Stahnke und der Spökenkieker. Peter Gerdes

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Stahnke und der Spökenkieker - Peter Gerdes

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»Festnehmen und wegschließen, das wäre das Beste«, knurrte der Hauptkommissar, während er die leeren Flaschen in den Altglas-Eimer gleiten ließ. Das größte Modell, das es zu kaufen gab. Auch schon wieder fast voll.

      Das Telefon klingelte, und Stahnke wusste schon vor dem Abheben, dass es sein Assistent war. »Der Supermarkt in Ihrer Straße«, sagte Kramer. »Abgebrannt, letzte Nacht. Haben Sie’s nicht mitgekriegt?«

      »Nein«, sagte Stahnke. »Geschieht ihm recht, außerdem.« Der Laden war weder billig noch gut sortiert, und muffigeres Personal gab es vermutlich nirgends in der Stadt. Trotzdem hatte Stahnke schon so lange dort eingekauft, dass ihm jetzt auf Anhieb gar nicht einfallen wollte, wo der nächstgelegene Supermarkt war. Macht der schlechten Gewohnheit.

      Der Laden gehörte drei Brüdern. Der eine war Schlachter, der zweite Bäcker und der dritte Weinfachmann. Angeblich waren sie sich untereinander spinnefeind. Kaufmann war keiner von ihnen, allenfalls auf dem Papier. Den Fleischstand hatte Stahnke als reichlich unappetitlich in Erinnerung und die Backwarenabteilung als sehr armselig. Die Weinregale aber waren noch das Beste an dem ganzen Laden gewesen. Den Bardolino hätte er wirklich nicht kaufen müssen.

      »Und?«, fragte Stahnke.

      »Brandstiftung«, sagte Kramer. »Versuchter Versicherungsbetrug. Und es hat einen Toten gegeben.«

      Stahnke antwortete nicht, weil er vollauf damit beschäftigt war, einen Rülpser zu unterdrücken, der im Falle eines Ausbruchs wohl den kollegialen Kontakt zu Kramer beendet hätte. Der Mann war tüchtig, unverschämt tüchtig sogar. Warum Kramer trotzdem nicht einmal den Versuch unternahm, auf der Karriereleiter an ihm vorbeizuklettern, war ihm schleierhaft. Zumal doch gerade jetzt ein guter Zeitpunkt dafür gewesen wäre.

      »Der Tote ist einer der drei Besitzer«, fuhr Kramer fort. »Der Schlachter.«

      »Verbrannt?«, fragte Stahnke. Bis auf ein leicht zischelndes Nebengeräusch, das an brutzelndes Fett erinnerte, brachte er das Wort ganz annehmbar heraus.

      »Ja«, antwortete Kramer. »Aber vorher hat man ihm noch den Schädel eingeschlagen. Von hinten. Mit einer Weinflasche.«

      »Aha«, sagte Stahnke. Etwa Brudermord? Nach dem Hinweis mit dem Versicherungsbetrug lag das nahe. Ha, Wein-Bruder! Vielleicht sollte er sich wirklich mal selber in Gewahrsam nehmen.

      »Kramer, Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass ich heute frei habe«, sagte Stahnke.

      »Ja.« Nichts weiter. Typisch Kramer. Stahnke seufzte, und diesmal entwischte ihm doch ein Rülpser, allerdings kein markerschütternder.

      Schnell fragte er: »Gibt es schon ein Geständnis?«

      »Ein Teilgeständnis. Der Bäcker und der Wein-Bruder haben die Brandstiftung zugegeben. Der Laden lief schlecht, ein ›warmer Abbruch‹ auf Versicherungskosten schien ihnen die einzige Rettung zu sein. Der Schlachter aber wollte dabei nicht mitmachen. Die beiden anderen sagen, er sei schon immer etwas komisch gewesen.«

      Er hätte eben kein Hackfleisch aus eigener Produktion essen sollen, dachte Stahnke. »Inwiefern komisch?«

      »Na ja, er soll an Ufos geglaubt haben. Und an Seelenwanderung.«

      Stahnke lehnte sich zurück und betastete seinen geschwollenen Bauch. Die Lage der Leber war unangenehm deutlich zu spüren. »Unglaublich«, sagte er. »Ein esoterischer Schlachter. Aber wer hat denn nun seine Seele auf die große Wanderung geschickt?«

      »Auf jeden Fall einer seiner beiden Brüder«, erwiderte Kramer. »Sie haben unmittelbar vor der Tat zusammen im Kontor gesessen und gestritten. Danach haben die beiden überlebenden Brüder literweise Lösungsmittel aus der Farben-Abteilung ausgekippt und angesteckt. Gemeinsam. Das geben sie zu. Was aber den Schlag mit der Weinflasche angeht – in diesem Punkt beschuldigen sie sich gegenseitig.«

      »Saubere Brüder.« Stahnke konnte sich gut an die drei erinnern, schließlich war er ihnen oft genug im Laden begegnet. Der Schlachter-Bruder war der Jüngste des Trios gewesen, hatte aber mit seinem bleichen, schlaffen Gesicht wie der Älteste ausgesehen. Er hatte auf abweisende Art verträumt gewirkt, so dass man ihn kaum ansprechen mochte, und seinen weißen, faltigen Händen mit den langen, schmalen Fingern hatte man kaum zugetraut, ein Hackmesser wirkungsvoll zu führen. Ganz anders der Bäcker-Bruder: Klein, rundlich, lebhaft. Dunkle kleine Korinthenaugen in einem braunen Lebkuchengesicht, meist ein cleveres Grinsen um die Lippen, Marke bauernschlau. Aber ganz offensichtlich ebenso wenig wie sein Bruder in der Lage, einen Supermarkt ordentlich zu leiten. Mehr als einmal hatte sich Stahnke dort schimmeliges Brot andrehen lassen. Wie oft hatte er sich eigentlich darüber beschwert? Nie. Mit ihm konnte man es offenbar machen. Aber sicher nicht mit jedem.

      Der dritte Bruder war ganz anders. Zurückhaltend, gelassen, höflich; seine rotgeäderten Wangen strahlten Kompetenz aus. Stahnke hatte sich mehrmals von ihm beraten lassen, und die Weine, die der Mann ihm empfohlen hatte, waren ihr Geld wert gewesen. Eine Menge Geld, zugegeben; dieser Bordeaux neulich, ein 96er Baron Philippe de Rothschild, über neun Euro die Flasche. Geschmeckt aber hatte der erstklassig, erdig und würzig, und vor allem war er ihm nicht auf den Magen geschlagen. Den blöden Bardolino hatte Stahnke fast heimlich gekauft, um seinen Ruf als Weinkenner nicht zu gefährden. Aber schließlich waren seine finanziellen Möglichkeiten begrenzt. Ganz im Gegensatz zu seinem Durst in letzter Zeit.

      »Wo ist es denn passiert?«, fragte Stahnke. »Im Kontor?«

      »Ja«, antwortete Kramer. »Das Opfer hat sich danach noch über den Innenhof bis ins Lagerhaus geschleppt. Jeder der beiden Verdächtigen gibt an, das Kontor als Erster verlassen zu haben. Der jeweils andere Bruder sei wenig später nachgekommen und habe behauptet, der Schlachter hätte seinen Widerstand aufgegeben und sei nach Hause gegangen. Danach haben die beiden dann gemeinsam das Feuer gelegt.«

      »Und der Schlachter ist mitsamt dem Laden verbrannt«, ergänzte Stahnke. »Was meinen Sie: Im Affekt niedergeschlagen?«

      »Weiß nicht«, sagte Kramer. »Von hinten und gezielt, das sieht mir eher wohlüberlegt aus. Heimtückisch.«

      »Was war das denn für eine Flasche«, fragte Stahnke. Nachdenklich massierte er sich die Magengegend. »Ich meine die Tatwaffe. Was für eine Sorte Wein?«

      Kramer wäre nicht Kramer gewesen, wenn ihn diese Frage überrascht hätte. »Rotwein. Ein Bordeaux, Baron Philippe de Rothschild. Jahrgang 1996.«

      »Ach.« Stahnke richtete sich auf. »Standen denn da im Kontor mehrere Flaschen herum? Oder nur diese eine?«

      »Diese und noch eine weitere«, sagte Kramer. »Die drei wollten über ein neues Sonderangebot entscheiden. Zwei Sorten standen zur Auswahl. Die andere war ein – warten Sie …« Es raschelte, Kramer blätterte in seinen Notizen. Stahnke erhob sich. »Da steht es«, sagte Kramer. »Ein Bardolino, und zwar …«

      »Passen Sie auf«, sagte Stahnke. »Der Bäcker war’s. Sagen Sie es ihm auf den Kopf zu. Der klappt nach zwei, drei Stunden zusammen, darauf wette ich.«

      »Aha«, sagte Kramer. »Und warum?«

      »Heute habe ich frei«, sagte Stahnke. »Ich erklär’s Ihnen morgen. Aber bis dahin kommen Sie sicher selber drauf.«

      Er legte auf, reckte sich ausgiebig und stellte erfreut fest, dass er Appetit bekommen hatte. Auf Brötchen. Aber wo sollte er jetzt welche herbekommen?

      Unter der Dusche fiel ihm der Bordeaux wieder ein. Wirklich ein sagenhaftes Getränk.

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