Stahnke und der Spökenkieker. Peter Gerdes

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Stahnke und der Spökenkieker - Peter Gerdes

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weniger für Resultate interessiert als für die Dramaturgie von Sportereignissen. An welchem Punkt war die Partie gekippt, welches Detail hatte sich im Nachhinein als richtungweisend herausgestellt? Kretschmer hatte einen scharfen Blick für die innere Struktur von Geschehnissen gehabt. Und sich Stahnke damit als verwandte Seele empfohlen.

      »Gibt es schon eine Tätervermutung?«, fragte der Hauptkommissar. »Hatte Kretschmer Feinde?« Sportredakteure konnten sich schnell unbeliebt machen. Mehr als ein Trainer verdankte Kretschmers spitzer Feder schließlich einen vorzeitigen Jobverlust, und auch mit manchem Spieler war »teka« nicht eben freundlich umgesprungen. Wobei er seine Kritik zumeist in subtile Formulierungen kleidete. »Jatzke verwaltete den linken Flügel« – herrlich vernichtend. Aber ob Fußballer das überhaupt kapierten?

      Kramer schüttelte den Kopf: »Ich habe bisher nur mit dem Hausmeister und den Sekretärinnen sprechen können; die Redakteure kommen erst später. Kretschmer scheint allgemein beliebt gewesen zu sein. Höflich, zurückhaltend, eben ein richtig netter Kollege.«

      Stahnke nickte. Dieses Sozialprofil deckte sich hundertprozentig mit der äußeren Erscheinung des Ermordeten. Dabei steckten hinter dieser unscheinbaren Schale doch ein scharfer analytischer Geist und ein überdurchschnittliches Stilgefühl. Eine seltsame Diskrepanz, aber beileibe keine seltene. Der Hauptkommissar rieb sich die runden Wangen. Gab es nicht auch bei ihm selbst diesen seltsamen Kontrast zwischen körperlicher Plumpheit und geistiger Eleganz?

      Allerdings hatte ihn noch keiner deshalb umgebracht.

      Er räusperte sich: »Kennen wir schon die Herkunft der Tatwaffe?«

      »Sie stammt vermutlich aus der Schublade dort drüben«, sagte Kramer. »Dort gibt es ein ganzes Sammelsurium an Besteck und Küchengerätschaften, lauter Einzelstücke. Hier werden nämlich immer die Geburtstagsbrötchen geschmiert und die Kuchen aufgeschnitten, da bleibt immer mal etwas liegen.«

      Der Messergriff war schwarz, offenbar aus Plastik. Das war günstig. »Fingerabdrücke?«

      Kramer nickte. »Sind abgenommen und werden gerade untersucht. Es scheinen die Abdrücke einer einzigen Person zu sein.«

      »Das könnte uns ja den Job ein bisschen erleichtern.« Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Was, wenn der Täter nicht zu den Beschäftigten der »Ostfriesland-Nachrichten« gehörte, sondern von außen gekommen war? Dann würden ihnen die Abdrücke herzlich wenig nützen. Es sei denn, er wäre ein Profi, den sie bereits in ihrer Kartei hatten. Aber diese Leute hinterließen gewöhnlich überhaupt keine Spuren.

      Erneut musterte Stahnke den Toten. Auf sein Äußeres hatte Kretschmer sichtlich keinen Wert gelegt. Kleidung und Frisur drückten bewusste Nachlässigkeit aus, ohne bereits verkommen zu wirken. Als Sportredakteur musste er tagtäglich mit dem Körperkult, der in dieser Szene herrschte, konfrontiert gewesen sein. Diesem Kult hatte er sich offenkundig verweigert. Und andere Schwerpunkte gesetzt. Stahnke glaubte in einen Spiegel zu blicken.

      »Chef.« Kramer winkte ihn hinaus auf den Flur. »Dies hier ist Frau Antje Winkler, Lokalredakteurin. Sie hat den Toten gut gekannt.«

      Antje Winkler war mittelgroß, rotblond und sommersprossig; ihr Make-up war um die Augen herum verwischt, aber sie hatte sich bereits wieder im Griff. Trotzdem beschloss Stahnke, sich dem Thema auf Umwegen zu nähern. »Wer hat eigentlich Zugang zu den Räumen der Redaktion?«, fragte er. »Abends, meine ich.«

      Die Rotblonde antwortete mit Turbogeschwindigkeit; Stahnke staunte, dass sich die Worte, die sich da im Eiltempo über ihre leuchtend roten Lippen drängten, nicht gegenseitig beiseite rempelten. »Praktisch jeder, der einen Schlüssel zu diesem Haus hat, und das sind alle, die hier beschäftigt sind. Es gibt zwar eine Zwischentür, die sich nur mit den Schlüsseln der Redaktionsangehörigen öffnen lässt, aber die steht häufig offen. Da verlässt sich immer einer auf den anderen, und am Ende ist dann wieder eine Kamera weg.«

      »Heute früh war die Zwischentür aber zu«, unterbrach Kramer. »Ordnungsgemäß abgeschlossen. Hat der Hausmeister ausgesagt.«

      »Das heißt also, die Tür wurde nach dem Mord abgeschlossen«, überlegte Stahnke. »Womöglich vom Mörder selbst. Das würde den Kreis der Verdächtigen auf die Redaktionsmitglieder eingrenzen. Es sei denn, Kretschmer hätte sich und seinen Mörder selbst hier eingeschlossen, und der Täter ist anschließend durch ein Fenster im Erdgeschoss raus. Oder mit Kretschmers Schlüssel.«

      »Beides scheidet aus«, warf Kramer ein. »Laut Hausmeister waren alle Fenster geschlossen, und Kretschmers Redaktionsschlüssel haben wir am Bund in seiner Hosentasche gefunden.«

      Fleißiger Kramer. Also einer von Kretschmers Kollegen. Stahnke wandte sich wieder an die Lokalredakteurin: »Frau Winkler, wie war denn Kretschmers Verhältnis zu den anderen Redaktionsmitgliedern? Gab es da Spannungen, Rivalitäten, vielleicht sogar Feindschaften?«

      Die Rotblonde zuckte die Schultern: »Eigentlich war der Thomas ziemlich beliebt. Feinde hatte er hier bestimmt nicht, so nett und höflich, wie er immer war.« Sie runzelte die Stirn: »Spannungen gibt’s natürlich immer irgendwie, nicht wahr. Ich weiß, dass die Typen aus der Reportage nicht gut auf ihn zu sprechen waren. Aber das war purer Neid. Diese Reporter halten sich ja für die absoluten Edelfedern, und auf die Sportler und die Lokalen gucken sie verächtlich herab, das ist in jeder Zeitung so, nicht nur bei uns. Na, und was die Schreibe angeht, gab es bei uns in Wahrheit keinen besseren als den Thomas. Das hat die Reporter-Schnösel ganz schön gewurmt.« Einen Augenblick lang strahlte Antje Winkler; die Frage, wem ihre Sympathien in dieser Angelegenheit gegolten hatten, erübrigte sich. Schnell aber wurde das Gesicht der jungen Frau wieder ernst. »Armer Thomas.«

      Neid auf fähigere Kollegen – so etwas gab es wohl in jedem Betrieb, auch bei der Polizei. Das alleine aber war noch kein Mordmotiv. »Standen in der Redaktion eigentlich personelle Veränderungen an? Oder hat es kürzlich welche gegeben? Versetzungen, Beförderungen vielleicht?«

      Antje Winkler kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Offenbar hatte sie begriffen, worauf Stahnke hinaus wollte. »Thomas hatte keinerlei Karriere-Ambitionen. Er wollte kein Chef werden. Wollte genau den Job machen, den er machte. Beneidenswert.« Wieder verdüsterte sich ihr Blick.

      Stahnke schaute Kramer an; der schaute ausdruckslos zurück. Einen pflegeleichteren Kollegen als Thomas Kretschmer schien es niemals irgendwo gegeben zu haben. Jedenfalls, soweit es die Redaktion, den eigenen Betrieb betraf. Nach außen dagegen, in seinen Artikeln, war Kretschmer durchaus scharf und spitz gewesen – ganz so wie die Messerklinge, die sein Leben vorzeitig beendet hatte. Wenn es also Feinde gab, so konnten sie nur von außen kommen. Aber genau das, nämlich von außen kommen, konnte der Täter ganz offensichtlich nicht. Wegen der verschlossenen Tür. Da biss sich doch die Katze in den Schwanz.

      Eine laute Stimme ertönte plötzlich, ohne dass irgendjemand zu sehen gewesen wäre. Der Redaktionsflur war lang, so lang wie das gesamte Zeitungsgebäude, nur unterbrochen vom Treppenhaus, das ihn in der Mitte teilte. Die Glastüren standen offen. Die schallende Männerstimme musste ganz vom anderen Ende herübertönen. Ein beachtliches Organ.

      Antje Winkler verdrehte die Augen. »Der schon wieder!«, stöhnte sie. »Sonst kommt der Proll doch nie so früh. Hat wohl gerochen, dass es hier etwas zu schnüffeln und zu tratschen gibt.«

      »Proll?« Kramer zückte seinen Stift.

      »Eigentlich heißt er Prollwitz«, sagte Antje Winkler. »Aber wir nennen ihn alle nur den Proll. Ein nerviger Typ. Genau das Gegenteil von Thomas Kretschmer. Wenn der hier …« Erschrocken schlug sie sich die Hände vor den Mund.

      »Wenn der hier was?«,

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