Das Leichenpuzzle von Anhalt. Bernd Kaufholz

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Das Leichenpuzzle von Anhalt - Bernd Kaufholz

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an, der sich in unmittelbarer Nähe befindet. Er nimmt Charlotte Claus mit zum Volkspolizeikreisamt.

      Im Untersuchungsbericht schreibt der zuständige Meister der Volkspolizei Rasch: »Bei der Claus handelt es sich um eine sehr religiöse Frau. Sie versucht, allen Leuten den christlichen Glauben klar zu machen. Weiterhin singt sie Kindern, welche beim Spielen in der Anlage sind, Jesuslieder vor. Momente, die die Zugeführte belasten könnten, sind nicht vorhanden.«

      Die Anzeigen häufen sich. Ebenfalls am 10. Juni meldet sich ein Mann aus der Dieskauer Straße auf dem Polizeiamt. Der Monteur Kurt Weimar* sagt aus, er habe am Vortag auf dem Weg von der Arbeit nach Hause in der Osendorfer Straße gegen 17 Uhr gesehen, wie sich ein »etwa 45 Jahre alter Mann mit einem kleinen Mädel, etwa sechs Jahre alt, unterhielt«. Er habe gehört, wie der Mann sagte: »Da staunste, wa? Das wird ein Kinderspielplatz.« »Als ich mich später noch mal umgesehen habe, habe ich gesehen, dass das Mädchen dem Mann weggelaufen war.« Er bereue es, dass er sich nicht den Namen von dem Mann habe geben lassen. »Auch hätte ich das Kind fragen müssen, was der Mann wollte.«

      Drei Tage später, am 13. Juni, klingelt bei VP-Meister Rasch das Telefon. Ihm wird mitgeteilt, die Kinder vom »Rosengarten« hätten unmittelbar neben den Bahngleisen, die sich unweit des Heimes befinden, einen Mann beobachtet, der sich auffällig benommen habe. Er habe in einem Getreidefeld ein Loch gegraben und darin etwas versteckt.

      Rasch und der Abschnittsbevollmächtigte der Polizei gehen mit dem Kind, das einer Mitarbeiterin des Heimes von dem Mann erzählt hatte, zu dem acht Morgen großen Feld an der Stalinallee. »Wir haben Verstecken gespielt. Dabei habe ich gesehen, wie der Mann eine Hacke benutzt hat.«

      Das verrostete Arbeitsgerät wird auch tatsächlich gefunden. Allerdings keine Spur von Grabungen. Und der Schüler kann auch die Stelle nicht beschreiben, an der er den »Gräber« am Vorabend gesehen haben will.

      Ein zweites Mal wird das Gebiet durchsucht. Dann befragen die Ermittler das Kind erneut. Der Junge ist nun mehr als verunsichert: »Es hat doch in der Zeitung gestanden, dass ein Mädchen fehlt. Ich habe gedacht, dass der Mann ein totes Kind vergraben hat.«

      Als seine Spielgefährten in seinem Beisein ebenfalls befragt werden, räumt er ein, »geschwindelt« zu haben. »Ich habe nur gesehen, dass einer eine Hacke da hingelegt hat.«

      Die Suche nach dem vermissten Mädchen, die ganz Halle in Atem hält, ist Anfang 1953 allerdings nicht der einzige Fall, der die Menschen der Saalestadt beunruhigt: Gefahndet wird auch nach einem Triebtäter, der bereits mehrere Frauen überfallen hat.

      Am 19. Januar hat die Krankenschwester Gertrud König* eigentlich ihren freien Tag, aber weil Zahltag ist, will die 20-Jährige trotzdem mit der Bahn zum Waldkrankenhaus fahren. Doch sie verpasst den Anschlusszug und muss vom Hettstedter Bahnhof mit der Linie 4 bis zur Endstation »Heide« fahren.

      Die junge Frau kennt den Weg. Sie geht gegen 14.30 Uhr am »Waldkater« vorbei Richtung Dölau. Kurze Zeit später begegnet ihr ein Mann. Wortlos gehen sie aneinander vorbei, doch irgendetwas im Blick des etwa 17-Jährigen im blauen Trainingsanzug, beunruhigt sie. Ein paar Schritte später blickt sich die Krankenschwester um und sieht, dass er tatsächlich kehrtgemacht hat und ihr folgt. Sie beschleunigt ihre Schritte und meint schon, den Verfolger abgeschüttelt zu haben, als sie spürt, wie ihr von hinten etwas um den Hals geworfen wird. Später wird sich herausstellen, dass es eine Kordelschnur war. Der Angreifer reißt sie zu Boden. Gertrud König wehrt sich und ruft um Hilfe. Der Mann keucht: »Wenn du nicht die Schnauze hältst, erwürge ich dich!«

      Der Täter versucht, sie zu Boden zu zwingen, aber Gertrud hat Glück: Durch die starke Gegenwehr reißt die Schnur. Als der Täter merkt, dass er sein Opfer nicht überwältigen kann, steht er auf und läuft Richtung Dölau. Dann verschwindet er im Wald.

      Die 20-Jährige Krankenschwester ist völlig am Ende. Trotzdem tauscht sie im Krankenhaus nur kurz die verdrecke Kleidung aus und fährt sofort zum Volkspolizeikreisamt, um den Vorfall anzuzeigen.

      Obwohl die vollkommen verstörte Frau sehr genaue Angaben macht, hat die Kriminalpolizei auch bei diesen Ermittlungen keinen Erfolg. Ende Februar werden sie vorläufig eingestellt.

      Bereits ein paar Wochen später zeigt jedoch eine weitere Frau an, dass sie auf dem Weg zum Waldkrankenhaus Dölau überfallen worden ist.

      Am 5. Mai bewirbt Hildegart Lothar* sich in der Klinik auf eine Arbeitsstelle. Auch sie verpasst den Zug, mit dem sie nach Halle zurückfahren will, und entschließt sich, durch die Heide zu gehen. Sie trifft auf einen jungen, schlanken Mann, der einen Trainingsanzug trägt und dunkle Haare hat. Er fährt eine Weile mit dem Fahrrad neben der 19-Jährigen her und versucht, ein Gespräch anzuknüpfen.

      Als Hildegart Lothar ihm zu verstehen gibt, dass sie sich nicht unterhalten möchte, lässt sich der Fahrradfahrer etwas zurückfallen. Sekunden später umklammert er mit einer Hand den Hals der Frau, mit der anderen hält er ihr den Mund zu. Er zieht sein Opfer, das kaum noch Luft bekommt, ins Gebüsch und reißt ihr den Rock herunter. Die 19-Jährige wehrt sich heftig und schafft es, den Angreifer abzuwehren.

      Die junge Frau rennt verängstigt durch den Wald. Ihren Rock hat sie bei dem Kampf mit Angreifer verloren. Als sie auf Spaziergänger trifft, schildert sie das Geschehen. Gemeinsam gehen sie zu der Stelle zurück, an der sie überfallen wurde. Dort lehnt ihre Aktentasche an einem Baum. Der Rock ist verschwunden.

      Mitte Juni 1953 werden Hildegart Lothar Fotos aus dem »Verbrecheralbum« vorgelegt. Sie zeigen allesamt Männer, die bereits aufgrund von Sexualdelikten auffielen. Doch auf keinem erkennt sie den Mann wieder, der sie vergewaltigen wollte.

      Dass der Fall der vermissten Helga und die versuchten »Notzuchtverbrechen« im Zusammenhang stehen, weiß noch niemand. Erst nach dem 4. August 1953 kommt ans Tageslicht, dass es ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den drei Fällen gibt:

      Am besagten Tag hat Tischlerlehrling Peter Kohl* Urlaub. »Das trifft sich gut«, hatte sein Vater am Vorabend gesagt, »dann kannst du gleich die Kohlen aus dem Keller von Otto Otte* holen. Du weißt ja, die Kneipe unten bei uns ist seit Ende Mai geschlossen, und der Wirt braucht sie nicht mehr. Weil er wegziehen will, hat er die Braunkohle an uns verkauft. Er will wohl am Töpferplan eine neue Gaststätte aufmachen.«

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      Das Grundstück An der Baderei 1 mit der Gastwirtschaft.

      Die beiden Fenster auf der rechten Seite gehören zum Keller des Täters.

      Der 15-Jährige ist nicht besonders erfreut über den Auftrag vom Vater. »Ich wollte eigentlich mit Werner etwas unternehmen«, versucht er einen Einwand. Doch der Vater gibt nicht nach: »Wenn du Werner mitnimmst, geht es schneller, und ihr könnt danach los.«

      Am 4. August gegen 8 Uhr gibt Otto Otte den Kellerschlüssel bei den Kohls ab, und eineinhalb Stunden später machen sich Peter und sein zwölf Jahre alter Freund Werner Preuß* auf den Weg in den Keller des Hauses An der Baderei 1. Sie gehen die Treppen hinunter. Am Ende des Ganges auf der rechten Seite befindet sich hinter einer massiven Tür mit Vorhängeschloss der Otte-Keller. Im Raum ist es stickig und nicht besonders hell. Lediglich eine 40-Watt-Glühlampe im Gang spendet schummriges Licht. Bottiche und Eisentöpfe stehen auf dem Betonfußboden herum, Werkzeuge, Ofenrohre und ein Straßenbesen lehnen an der linken Wand. An der Wand daneben hängen zwei Fahrradschläuche und ein Fassreifen. Einige drei Meter lange Bretter dienen als einfaches Regal, auf dem ein 50-Liter-Weinballon, gehacktes Holz, ein Beil und eine verrostete Waage liegen.

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      Das

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