Die Rache des Waschbären. Christian Macharski

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Die Rache des Waschbären - Christian Macharski

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       Epilog

       Danksagung

       Die Dorfkrimi-Reihe mit Hastenraths Will

      Donnerstag, 1. September 2011, 10.51 Uhr

      Die erdrückende Stille wurde durchbrochen vom monotonen Ticken der Standuhr, die in unerbittlichem Rhythmus ihren Sekundenzeiger vorantrieb. Fredi Jaspers beobachtete mit leerem Blick das Zifferblatt, weil er nicht wusste, wo er sonst hinsehen sollte. Das Wohnzimmer kam ihm vor wie ein Gefängnis längst vergessener Tage. Die Möbel, das Sofa, der Sessel, selbst der Fernseher standen noch an genau derselben Stelle, wo sie schon gestanden hatten, als er im Alter von vier Jahren unerlaubterweise auf einem Dreirad durchs Zimmer gefahren war. Voller Freude hatte er die Einrichtungsgegenstände umkurvt. Im Überschwang seiner kindlichen Entdeckungslust war er jedoch ein wenig zu schnell unterwegs, als er auf die weiß-blaue Vase mit holländischen Windmühlen zusteuerte, die auf einer Marmorsäulenimitation thronte. Zwar gelang es Fredi noch, geistesgegenwärtig die Rücktrittbremse zu treten, doch in derselben Sekunde wurde ihm bewusst, dass sein neues Dreirad gar keinen Rücktritt besaß. Mit geschlossenen Augen war er deshalb ungebremst in die Säule gerast und hatte der Vase ein lautstarkes Ende auf dem PVC-Boden beschert. Um das geschmacklos bemalte Porzellan an sich wäre es nicht schade gewesen, hätte es sich dabei nicht um ein wichtiges Erbstück gehandelt. Und so kam es, dass Fredi von seinem Vater die erste Ohrfeige seines Lebens kassierte. Es sollten zwar noch einige folgen, aber an diese eine erinnerte er sich bis heute.

      Die letzten anderthalb Jahre hatten Fredi verändert. Nicht äußerlich. Er trug sein braunes Haar immer noch vorne kurz und hinten lang. Und auch sein Modegeschmack hatte sich nicht vom hektischen Stil der Hauptstadt anstecken lassen. Die Jeanshose mit den Lederapplikationen gehörte einfach zu ihm. Er mochte sie nicht eintauschen gegen irgendwelche Cargo- oder Anzughosen mit angesagten Markennamen, mit denen seine Arbeitskollegen in ihrer Freizeit herumliefen. Außerdem waren Palomino-Jeans Evergreens und erinnerten ihn im fernen Berlin an sein kleines Heimatdorf nahe der holländischen Grenze.

      Vor drei Tagen war er zum ersten Mal seit seinem Umzug zurückgekehrt nach Saffelen, in jenen winzigen Ort, in dem er die ganzen 35 Jahre seines vorherigen Lebens verbracht hatte. Er hatte Angst gehabt. Angst davor, dass die Wehmut und die Gedanken an die schöne, alte Zeit ihn wieder festhalten würden in der Provinz. Doch nichts von alledem war passiert. Auch wenn ihn der Abschied von seinem Kumpel Richard Borowka immer geschmerzt hatte, so war das Wiedersehen zwar schön, aber nicht so, dass er hierbleiben wollte. Im Gegenteil, er hatte seine Reisetasche noch nicht mal richtig ausgepackt, so schnell wollte er wieder zurück nach Berlin. Sobald er hier alles erledigt hatte. Alles erledigt. Wie das klang, dachte er. War er ein schlechter Mensch? Er wendete seinen Blick ab vom Zifferblatt der Standuhr und sah hinüber zum Sessel, in dem seine Mutter kauerte. Sie saß leicht vornübergebeugt und bedeckte ihr Gesicht mit den Handflächen. Leise und stoßweise schluchzte sie vor sich hin. Wie viele Tränen ein Mensch haben muss. Seit er da war, hatte seine Mutter nicht aufgehört zu weinen. Fredi wusste nicht recht, wie er damit umgehen sollte. Zu Anfang hatte er sie immer wieder in den Arm genommen, aber als das nicht half, hatte er sich mehr und mehr zurückgezogen. Und gewartet. Auf das Ende.

      Die oberste Treppenstufe knarzte. Ein weiteres vertrautes Geräusch, das Fredi sofort an seine Kindheit erinnerte. Es kündigte früher immer den Vater an, der nach seinem Mittagsschlaf ins Wohnzimmer herunterkam. Fredi sah auf. Er wusste, dass er diesmal dort oben nicht seinen Vater sehen würde. Stattdessen erschien Dorfarzt Dr. Hoppe. Der junge Mediziner, der erst vor einem Jahr die Praxis seines Vaters übernommen hatte, räusperte sich übertrieben laut. Auch Fredis Mutter sah nun auf. Ihre verquollenen Augen waren vom Weinen gerötet. Dr. Hoppe wirkte müde und blass und stützte sich mit einer Hand am Geländer ab, während der das Unvermeidbare aussprach: „Es ist so weit.“

      Als Fredi als Letzter das Zimmer betrat, fröstelte es ihn. Der ganze Raum wirkte wie ein Mausoleum. In den letzten Tagen hatten Verwandte Blumen und Genesungskarten vorbeigebracht. Fredis Mutter hatte sie kunstvoll auf der Kommode drapiert, die dadurch einem Altar immer ähnlicher wurde. Theo Jaspers lag mit aschfahlem Gesicht und eingefallenen Wangenknochen in einem schneeweißen Bett. Die Tagesdecke war bis unter sein Kinn hochgezogen. Dennoch konnte man erkennen, dass die kurze, schwere Krankheit seinen Körper ausgemergelt hatte. Auf einem Stuhl neben dem Bett saß der indische Pastor Buttra Kuttrapalli und hatte dem Sterbenden die Hand auf die Stirn gelegt. Mit starkem indischen Akzent murmelte er: „Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes: Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.“

      Dr. Hoppe machte einen Schritt auf Fredi zu und sagte: „Sie können mit ihm reden. Er ist jetzt bei Bewusstsein.“ Fredi erschrak. Und tatsächlich: Theo Jaspers hatte die Augen, die tief in den Höhlen lagen, leicht geöffnet. Fredis Mutter stieß einen kurzen Schrei aus, als auch sie es bemerkte. Es war ein Schock für sie, denn ihr Mann hatte in den letzten Tagen, seit er zu Hause auf den Tod wartete, das Bewusstsein nicht mehr zurückerlangt. Er war bereits im Krankenhaus ins Koma gefallen. Fredi fand als Erster Worte: „Heißt das, dass er wieder …?“ Hoppe schüttelte den Kopf: „Nein. So etwas kommt bei Sterbenden häufig vor. Kurz bevor es zu Ende geht, sind sie noch einmal für einen Moment klar. So eine Art Totenbettvision.“

      Frau Jaspers war vor Fredi getreten und stand nun mit ihm am Fußende des Bettes. Sie sah ihren Mann mit tränenverschleierten Augen an und stammelte: „Theo, ich … wie …“ Sie hielt den Atem an, als ihr Mann seinen Kopf kaum merklich anhob und mit fast blindem Blick in ihre Richtung starrte. Zuerst quälte sich ein schwaches Röcheln aus dem ausgetrockneten Mund, dann folgten kehlige Laute. Mühsam formte Theo Jaspers einen Satz, der dann aber sehr deutlich verständlich über seine Lippen kam: „Es tut mir leid. Ich habe dich geliebt – Julia.“

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