Inselgötter. Reinhard Pelte
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Sie packte ihren Laptop aus. Smartphone und Portemonnaie ließ sie in der Tasche. Den Rest hatte sie im Auto. Für ein paar Tage außer Haus benötigte sie nicht viel. Eine kleine Reisetasche, ebenfalls aus weißem Segeltuch, genügte ihr. Den meisten Platz nahm ihre Joggingausrüstung in Anspruch. Ohne Joggen würde ihr etwas fehlen. Es gehörte zu ihrem Leben wie Essen und Trinken. Vorhin hatte sie schon eine attraktive Laufstrecke ausgekundschaftet. Die Promenade entlang um die Hafenspitze herum auf die andere Seite, hinauf auf das Steilufer – eine geeignete Treppe für eine verschärfte Härteübung würde sich da schon finden lassen – und wieder zurück zu ihrem Hotel unweit der Polizeiinspektion.
Das Hotel gefiel ihr nicht. Die genormte Plastik-Nasszelle jagte ihr Schauer über den Rücken. Sie wollte da nicht bleiben und würde sich eine neue Unterkunft suchen. Vielleicht sollte sie den Hauptwachtmeister an der Wache beim Wort nehmen.
Sie setzte sich auf den einfachen Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Es war das einzige Sitzmöbel in ihrem Büro, wenn man den Raum überhaupt so nennen wollte. Er wirkte wie die ehemalige Arrestzelle für orientierungslose Betrunkene, festgenommene Nutten oder rabiate Randalierer. Das musste schon eine Weile her sein. Jetzt gab es neben Tisch, Stuhl und Aktenablage ein Telefon, einen PC mit Zugang zum Internet und dem Netzwerk der Polizei. Mehr brauchte sie auch nicht. Tageslicht wäre schön gewesen. Sie tröstete sich bei dem Gedanken, dass ihre Verweilzeit hier ohnehin nicht lang dauern würde. Die Suche nach den Vermissten würde sie ganz gewiss nach außerhalb führen. Sylt war nicht gerade ihr Lieblingsplatz. Aber sie hatte hier ihren ersten spektakulären Erfolg als Kriminalbeamtin gehabt. Und das versöhnte sie mit der Aussicht, wieder dort hinzumüssen.
Sie schlug die erste Akte auf. Die Vermisste, Goscha Müller, war 53 Jahre alt, eine Witwe aus Düsseldorf. Zuletzt hatte sie mit ihrer Schwester vom Bahnhof Niebüll aus telefoniert. Ihre ältere Schwester erwartete sie in ihrem Ferienhaus in Rantum. Gosche Müller hatte sie gebeten, sie vom Bahnhof in Westerland abzuholen. Sie war dort nie angekommen. Die Schwester meldete sie nach zwei Tagen als vermisst.
Der Zweite war ein Mann, Helmut Bohl, er wohnte in Berlin und war auf dem Weg in den Urlaub gewesen. Seine Frau war vorausgefahren und hatte sich im Hotel Stadt Hamburg in Westerland einquartiert. Er war 55 Jahre alt. Sein Beruf als Fondsmanager hatte ihn auf dem Festland aufgehalten, sodass er erst später zu seiner Frau stoßen wollte. Von Niebüll aus hatte er seine Frau über seine Ankunft in Westerland informiert. Sie wartete vergeblich. Als sie die nächsten zwei Tage nichts von ihm hörte, ging sie zur Polizei und gab eine Vermisstenanzeige auf.
Die dritte Vermisste, Gisela Terhegen, war ebenfalls in den Fünfzigern: Eine verheiratete Frau, wohnhaft in Köln und allein unterwegs nach Sylt. Sie hatte von Niebüll aus mit dem Facilitymanager der Eigentumsanlage in Westerland telefoniert, in der sie ein Apartment hatte. Sie hatte ihn angewiesen, ihre Wohnung für einen längeren Aufenthalt herzurichten und mit dem Nötigsten zu versorgen. Im Klartext hieß das, er sollte die Betten neu beziehen und den Kühlschrank auffüllen. In der Folgezeit hatte sie nichts mehr von sich hören lassen, weder beim Hausmeister noch bei ihrem Mann. Eine Woche später hatte der Ehemann seine Frau als vermisst gemeldet.
Der Vierte, Jens Eilers, fiel durch sein Alter aus dem Rahmen. Er war Anfang 30, hatte eine führende Position als Projektmanager eines Baukonsortiums. Zur Zeit seines Verschwindens leitete er die millionenschwere Konversion eines ehemaligen Militärgeländes an der Ostsee. Er hatte sein Segelboot in List auf Sylt liegen. Seine Mutter hatte mit ihm zuletzt am Telefon gesprochen, als er in Niebüll den Zug bestieg, um ein Segelwochenende auf der Nordsee zu verbringen. Das war das letzte Lebenszeichen von ihm gewesen. Der Liegeplatz im Lister Hafen blieb leer. Seine Mutter meldete ihn am darauffolgenden Dienstag als vermisst.
Den Akten waren Fotos beigeheftet. Sie zeigten gut frisierte Köpfe und gepflegte Gesichter, wie man sie auf Anzeigen für Kreuzfahrtschiffe und Bildungsreisen nach Kappadokien fand.
Allen Fällen gemeinsam war, dass sie jeweils an einem Freitag vom Bahnhof Niebüll aus Kontakt zu ihren Angehörigen hatten und die Züge, die sie vermutlich bestiegen hatten, mit demselben Bahnpersonal unterwegs waren.
Charlotte Bakkens lehnte sich zurück. Das gibt eine Menge Arbeit, dachte sie. Zum Glück war sie frei, musste keine Rücksicht nehmen, etwa auf eine feste Beziehung oder gar eine Familie. Es hatte in der Vergangenheit den einen oder anderen Mann in ihrem Leben gegeben. Aber warum musste immer alles gleich so kompliziert werden? Warum konnte es nie dabei bleiben, ein paar unbeschwerte Stunden oder auch eine Nacht miteinander zu verbringen, Spaß zu haben und dann wieder an die Arbeit zu gehen?
Sie schüttelte den Kopf. Ideen sollte sie haben, hatte der Chef gesagt. Welche Ideen? Niebüll und das Bahnpersonal am Freitag waren allen Fällen gemeinsam. Dem Kollegen vor ihr war das natürlich sofort aufgefallen und er war diesem Aspekt zuerst hinterhergestiegen. Ohne handfestes Ergebnis. Langweilig, höchstwahrscheinlich auch nutzlos, da weiterzumachen. Was gab es noch? Das Alter der Vermissten war eine weitere Gemeinsamkeit. Bis auf eine Ausnahme gehörten sie der älteren Generation an, Menschen im besten Alter mit Geld. Sylt, teure Hotels, Ferienwohnungen ließen darauf schließen. Wahrscheinlich gab es noch mehr als das, was in den Akten festgehalten worden war. Auf Neudeutsch hießen diese Menschen »Bestager«. Der junge Typ machte da keine wirkliche Ausnahme. Er war Eigner eines Segelbootes mit Liegeplatz im Lister Hafen. Geld schienen sie also alle zu haben. Aber was hieß das schon? Man konnte daraus alle möglichen Schlüsse ziehen. Was noch?
Zuerst einmal sollte sie die Personen googeln, dachte sie. Vielleicht ergaben sich ein paar versteckte Hinweise, wo und wie sie weiterkommen konnten. Sie mussten sich den vermissten Personen nähern. Das hatte sie von Jung gelernt. Tätern und Opfern auf den Pelz zu rücken, das Innerste nach außen zu kehren, das war das Geheimnis eines erfolgreichen Ermittlers.
Sie packte ihren Laptop aus, stellte die Tasche neben den Stuhl und entriegelte die Klappe.
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