Emsgrab. Wolfgang Santjer

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Emsgrab - Wolfgang Santjer

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klingelte wieder. Er meldete sich und hörte einen Moment zu. »Ich hab’s mir gedacht«, sagte er dann. »Die Absperrung, na klar …Wir sind unterwegs.« Er steckte das Handy ein. »Stefan, pack zusammen, wir haben einen neuen Einsatz. Kollege Elzinga, bitte auf den Bestatter warten und Abtransport sicherstellen, zur Gerichtsmedizin Oldenburg, und Bericht mit Daten an uns.«

      Onno Elzinga schaute etwas schräg, aber Stefan war schon an die spezielle Ausdrucksweise seines Kollegen gewöhnt. Irgendwie hatte man stets das Gefühl ›Da fehlt doch was …?‹ Bei Aufregung übersprang Albert Brede gern mal ein Wort.

      Während Stefan Gastmann zusammen mit Onno Elzinga die Ausrüstung im Tatortfahrzeug verstaute, saß Albert Brede schon auf dem Beifahrersitz und gab Vogelsangs Adresse in das Navigationsgerät ein. »Stefan, fahr langsam«, sagte er, als sein Kollege einstieg, »wir haben es eilig.«

      *

      Westoverledingen

      Nach dreißig Minuten hatten sie das einsam gelegene Haus erreicht.

      »Ich glaube, Herr Vogelsang legte keinen großen Wert auf Nachbarschaft«, sagte Stefan Gastmann. Er hielt hinter einem auf der Auffahrt geparkten Streifenwagen.

      Die uniformierten Kollegen kamen ihnen entgegen und stellten sich als Streifenbesatzung der örtlichen Dienststelle vor. Der ältere Uniformierte hatte einen leichten Silberblick und sprach Hochdeutsch mit einem starken Akzent. »Moin!« Er zeigte auf seinen Partner. »Kollege Michael Pesche und ich bin Stinus Wurpts. Euch beide kenne ich. Bin ja schon lange bei diesem Verein.« Er deutet auf das Haus vor ihnen. »Die Haustür ist nicht verschlossen. Im Flur sieht es schlimm aus. Umgestürzte Möbel und ich glaube, da ist auch ’ne Menge Blut auf dem Bodenbelag. Im Haus ist aber niemand, wir haben alles durchsucht. Der Fernseher im Wohnzimmer lief noch. Es hätte ja sein können, dass sich Verletzte im Haus befinden. Wir haben nichts angefasst oder verändert und waren sehr vorsichtig.«

      Stefan Gastmann war beeindruckt. Man sollte die uniformierten Kollegen doch nicht unterschätzen.

      Albert Brede hatte zunächst regungslos zugehört. Ein kurzes Nicken, mehr durfte man von ihm wohl nicht erwarten.

      »Kollege Wurpts, kennen Sie den Bernd Vogelsang?«, fragte Stefan Gastmann.

      »Ja, er ist ein engagierter Umweltschützer. In letzter Zeit hat er aber Probleme. Er hat sich bei uns beschwert, weil er wegen der Sache mit den verendeten Rindern beschimpft und bedroht worden war. Dann noch die Geschichte mit seiner Mutter. Schweren Herzens musste er sie im Altenheim unterbringen. Er lebt jetzt alleine hier.«

      »Danke Kollegen, damit können wir uns schon ein Bild machen«, sagte Gastmann.

      Albert Brede fragte den Stationsbeamten: »Können Sie mir zeigen, wo Sie durch den Flur gelaufen sind?«

      Stinus Wurpts ging voran und drückte vorsichtig die Eingangstür des Hauses auf. Die Männer sahen in den Flur, wo verschiedene Gegenstände verstreut auf dem Boden lagen. Wurpts ging um die Tür herum und die Kollegen folgten ihm. Im Flur blieb er stehen. »Michael und ich sind dann dicht an der Wand lang, also wo man normalerweise nicht läuft. Denselben Weg haben wir zurück genommen. Klinken und Türen haben wir außerhalb des normalen Griffbereichs berührt.«

      Wurpts’ Schilderung wurde vom Kollegen Brede nur durch ein kurzes Nicken kommentiert.

      »Sehr gut, Kollegen«, lobte Stefan Gastmann, »alles richtig gemacht. Den Rest könnt ihr uns überlassen.«

      Als die Uniformierten außer Hörweite waren, sagte Gastmann: »Hättest ja auch mal ein paar nette Worte sagen können. Die haben das doch hier ordentlich gemacht.«

      Als Antwort verzog Brede nur mürrisch das Gesicht.

      Die Kriminalbeamten sahen sich nacheinander alle Räume im Haus an.

      »Na, Stefan, was ist hier passiert?«, fragte Brede. »Was sagt dir der Tatort?«

      »Ich stell mir das so vor …«, begann Gastmann und wies in Richtung Wohnzimmer, aus dem TV-Licht flackerte und Stimmen zu hören waren. »Das Opfer hatte den Fernseher eingeschaltet. Vermutlich klingelte der oder die Täter an der Tür.« Er drehte sich zur Haustür um. »Das Opfer öffnete die Eingangstür. Es gibt keine Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen. Kannte er seinen Besucher?« Er ging ein paar Schritte und schaute ins Wohnzimmer. »Die Möbel sind umgestürzt und beschädigt. Es muss ein Kampf stattgefunden haben. Die Blutspuren – insbesondere die große Blutlache hier vorne – sprechen dafür, dass eine Person erheblich verletzt wurde und dort einige Zeit lag.«

      »Eins versteh ich nicht«, sagte Brede. »Wie gelangte das Opfer in die Ems? Warum lässt man ihn nicht einfach hier im Flur liegen?«

      »Das ist ’ne gute Frage«, seufzte Gastmann, »leider nicht die einzige.«

      »Der Ablauf ist aber schlüssig«, bestätigte Brede ihm, »auch wenn wir daran denken, wie unser Toter aussah.«

      »Aber wie sind die Knochenbrüche entstanden?«, fragte Gastmann. »Hier beim Kampf – oder nach Eintritt des Todes, und die Brüche wurden durch das Saugrohr verursacht?«

      »Egal«, winkte Brede ab, »nach der Obduktion wissen wir mehr. Du kannst schon mal mit den Außenaufnahmen beginnen. Ich werde Dirksen Bericht erstatten.«

Teil 2

      14.

      Uferpromenade Hafen Leer

      »Jan, sind wir hier fertig?«

      Die Stimme drang langsam wie durch Nebel in sein Bewusstsein. Jan Broning drehte sich langsam zu seinem neuen Kollegen Stefan Gastmann um.

      Der Tote lag auf dem Holzanleger der Hafenpromenade. Die Meldung über den Leichenfund war vor einer halben Stunde beim 1. Fachkommissariat eingegangen.

      »Jan, das ist ohne Zweifel unser vermisster Bootjefahrer Hauck aus Rhauderfehn.« Die Ehefrau hatte noch in der Nacht die Vermisstenanzeige erstattet. Ein Spaziergänger hatte die Leiche in Bauchlage treibend im Hafenbecken gesichtet und die Kollegen von der Wache alarmiert. Die hatten den Toten auf die Uferpromenade gezogen und den Holzanleger beidseitig abgesperrt.

      »Haben wir denn schon alles erledigt, Stefan?«

      Der neue Kollege war sichtlich nervös. Er wollte keine Fehler begehen und hatte zudem offenbar großen Respekt vor Broning – das machte die Aufgabe für ihn auch nicht leichter. »Wir haben die Fotos für den Bildbericht«, sagte Stefan Gastmann. »Bei der Leichenschau haben wir keine postmortalen Verletzungen festgestellt. Außerdem haben wir die Brieftasche des Toten gefunden. Sie ist eindeutig Eigentum des Vermissten Hauck. Die Verletzung am Schädel in Höhe des Hutrandes an der rechten Schläfe wurde ebenfalls dokumentiert.« Er zeigte Broning die Bilder im Display der Digitalkamera.

      Broning sah sich noch einmal genau das Gesicht des Toten an. Die Identifizierung durch die Ehefrau würde nicht einfach werden, vielleicht sollte er den neuen Notfallseelsorger um Unterstützung bitten. »Sehr schön, Stefan. Und was ist deiner Meinung nach nun passiert?«

      »Also, äh, entweder wurde er niedergeschlagen oder er ist, schlicht formuliert, ausgerutscht und ins Wasser gefallen.«

      »Das sind zwei Möglichkeiten. Stefan. Entscheide dich für eine.«

      Broning erntete nur Schweigen. Die

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