Stahnke und der Spökenkieker. Peter Gerdes

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Stahnke und der Spökenkieker - Peter Gerdes

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      Keine Antwort. Wer von Kramer eine Antwort wollte, musste schon eine richtige Frage stellen. Aber eine ausbleibende Verneinung reichte ja auch.

      »Hat man Ihnen da auch von diesen Giften erzählt, die entstehen, wenn bestimmte Lebensmittel falsch gelagert werden? Wie heißen die noch?«

      »Aflatoxine«, sagte Kramer wie aus der Pistole geschossen. »Ein Mischwort. Aspergillus für Pilz, flavus für gelb oder auch blond. Und Toxine für Gift, klar.«

      »Blonde Pilze?« Stahnkes zweifelnder Blick glitt an Kramers Miene ab. »Blondes Gift? Gefährlich?«

      »Kann tödlich sein«, sagte Kramer. »Die Dosierung müsste ich aber nachschlagen.«

      »Und die befallen Nüsse?«

      »Erdnüsse, Paranüsse, Pistazien, Haselnüsse, also tropische und auch heimische Arten. Und natürlich Kaffee.«

      »Kaffee.« Stahnke hob seinen Becher an den Mund und trank. »Gerösteten?«

      »Nein, Rohkaffee. Wenn er feucht wird, nicht richtig gelüftet. Aber die Rückstände bleiben nach dem Rösten drin. Das ist ja gerade das Gemeine.« Kramer schob eine Hand in die Tasche und lehnte sich lässig an den Türpfosten. Ein ungewohnter Anblick.

      »Man kann es allerdings riechen, wenn Kaffee befallen ist. Riecht modrig und ein bisschen nach Gras. Solche Partien müssen dann sorgfältig neu sortiert werden.«

      »Ah ja«, sagte Stahnke, »die so genannten notleidenden Partien.«

      »Exakt«, sagte Kramer.

      Er wartete einen Moment; als sein Vorgesetzter aber keine Anstalten machte, das ohnehin schon ungewöhnlich ausgedehnte Gespräch fortzusetzen, wandte er sich ab.

      Stahnke rief ihn jedoch noch einmal zurück. »Sagen Sie, wie wirken die denn eigentlich, diese Aflatoxine?«

      Kramer zuckte die Achseln. »Weiß nicht genau. Scheint aber mehr was Langfristiges zu sein. So über die inneren Organe, vor allem die Leber. Langsam, aber sicher.«

      »Danke«, sagte Stahnke. Kramer verschwand.

      Der Hauptkommissar hob seinen Kaffeebecher zur Nase und schnupperte. Milch und Zucker milderten die bittere Strenge des Getränks. Stahnke runzelte die Stirn. »Mein ist die Rache«, murmelte er vor sich hin.

      Dann schüttelte er den Kopf: »Ach was, Unfug.« Entschlossen nahm er einen kräftigen Schluck und stellte den Becher zurück auf den Schreibtisch.

      Oder schmeckte der Kaffee etwa doch etwas muffig?

      »Quatsch«, sagte Stahnke. »Nie im Leben.«

      DIE KREUZIGUNG DES

      DR. WOHLMANN

      »Typisch«, grunzte Stahnke und ließ die blickdichte Gardine zurück vors Fenster fallen, »einen dicken Jaguar vorm Haus stehen haben, aber lauthals jammern, dass die Kohle nicht mehr reicht. Ärzte. Bäh.«

      Wie um seine Schmähung zu unterstreichen, tupfte sich der Hauptkommissar einen Tropfen Heilpflanzenöl unter die Nase. Das allerdings hatte ganz praktische Gründe, denn in der Praxis von Dr. Wohlmann stank es mörderisch. Buchstäblich. Und was da so stank, war der Doktor selbst.

      »Und?«, fragte Stahnke, als Polizeiarzt Dr. Mergner aus dem Behandlungsraum ins Wartezimmer trat, wo der Hauptkommissar schon seit geraumer Zeit genau das tat, wozu das Zimmer gedacht war. Er tat es ungern, aber professionell. Seine Hände steckten nicht etwa deshalb in den Taschen seines Trenchcoats, um seine leitende Position zu unterstreichen. Jedenfalls nicht nur. Stahnke wusste, dass die größte Bedrohung für Spuren an Tatorten tollpatschige Polizisten waren. Also hielt er sich zurück und die Hände bei sich. Spuren und sonstige Fakten waren für die Kriminaltechniker da, für die Fotografen und die Ärzte. Sein Job war die Kopfarbeit, das, was er »die mentale Bewältigung eines Falles« nannte. Oft schon hatte er durch pure Gedankenarbeit Struktur ins postmortale Chaos gebracht. Nun ja, auch das Umgekehrte war ihm bereits widerfahren. Aber das stand auf einem anderen Blatt.

      Mergner blickte so verwirrt drein wie immer. Seine ewig schief auf dem Nasenrücken hängende Nickelbrille mit den flaschenbodendicken Gläsern, auf denen sich ebenso viele Fingerspuren nachweisen ließen wie an manchem Tatort, sein wirrer Haarschopf und seine fahrigen Bewegungen stempelten ihn zur Karikatur seines Berufsstandes. Aber Stahnke, der die Außenwirkung seiner eigenen gut zwei Zentner und seines blondstoppeligen Rundschädels gut einzuschätzen wusste, ließ sich von Äußerlichkeiten längst nicht mehr täuschen. Mergner verstand sein Handwerk, auch wenn er dies zuweilen nach Kräften verbarg.

      Der dürre Gerichtsmediziner warf seine langen Arme empor, so plötzlich und ruckartig, dass Stahnke unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. »Sie können sich’s aussuchen«, krähte Mergner. »Lungenperforation durch die abgesplitterten Enden mehrerer gebrochener Rippen. Innere Blutungen. Milzriss. Kreislaufzusammenbruch. Außerdem ist der Körper weitgehend dehydriert. Schon mal ’ne ganze Palette, nicht wahr? Und wer weiß, was ich sonst noch finde, wenn ich ihn erst auf dem Tisch habe.«

      Mergner pflegte seine Leichen in Oldenburg zu öffnen, mit einer schier unglaublichen Präzision, von der sich Stahnke schon des öfteren hatte überzeugen können, ebenso widerwillig wie anerkennend. Reiner Zufall, dass Mergner gerade in Leer zu tun gehabt hatte, als der Leichenfund im Ärztehaus am Ostersteg gemeldet wurde.

      »Danke«, sagte Stahnke. »Und was denken Sie?«

      Wieder hob Mergner Arme und Hände, eine Geste, die alles zwischen Ratlosigkeit und Verzweiflung ausdrücken konnte. »Äußerste Brutalität«, stieß er hervor, »hab ich selten gesehen, so was. Ein Irrer, wenn Sie mich fragen. Vielleicht religiös motiviert. Sie wissen schon, Ostern und so.« Mergner raufte sich die Haare, befingerte seine Brille und vergewisserte sich, dass sein ausgeblichener Schlips auch wirklich schief hing. »Aber erwarten Sie bitte nicht, dass …«

      »… auch nur ein Wort davon in Ihrem Bericht steht«, unterbrach Stahnke und nickte besänftigend. »Sie sind Mediziner, kein Kriminalist, und den Mörder muss ich schon selber finden. Ich weiß.«

      »Genau.« Mergner blickte sich nach seiner Tasche um. »Und darum möchte ich auch verschärft gebeten haben, dass Sie ihn nämlich finden, den Mörder, allein schon aus standesmäßiger Betroffenheit heraus.« Er hielt inne, wie eingefroren mitten in der Bewegung: »Oder standesgemäßer? Wie sagt man?«

      »Standesmäßige Betroffenheit ist schon standesgemäß, denke ich«, erwiderte Stahnke. Als Mergner die Stirn runzelte, schob er schnell nach: »Und was können Sie zum Todeszeitpunkt sagen?«

      »Der Verwesungsprozess ist schon recht weit fortgeschritten, beschleunigt durch die Hitze«, sagte Mergner, der gedanklich sofort umgeschaltet hatte. »Das erfordert einiges an Rechnerei. Aber ich sage mal: Karfreitag.«

      Wieder nickte Stahnke. Mergners Da-war-doch-noch-was-Blick ließ er an seinem Pokerface, das er in langen Dienstjahren ganz nach Bedarf ein- und auszuknipsen gelernt hatte, abgleiten. Er bedankte sich herzlich und schüttelte den Polizeiarzt mit einem kräftigen Händedruck aus seiner Grübelei. Mergner zuckte die Achseln und ging.

      Widerstrebend wandte sich Stahnke wieder dem Behandlungszimmer zu. Kramer kam ihm entgegen, kreidebleich. »Die Bestatter sind da«, sagte der Oberkommissar mit einer Stimme, deren gepressten Klang Stahnke

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