Together. Katrin Gindele
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Natürlich passierte nichts dergleichen.
»Wie nennt man unser Volk?«, gab ich einen kleinen Anstoß, um ihr den Einstieg zu erleichtern.
Ihre blonden Löckchen wippten gleichmäßig im Takt, während sie mehrmals hintereinander mit den Schultern zuckte.
»Südvolk«, flüsterte sie, damit außer mir niemand sonst die Antwort hören konnte.
»Das ist richtig«, lobte ich und nickte ihr wohlwollend zu.
»Und warum nennt man uns so?«
Flo riskierte ein Blick über ihre Schulter. Unsere Mutter war jedoch ganz in ihrem Element, sie räumte das Arbeitszimmer auf und bezog die Betten, weshalb sie uns gar nicht beachtete.
»Das weiß ich nicht«, murmelte Flo mit zerknirschter Miene.
Oh je.
Wenn ich nicht den restlichen Tag zusammen mit meiner kleinen Schwester am Küchentisch verbringen wollte, musste ich ganz dringend meine Geschichtskenntnisse mit ihr teilen.
»Das Südvolk lebt, wie der Name schon sagt, im südlichen Teil des Landes«, begann ich. »Der Süden umfasst sehr viele Dörfer und natürlich eine größere Stadt, in der einst der König mit seiner Familie lebte.«
Flo nickte begeistert, scheinbar kam ihr etwas aus meiner Erzählung bekannt vor. »Die Prinzessin sollte den Prinzen des Nordens heiraten«, warf sie dazwischen.
Ich nickte zustimmend.
»Aber sie hat es nicht getan«, schob meine kleine Schwester nachdenklich hinterher. »Warum nicht, Lea? Wieso wollte die Prinzessin den Prinzen nicht heiraten?«
Darüber musste ich nicht lange nachdenken. »Der Prinz war arrogant und hochnäsig«, erklärte ich geduldig. »Und bestimmt war er auch furchtbar hässlich.«
Flo kicherte. »Woher willst du wissen, dass er hässlich war?«
»Das erzählt man sich«, merkte ich an. »Oder fällt dir noch ein anderer Grund ein, warum die Prinzessin ihn nicht heiraten wollte?«
Daraufhin runzelte meine kleine Schwester die Stirn und verengte ihre Augen – so sah sie immer aus, wenn sie angestrengt über etwas nachdachte.
»Vielleicht war sie ja in einen anderen Mann verliebt«, mutmaßte sie nach einer Weile und traf damit unbewusst ins Schwarze.
»Genau das war der Grund«, gab ich bekannt. »Die Prinzessin hatte sich in einen anderen Mann verliebt und weigerte sich deshalb den Prinzen des Nordens zu heiraten.«
»Und da wurde der Prinz böse«, hauchte Floh.
»Er wurde sehr böse.« Ich nickte bekräftigend. »Der Prinz griff das Südvolk an, er überfiel unsere Dörfer und tötete dabei viele unschuldige Frauen und Kinder. Damit wollte er die Prinzessin zwingen, ihr Versprechen einzuhalten.«
Nun wirkte meine Schwester hoch konzentriert. Mit großen Augen schaute sie mich aufmerksam an.
»Aber der Lichtgott hat ihn bestraft«, sagte sie und nickte dabei mehrmals, sie war von ihrer Antwort völlig überzeugt.
»Na ja, ganz so einfach war es nicht«, bremste ich ihre Euphorie ein wenig ab. »Der Lichtgott schloss einen Pakt mit der Göttin des Nordens«, erklärte ich. »Weißt du noch, wie die Göttin des Nordens heißt?«
Nachdenklich kaute Floh auf ihrem Stift herum.
»Göttin der Schatten?«
»Die Schattengöttin«, berichtigte ich sanft. »Oder auch Göttin der Dunkelheit. Jedenfalls sorgten beide Götter dafür, dass der Krieg ein abruptes Ende fand. Sie trennten unsere Völker, sodass sie niemals wieder aufeinandertreffen konnten. Von diesem Tag an gab es eine Grenze zwischen dem Norden und dem Süden, die von den Wölfen bewacht wird.«
»Das Nordvolk wurde bestraft«, wusste Floh zu erzählen. »Sie sind alle genauso böse wie der Prinz.«
»Ja, das stimmt«, pflichtete ich ihr bei. »Das Nordvolk ist sehr unzivilisiert. Sie überfallen sich sogar gegenseitig und haben vor einander weder Achtung noch Respekt.«
Floh schaute mich erschrocken an. Sie war gerade neun Sommer alt und musste noch nicht die ganze Wahrheit erfahren. Sie brauchte noch nicht zu wissen, warum unser Vater und all die anderen Männer am Tag vor der Winterruhe tatsächlich unser Hab und Gut sicherten, die Ställe verbarrikadierten und die Fenster an den Häusern mit Brettern vernagelten. Warum unsere Mutter all unsere Lebensmittel versteckte und mehrere Schlösser an unserer Schlafzimmertür anbrachte. Sicherlich hatte Flo das ein oder andere aufgeschnappt, sie ahnte vielleicht, was dahintersteckte. Dennoch würde ich es dabei belassen. Die Träume meiner Schwester sollten auch weiterhin kindlich bleiben, unbeschwert und leicht – zumindest eine Weile noch. War sie erst älter, würde sie noch früh genug erfahren, dass die Winterruhe eine sehr gefährliche Zeit war.
In der Dunkelheit lauerte das Böse.
»Lea, Schatz, könntest du mir noch ein paar Nägel bringen?«, rief meine Mutter aus dem Arbeitszimmer und schreckte mich damit aus meinen Gedanken auf.
»Natürlich.«
Eilig erhob ich mich vom Tisch, angelte einige Nägel aus der Kiste neben der Haustür und reichte sie an meine Mutter weiter.
»Wie weit ist Flo mit ihrer Wochenarbeit?«, wollte sie wissen.
Ich blieb im Türrahmen stehen und schaute dabei zu, wie sie den Wäscheschrank im Schlafzimmer verbarrikadierte.
»Wir kommen gut voran«, sagte ich, mit einem Blick über meine Schulter.
Flo hockte, vornübergebeugt am Tisch und schrieb voller Eifer auf ihr Blatt.
»Sehr schön«, gab Mutter zurück. »Wenn ihr fertig seid, kannst du mir beim Mittagessen helfen.«
Ohne zu antworten, ging ich zu meiner Schwester zurück.
War irgendjemand in diesem Haus auch nur ein einziges Mal auf die wahnwitzige Idee gekommen, dass ich vielleicht, aber nur vielleicht, auch noch ein eigenes Leben hatte? Okay, ich war erst vor einigen Monaten siebzehn Sommer alt geworden, aber rechtfertigte das meinen Status als Magd und Kindermädchen?
»Kann ich nach dem Essen zu Natea rüber?«, fragte ich laut genug, damit mich meine Mutter hören konnte. »Wir wollten uns vor der Winterruhe noch einmal treffen.«
Meine beste Freundin wartete schon auf mich, weil ich tatsächlich gehofft hatte, ich würde hier früher wegkommen.
Von wegen!
»Muss das sein?«, durchdrang die Stimme meiner Mutter kurz darauf das Schweigen. »Ihr seht euch doch in sechs vollen Monden schon wieder, wo ist das Problem?«
Das Problem bist du!
Ich war so wütend über ihre Antwort und hatte keine Lust mehr, mir ständig vorschreiben zu lassen, was ich ihrer Meinung nach zu tun hatte. Verdammt