Der Fluch der goldenen Möwe. Peter Gerdes

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Der Fluch der goldenen Möwe - Peter Gerdes

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ihm zu. »Ich hätte wohl Lust auf einen Milchkaffee. Wie sieht’s mit dir aus?«

      Stahnke bestätigte lebhaft nickend, dachte dabei jedoch nicht an Kaffee, sondern an ein schönes Weizenbier. Das erste des Jahres, denn die Lust auf Weißbier kam bei ihm erst mit der Sonne hervor.

      »Na also, jetzt lachst du ja endlich!«

      Die alte Meierei sah aus wie ein typisch friesischer Bauernhof, massig und backsteinrot in die Dünen geduckt. Davor eine frisch gemähte Wiese, davor und daneben lange Zäune – und daran lehnend Fahrräder. Hunderte von Fahrrädern, wie es aussah. Die Saison auf Langeoog hatte wahrlich schon früh begonnen. Und zumindest hier nahe der Ostspitze, fand Stahnke, boten sich in Sachen Touristengeschäft noch deutliche Steigerungsmöglichkeiten, denn längst nicht alle durstigen Radler, die nach Plätzen in oder vor der Ausflugsgaststätte in der alten Meierei Ausschau hielten, wurden auch fündig. Einige Ausdauernde standen Schlange, viele aber zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Stahnke sah seine Hoffnungen auf das erste Weißbier des Jahres schwinden.

      »He, guck mal, da hinten!« Sina hopste und winkte aufgeregt, ließ ihr Fahrrad ins Gras fallen und rannte los. Von ganz hinten winkte jemand zurück. Ein Grüppchen war dort im Aufbruch, und an dem Tisch, wo gerade ein paar Stühle frei wurden, saß Marian Godehau, Redakteur des Langeooger Inselboten, und verteidigte zwei dieser Plätze gegen die sofort nachdrängenden Wartenden. Dass die heranstürmende Sina sich direkt in seine Arme warf, schien ihn hinreichend gegen die Proteste der empörten Touristen abzuschirmen.

      Stahnke gab genau das einen Stich. Immer noch, immer wieder. Marian war nun einmal Sinas Ex, und das würde er immer bleiben. Okay, derzeit befand er sich bei Alina Thormählen in festen Händen. Trotzdem musste Stahnke jedesmal, wenn sie sich trafen, aufs Neue einen Anflug von Eifersucht niederkämpfen. Was, bitteschön, sagte das nun wieder über Sinas und seine Beziehung aus?

      Mit einiger Verzögerung erreichte auch der Hauptkommissar Marians Tisch. Zum Glück brachen noch weitere Radlertrüppchen in kurzer Folge auf, so dass die Murrenden schnell anderweitig unterkamen. Ein paar missbilligende Blicke noch, dann war das allgemeine Interesse an der Dreiergruppe erloschen.

      Sina und Marian waren längst in ein Zwiegespräch vertieft. Wie sich herausstellte, hatten beide über Ostern Dienst, Sina in der Klinik Haus Waterkant, Marian in der Redaktion des Inselboten. Seine Freundin Alina war ebenfalls beruflich eingespannt, allerdings auf dem Festland. Stahnke, offenbar der Einzige weit und breit, der über die Feiertage frei hatte, fühlte sich prompt ausgeschlossen. Zwecks Kompensation konzentrierte er sich darauf, eine Bedienung heranzuwinken, was sich als anspruchsvolle Aufgabe erwies.

      »Und, Sina, was hast du so zu tun übers Wochenende in der Klinik?«, fragte Marian. »Essenausgabe überwachen bei den Hungerhaken, damit die sich nicht die halbe Ration in die Ärmel schieben? Oder machst du etwa Happy-Hippo-Schwimmen mit den Fettsäcken?« Er stieß Stahnke den Ellbogen in die Rippen und lachte. Stahnke lachte nicht mit. Zwar fühlte er sich momentan ziemlich fit, sein Muskelkorsett war trainingsgestählt, und sein Bauch verdiente kaum noch diese Bezeichnung, aber die Erinnerung an übergewichtigere Zeiten war noch präsent und würde es immer bleiben.

      Sina verzog den Mund: »Essstörungen sind nicht witzig.« Sie kniff Marian in die Speckrolle, die sich unter seiner offenen Jacke oberhalb des Gürtels wölbte. »Und nein, mit Anorektikern habe ich momentan nur am Rande zu tun. In erster Linie mit Traumapatientinnen.« Sie seufzte. »Kein leichter Job. Aber auch kein Thema für hier und jetzt. Erzähl uns lieber, was die Skandalpresse in den nächsten Tagen so zu bieten hat!«

      Marian grinste. »Wenn du jetzt glaubst, ich würde diese deine Bezeichnung als respektlos und unpassend zurückweisen, dann hast du dich geschnitten. Ich weiß nicht, ob es im Journalismus schon mal die Bezeichnung Osterloch gegeben hat, aber selbst wenn – in diesem Jahr ist es gut gefüllt. Jedenfalls auf Langeoog.« Er griff nach seiner Teetasse und prostete in die Runde.

      »Ach nee, da sitzt aber einer auf dem ganz hohen Ross. Willst uns wohl auf die Folter spannen.« Sina gab sich betont desinteressiert. Um im nächsten Augenblick herauszuplatzen: »Na los, sag schon, was ist denn deine große Skandalgeschichte?«

      Marian lehnte sich selbstzufrieden zurück und malte mit gespreizten Fingern eine monströs fette Schlagzeile in die Luft: »Restaurantbetreiber alarmiert: Kommt McDaisy’s nach Langeoog?«, zitierte er sich selbst. »Na, was meint ihr? Wenn das kein Hammer ist!«

      Stahnke zuckte die Schultern: »McDaisy’s, ach ja? Burger und Fritten und so? Ist nicht so mein Fall. Von mir aus sollen die sich hier niederlassen. Ich geh da sowieso nicht hin.«

      »Tja, mein Lieber, da bist du sicher nicht der Einzige«, kommentierte Sina, »jedenfalls in deiner Altersgruppe … Tut mir ja echt leid, dir das sagen zu müssen, aber in dieser Hinsicht verläuft eine Grenze zwischen dir und mir. Und die auf meiner Seite der Grenze, glaube mir, die gehen zu McDaisy’s! Je jünger, desto lieber. Und die ganz jungen sogar fast ausschließlich, jedenfalls, wenn sie die Chance dazu haben. Diese Chance haben sie bis jetzt auf Langeoog ja nicht.« Sie schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund: »Ach herrje, jetzt begreife ich erst die Tragweite! Wenn das stimmt, dann wird sich ganz schön was verändern hier in der Restaurant-Szene, nicht wahr?«

      »Allerdings, das stimmt. Sehr viel wird sich verändern. Eine regelrechte Revolution steht uns da bevor.« Er lächelte Sina dankbar an, ehe er Stahnke einen strafenden Blick zuwarf: »Mensch, du bist ja so was von hinterm Mond! Verstehst die Brisanz solch einer Entwicklung einfach nicht. Hast mir schon einen Schreck eingejagt, von wegen ich könnte daneben liegen mit meinem morgigen Aufmacher.« Wieder der Blick- und Mienenwechsel Richtung Sina: »Aber die jüngere Generation versteht mich ja, zum Glück.«

      Wieder dieser Stich, diesmal an einer Stelle, die ewig schmerzen würde. Dass Sina jemals wieder etwas mit Marian anfangen könnte, war eine vollkommen unsinnige Befürchtung, geschuldet allein seiner eigenen Angst vor der eigenen Unzulänglichkeit. Und diese Angst wiederum fußte auf einer Tatsache, die sich zwar zeitweise verdrängen, aber niemals aus der Welt schaffen ließ. Die fast zwanzig Jahre Altersdifferenz zwischen ihm und Sina waren einfach Fakt.

      Es war Sina gewesen, die entschieden hatte, dass diese Jahre aktuell nicht von Bedeutung waren. Vielleicht würde sie es auch sein, die eines Tages anders entschied. Verhindern konnte und wollte er das nicht. Aber vielleicht beeinflussen?

      Jedenfalls nicht, indem er mit ihr zu McDaisy’s ging.

      »Ich finde ja, diese Hamburgerschmieden werden völlig überschätzt«, sagte er. »Das Essen dort taugt doch nichts. Einheitlicher Fertigfraß, der nur nach Sauce schmeckt, mit zu viel Fett und Ketchup und Softdrinks mit zu viel Zucker. Nicht nur ungesund, sondern auf die Dauer auch richtig langweilig. Kein Wunder, dass die dermaßen viel Werbung schalten müssen, um den Leuten das Gegenteil einzureden.«

      Stahnke verstummte, als er bemerkte, dass Marian sein Besserwisserlächeln lächelte. Er wusste, dass jedes weitere Wort sinnlos war, wenn Leute erst einmal angefangen hatten, so zu lächeln. Nur, warum nicht weitaus mehr Morde passierten, weil Besserwisser andere Leute mit diesem Lächeln bis aufs Blut gereizt hatten, das wusste er nicht.

      »Kinder«, setzte Marian zu dozieren an, »lieben Wiederholungen. Das weiß jeder, der schon einmal Kindern vorgelesen oder mit ihnen gesungen hat. Wehe, man verändert auch nur ein Wort oder einen Ton! Das mögen die Kleinen gar nicht. Das Bekannte ist das Vertraute, von dem keine Gefahr ausgeht, auf das man sich verlassen kann. Das liegt alles in unseren Instinkten verankert. Etwas Neues bedeutet immer auch Risiko – aber was wir schon kennen und was uns bisher nichts getan hat, das tut uns auch künftig nichts. Und weil gerade Kinder und junge Leute besonders verletzlich sind, sind sie auch ganz besonders konservativ. Am besten, alles ist wie immer, dann ist auch alles gut. Und gerade Fastfood-Essen ist

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