Together. Katrin Gindele
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»Solea wird nächsten Sommer achtzehn«, führte Natea meine Antwort weiter aus. Sie hatte sich endlich wieder gefasst, nachdem der fremde Junge aus unserem Sichtfeld verschwunden war. »Und Merricks Familie verfügt leider nicht über das nötige Vermögen.«
Was mir völlig egal ist, nur meiner Mutter nicht, fügte ich in Gedanken hinzu.
»Oh«, machte Amina und schaute mich mit großen Augen an.
Ich hasste diese Blicke und tat mein Möglichstes, ihnen keine Beachtung zu schenken. Eine Mischung aus Ehrfurcht, Neugierde und Mitleid – darauf konnte ich gut verzichten.
Nachdem Natea endlich einen geeigneten Platz gefunden hatte, machten wir es uns am Lagerfeuer bequem, begrüßten nebenbei noch ein paar Freunde und warteten ungeduldig darauf, dass die Jungs mit ihren Erzählungen loslegten.
Delia reichte mir einen Krug mit Wein, den sie bei ihrem Vater aus dem Keller stibitzt hatte. Ich nahm einen kräftigen Schluck gegen die Kälte. Und noch einen, um mich besser zu fühlen. Merrick und sein Cousin standen unmittelbar neben uns, was mir erst auffiel, als ich mich suchend nach ihm umschaute.
Er reagierte auf meinen Blick mit einem Lächeln und ich erwiderte es scheu. Warum war die Welt nur so ungerecht, fuhr es mir durch den Kopf. Ich mochte Merrick. Ich mochte ihn wirklich. Doch die Lage war aussichtslos. Seine Familie verfügte nicht über die nötigen Mittel, um eine Brautwerbung stemmen zu können. Wenn ich ihn trotzdem wählte, das wusste ich von meiner Mutter, die mich auf solche Fälle vorbereitet hatte, würde ich ihn und seine Familie in den Ruin treiben.
Deshalb, und nur deshalb, musste ich mich von ihm fernhalten, ob ich dazu bereit war oder nicht.
»Es geht los«, raunte mir Natea zu.
Einer der älteren Jungs stand auf und stellte sich in die Mitte, mit dem Feuer im Rücken, was den gewollt unheimlichen Effekt verstärkte.
»Die Dunkelheit naht«, begann der Junge zu erzählen. »Und mit ihr kommt das Böse in unsere Reihen. Verschließt eure Türen und betet zum Lichtgott, dass ihr verschont bleibt ...«
Aufmerksam lauschte ich seinen Worten und hatte Mühe, meine Anspannung in Zaum zu halten. Genau diese Art von Geschichten waren der Grund dafür, weshalb ich nicht wollte, dass meine kleine Schwester etwas von alledem mitbekam. Weil es nicht nur eine Geschichte war, ausgedacht von irgendeinem Jungen, der uns damit Angst einjagen wollte. Sondern die reine unverblümte Wahrheit.
Zuerst kam die Dunkelheit in unser Dorf. Wie ein Leichentuch legte sich die Nacht über den Süden, schlängelte sich durch sämtliche Straßen und verschluckte jedes einzelne Haus, bis man nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen konnte.
Dann kamen die Wölfe.
Riesige schwarzgraue Tiere, beinahe doppelt so groß wie die Wölfe, die sonst durch unsere Wälder streiften, so erzählte man sich. Mit tiefschwarzen Augen patrouillierten sie durch jedes Dorf, durchwanderten jede Straße, um sich davon zu überzeugen, dass niemand mehr draußen unterwegs war. Man munkelte, die Wölfe würden so lange bleiben, bis auch der Letzte von uns eingeschlafen war. Dann zogen sie sich in die umliegenden Wälder zurück, um dort die nördliche Grenze zu bewachen.
Manchmal, wenn ich als kleines Kind nicht gleich hatte einschlafen können, hatte ich sie draußen um unser Haus herumschleichen hören. Wie sie an der Tür schnüffelten, unter jedem Fenster kurz stehenblieben. Dann hatte ich mir schnell die Bettdecke über den Kopf gezogen und auf den Schlaf gewartet.
Die Wölfe waren die ersten Vorboten der dunklen Jahreszeit. Sie erreichten unser Dorf, welches sich von allen südlichen Gemeinden am nächsten zur nördlichen Grenze befand, immer als erstes – lange, bevor die anderen Dörfer von ihnen heimgesucht wurden.
Unmittelbar nach Ankunft der Wölfe setzte die Kälte ein. Schon bald darauf fiel der erste Schnee, das wusste ich aus den Geschichtsbüchern. Zu diesem Zeitpunkt schliefen alle Dorfbewohner tief und fest – anders konnte ich mir nicht erklären, warum ich bis heute noch nie einer Person begegnet war, die mir erzählen konnte, wie echter Schnee aussah.
Natürlich gab es immer mal wieder ein paar waghalsige Jungs, die laut damit prahlten, sie würden einfach wachbleiben, um sich dem Bösen zu stellen und es aus ihrem Dorf zu verjagen. Allerdings mussten sie im nächsten Frühjahr einsehen, was wir anderen ohnehin schon wussten: Es gab keine Möglichkeit, wachzubleiben, selbst ich hatte das schon versucht.
Die bleierne Müdigkeit setzte ein sobald es Nacht wurde, und selten schaffte man es danach, noch länger als eine kleine Weile durchzuhalten.
Doch das Böse gab es wirklich und damit waren nicht die Wölfe gemeint, die sicherlich der Schattengöttin gehörten und ihre Regentschaft ankündigten. Vielmehr waren damit die Angehörigen des Nordvolkes gemeint, die immer wieder in unsere Dörfer kamen, unsere Speicher aufbrachen, Vorräte plünderten und unser schlafendes Vieh töteten oder verschleppten.
Dabei gingen sie nicht gerade zimperlich vor. Oftmals verwüsteten sie auf ihren Streifzügen ganze Häuser und hinterließen das pure Chaos.
Zum Glück waren sie noch nie in unserem Haus gewesen. Doch ich hatte das Unaussprechliche schon mit meinen eigenen Augen gesehen.
Im letzten Winter hatte es unseren Nachbarn besonders hart getroffen. Sie hatten den Großteil seines Viehs an Ort und Stelle getötet, ausgeweidet und dabei ein wahres Blutbad angerichtet.
Das waren Monster.
So etwas Grauenvolles, davon war ich fest überzeugt, konnte nur von einem Scheusal angerichtet werden.
Wir waren ein friedliebendes Volk. Man kannte sich, konnte nachts die Türen unverschlossen lassen, niemand hatte etwas zu befürchten.
Die Winterruhe war die einzige Zeit, in der wir die Schlösser an unseren Türen benutzten.
Niemand wusste so genau, warum das Nordvolk Winter für Winter unsere Dörfer entlang der Grenze überfiel und uns ausraubte, während wir wehrlos in unseren Betten lagen. Schon oft hatte ich mich gefragt, wie sie die Grenze passieren konnten, wenn dort die Wölfe Wache hielten. Nur wahren Ungeheuern konnte so etwas gelingen, davon war ich überzeugt.
Bis jetzt hatte es zum Glück nur materielle Schäden gegeben. Doch allein die Angst, es könnte eines Tages etwas Schlimmes passieren, beherrschte in jeder Nacht vor der langen Winterruhe mein gesamtes Denken.
Teilweise lähmte mich die Angst um mein Leben, um das Leben aller Bewohner in unserem Dorf, schon Tage vorher. Manchmal wurde es so schlimm, dass ich mich regelrecht zusammenreißen musste, um die Zeit unmittelbar vor der Dämmerung ohne einen hysterischen Anfall zu überstehen.
Dabei nützte es leider auch nicht viel, wenn mich mein Vater zu beruhigen versuchte, indem er mir versicherte, dass die Schlösser an unserer Tür ganz sicher halten würden.
Ich hatte trotzdem furchtbare Angst.
Von der langen Winterruhe selbst bekam ich nicht viel mit, ehe ich mich versah, gefühlt nur einen Wimpernschlag später, hatte mich das Leben wieder.
Allerdings beharrte meine Mutter darauf, dass wir in den letzten Wochen vor der Winterruhe sehr viel mehr essen mussten, um ein Polster anzulegen, damit unser Körper über eine Reserve verfügte,