Together. Katrin Gindele
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Читать онлайн книгу Together - Katrin Gindele страница 13
Er sagte nichts, nicht ein einziges Wort. Trotzdem rutschte mir das Herz vor Angst förmlich in die Hose, weil ich genau wusste, dass ich zu weit gegangen war.
Kurz bevor er mich erreicht hatte, bremste er ab.
Mit angehaltenem Atem schaute ich vorsichtig zu ihm hoch. Es folgte plötzlich ein beißender Schmerz von unvorstellbarem Ausmaß. Mein Kopf flog zur Seite.
Durch die Wucht seines Schlages wurde ich rücklings in den Schnee geschleudert. Meine Schläfen hämmerten, der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen.
Indem ich mich mühevoll auf die Knie zwang, versuchte ich mich aufzurichten und bemerkte die Blutlache direkt vor meinen aufgestützten Handballen im Schnee. Es tropfte unaufhörlich aus meinem Mund.
Ganz vorsichtig setzte ich mich in den Schnee und betastete mit gefesselten Händen meine aufgeplatzte Unterlippe. Bedingt durch die Wucht seines Schlages, hatte ich mir zudem auch noch auf die Zunge gebissen. Mein Kopf wollte mir zerspringen, augenblicklich wurde mir schwindlig.
»War das wirklich nötig?«, hörte ich einen anderen Nordmann fragen. Seine Stimme klang fast ein bisschen besorgt und ein peinlich berührtes Schweigen breitete sich unter den Männern aus, die eben noch über mich gelacht hatten.
»Ja, das war nötig«, erwiderte der Mann, dem ich diese heftige Ohrfeige zu verdanken hatte. »Dieses arrogante Gör versteht ganz offensichtlich keine andere Sprache.«
Tief in mir drinnen begann es zu brodeln.
Mutter wird dich dafür auspeitschen lassen, fuhr es mir durch den Kopf, vor allen Dorfbewohnern, mitten auf dem Marktplatz. Und ich werde danebenstehen und die Schläge zählen.
Eins. Zwei. Drei…
Ich spürte, wie sich meine Lippen teilten und die Worte formten, die sich in meiner Kehle sammelten. Doch diesmal war ich klug genug, um den Mund zu halten, denn einen weiteren Schlag wollte ich nicht riskieren. Also schluckte ich meinen Ärger hinunter und versuchte stattdessen, mich auf die Schmerzen zu konzentrieren.
Nachdem ich einen weiteren Schwall Blut in den Schnee gespuckt hatte, stellte ich erleichtert fest, dass keines mehr nachkam.
»Wir müssen weiter«, forderte einer der Männer unvermittelt.
Schweigend wurde zusammengepackt. Ein paar Männer beluden kleine Karren mit Fell und Fleisch, andere trugen riesige Berge Proviant auf ihren Rücken.
Ich kauerte im Schnee, halb sitzend, halb liegend, weil ich mir nicht sicher war, ob ich doch noch das Bewusstsein verlieren würde. Das Bild vor meinen Augen drohte zu verschwimmen.
Ruckartig wurde ich auf die Beine gezerrt.
»Beweg dich«, kommandierte der Schläger, indem er mich an der Schulter packte und vorwärtsdrängte.
Mühevoll versuchte ich, nicht gleich wieder umzukippen, was sich jedoch als ziemlich schwierig erwies. Meine Knie zitterten und ich wankte.
»Die macht uns nur Probleme«, brummte ein weiterer Mann, der zu uns aufholte.
Anhand der unzähligen Falten um seine Augen herum, schätzte ich ihn auf sechzig bis siebzig Sommer.
»Lass sie hier«, murrte er und schob sich an uns vorbei. »Das ist unnötiger Ballast, so kommen wir nie an.«
Vor Schreck blieb mir fast die Luft weg. Mich hierlassen? Alleine in der Wildnis? Großer Lichtgott, das durfte nicht geschehen, dann wäre ich verloren!
»Wenn es nach mir geht, kann sie hier verrecken«, gab mein Peiniger zurück und machte Anstalten, mich stehenzulassen.
»Es geht aber nicht nach dir«, mischte sich der ältere Nordmann ein, dem ich meine allererste Ohrfeige verdankte.
»Sie kommt mit uns. Ende der Diskussion.«
Ich wurde angetrieben, vorwärts geschoben und unsanft in Richtung Wald dirigiert.
Der Weg durch den kniehohen Schnee war beschwerlich, ich stolperte immer wieder und fiel hin. Meine Halbschuhe boten wenig Schutz gegen den Schnee, nach wenigen Schritten waren meine Socken triefend nass. Doch die Männer hatten kein Erbarmen mit mir. Ungeduldig zerrten sie mich jedes Mal wieder auf die Füße. Inzwischen zitterte ich am ganzen Leib. Die eisige Kälte, die sich durch meine Sachen wühlte, wurde von Atemzug zu Atemzug schlimmer. Meine Zähne schlugen schmerzhaft aufeinander, während ich versuchte mit den anderen Schritt zu halten. Meine Beine wurden schwer wie Blei.
Dann, nach einem Fußmarsch, der wahrscheinlich nur wenige Zeit angedauert hatte, mir aber wie eine Ewigkeit vorgekommen war, erreichten wir endlich den Wald. Dunkel und bedrohlich ragten die Bäume vor mir in den Himmel.
»Nicht stehen bleiben«, kommandierte einer der Nordmänner und schubste mich.
Nur sehr widerwillig folgte ich der Gruppe in den Wald, was mir einen weiteren, diesmal viel kräftigeren Stoß einbrachte. Ich kam ins straucheln und landete bäuchlings im Schnee. Mühsam rappelte ich mich auf und stolperte vorwärts.
Zwischen den Bäumen lag der Schnee nicht einmal annähernd so hoch wie auf der Lichtung. Trotzdem hatte ich noch immer Mühe, schnell genug zu folgen. Immer wieder stolperte ich oder kam ins Rutschen.
»Verdammt noch mal«, beschwerte sich der alte Nordmann, der sich in meine Richtung drehte. »In dem Tempo sind wir in drei Monden noch immer nicht Zuhause.«
Trotz seines vorangeschrittenen Alters schien er sehr kräftig zu sein, er bewältigte die Strecke mit sichern Schritten, ohne dabei aus der Puste zu kommen.
Das brachte mich ins Grübeln.
Mein Vater war mindestens zwanzig Sommer jünger und nicht annähernd so gut in Form, obgleich er täglich schwere körperliche Arbeit auf unserem Hof verrichtete. Scheinbar waren die Männer an ein hartes Leben in der rauen Natur gewöhnt, anders konnte ich mir die Kondition des alten Mannes nicht erklären.
Nach einiger Zeit endete der Wald und wir erreichten eine noch größere Lichtung als jene, auf der unser Vieh abgeschlachtet worden war. Kurz darauf kamen die ersten Häuser in Sicht.
»Na endlich«, murrte einer der Männer vor mir.
Sogleich wurde die Gruppe schneller. Die Traube finsterer Gestalten, die sich zwischen den Häusern versammelt hatte, bemerkte ich erst, als wir das Dorf fast erreicht hatten.
Die anfänglichen Begeisterungsrufe verstummten jedoch, sobald sie mich erblickten. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie mich an. Männer. Frauen. Kinder. Ihre Mienen wirkten wie erstarrt.
Ich versuchte ihren eindringlichen Blicken auszuweichen, indem ich mir die Umgebung etwas genauer anschaute, während ich weiter Richtung Marktplatz gedrängt wurde.
Die Häuser schienen allesamt in einem erbärmlichen Zustand zu sein, an vielen Gebäuden bröckelte der Putz von den Wänden. Stellenweise entdeckte ich Fenster, die einfach mit Brettern vernagelt worden waren, anstatt sie zu reparieren. Auf einigen Dächern gab es Löcher, so groß wie mein Kleiderschrank, notdürftig