebnisse sowohl „vollkommen der herkömmlichen Meinung“ – der Begeisterung der medizinischen Fachkräfte für die neue Technologie des Röntgens – als auch der

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