Emsgrab. Wolfgang Santjer

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Emsgrab - Wolfgang Santjer

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Mal verzweifeln ließ, war die Tatsache, dass sich Brigitte schon in Sicherheit befunden hatte. Warum war sie wieder auf die Fahrbahn gelaufen? Hatte sie direkt nach dem Unfall unter Schock gestanden? Hatte sie ihr Handy oder ein Warndreieck holen wollen? Er würde es nie erfahren.

      Bei der Unfallaufnahme hatten die Kollegen von der Autobahnpolizei das Handy gefunden, und bei der Auswertung war dann festgestellt worden, dass kurz vor dem Unfall die zwei Anrufe eingegangen waren.

      *

      Gegenwart

      Broning fühlte sich mitverantwortlich für Brigittes Tod. Er redete sich ein, dass sein Anruf den Unfall zumindest mitverursacht hatte.

      Der plötzliche Tod seiner Frau hatte ihn aus der Bahn geworfen. Er haderte mit sich und seiner Umwelt. Broning hatte die Feuerbestattung organisiert und sich um alles Notwendige gekümmert. Unbemerkt hatte er sich immer mehr zurückgezogen von seinen Freunden, die nicht wussten, wie sie reagieren sollten, und von den Kollegen. Seine Schwiegermutter hatte er seit der Seebestattung noch nicht wieder gesehen.

      Das gemeinsam gebaute Einfamilienhaus hatte er weit unter Wert an eine Familie aus Westfalen verkauft. Er hatte Brigittes Sachen in Umzugskartons verpackt und war in eine Leeraner Altstadtwohnung im vierten Stock umgezogen. Die Sachen, von denen er sich nicht trennen konnte, hatte er im Gästezimmer verstaut.

      »Jan, der Bestatter ist da und will wissen, ob er den Toten zur Rechtsmedizin nach Oldenburg bringen soll.« Stefan Gastmann wartete vergeblich auf eine Antwort. Diese Situation kannte er bereits. Broning war wieder in seiner eigenen Welt. Also erteilte Gastmann dem Bestatter selbst die notwendigen Anweisungen. Die Leiche wurde im Zinksarg in den Kombi des Bestatters geschoben und abtransportiert.

      Stefan Gastmann ging zum Liegeplatz des Bootes von Familie Hauck, um sich noch einmal gründlich umzusehen.

      An einer Holzstufe fand er geringe Gewebespuren und Haare. Er machte zunächst Fotos, darunter auch Nahaufnahmen mit einem speziellen Maßband, um die Größenverhältnisse darzustellen. Routiniert arbeitete er sich mit den Aufnahmen von außen nach innen. Er maß die Spuren für die Skizze aus, dann sicherte er Gewebe und Haare in kleinen Plastiktüten und beschriftete sie. Schließlich klappte er den Spurensicherungskoffer wieder zusammen und verstaute die Digitalkamera.

      Als Gastmann zu den anderen Bootjefahrern ging, die in der Nähe festgemacht hatten, sah er, dass Broning immer noch auf den Hafen starrte. Die Bootsbesatzungen, die er bisher befragt hatte, machten schon ihre Sprüche darüber. »Was ist denn mit Ihrem Kollegen los – will oder kann der Ihnen nicht helfen? Sie machen ja alles alleine!«

      Die Arbeit der Polizei wurde doch immer sehr genau beobachtet.

      Ein Herr Kowaltzky aus Dortmund lag mit seinem Motorboot ebenfalls an der Promenade. Er konnte sich noch erinnern, Herrn Hauck in der Kneipe beim Heimatmuseum getroffen zu haben. Die beiden Sportbootfahrer hatten sich dort in der maritimen Atmosphäre sofort wohlgefühlt. Als später noch einige Mitglieder des örtlichen Shantychores eingetroffen waren, war dort richtig was los gewesen. Kowaltzky war ein altes Akkordeon in die Hände gedrückt worden, und bei Rolling Home und Hamburger Veermaster hatte eine allgemeine Verbrüderung stattgefunden.

      »Jeder gab eine Runde Kruiden und Bier aus, Herr Kommissar«, erzählte Kowaltzky. »Wir waren so zehn Leute und dann ging es noch mal rum. Da kommt schon was zusammen. Es war ein toller Abend. So circa am Ende der zweiten Runde will der Kollege Hauck aber dann plötzlich nach Hause, woll? Böse Zungen waren am Lästern, weil er in der zweiten Runde noch keinen ausgegeben hatte. Ich glaub aber, dass ihm die Kombination Kruiden und Bier nicht bekommen ist. Ich selbst hatte inzwischen auch Probleme, die richtigen Tasten zu drücken am Akkordeon, und hab dann nicht weiter auf Herrn Haack geachtet. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wann er gegangen ist, woll.«

      Gastmann notierte sich die Personalien und den Kern der Aussage in seinem Merkbuch. Zwischendurch sah er immer wieder zu Broning hinüber.

      Schließlich schlenderte er zu seinem Kollegen, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte. »Jan, wir sind fertig. Kommst du?«

      »Fahr schon los«, entgegnete Broning. »Ich gehe zu Fuß über die Promenade.«

      »Wie du meinst.« Gastmann zuckte die Achseln und verstaute den Spurenkoffer und die Kameratasche in den Dienstwagen. Auf der Fahrt zur Dienststelle dachte er über seinen Bärenführer Jan Broning nach.

      Bärenführer – als er diesen Begriff das erste Mal hörte, hatte er gelacht. Polizisten liebten solche bildhaften Begriffe, Spitznamen und Abkürzungen. Als Neuling wurde man einem erfahrenen Kollegen zugeteilt, der helfen sollte, die gröbsten Anfängerfehler zu vermeiden. Dieser Bärenführer oder Mentor war für Anfänger extrem wichtig, weil er einem den Einstieg in die Polizeiarbeit erschweren oder erleichtern konnte. Stefan seufzte. Erst dieser Albert Brede und jetzt Jan Broning …

      Noch vor einem Jahr war Broning als neuer Fachbereichsleiter im Gespräch gewesen. Der plötzliche Tod seiner Frau hatte ihn dann völlig aus der Bahn geworfen. Gerüchte machten die Runde. Die lautstarken Auseinandersetzungen zwischen Jan Broning und Renko Dirksen waren außerdem nicht zu überhören. Es ging um Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und Beschwerden von Kollegen über unsoziales Verhalten. Der Tiefpunkt war erreicht worden, als von übermäßigem Alkoholkonsum gesprochen wurde.

      Ein Wunder, dass Dirksen immer noch zu Broning hielt und ihn noch nicht strafversetzt hatte.

      Die Zusammenarbeit mit Jan Broning war schwierig, das gestand sich Stefan ein. Aber wenn man von den zwischenmenschlichen Problemen absah, konnte man bei ihm verdammt viel lernen. Gut, manchmal ignorierte Broning seine Kollegen, weil er in Gedanken irgendwo anders war …

      Das Problem war dann, ihn quasi wachzurütteln. Gelang dies, konnte man ihn in alter Stärke erleben. Auch bei diesem tragischen Personenunfall jetzt hatte er sich in das Opfer hineindenken können. Broning kombinierte Empathie mit den gegebenen Fakten, und Stefan war sicher: Das machte dessen Erfolg als Ermittler aus.

      An den nächsten Tag wollte Stefan Gastmann gar nicht denken, er stöhnte unwillkürlich auf. Mindestens drei lange Monate mit seinem Bärenführer Albert Brede lagen vor ihm – die Zeit mit Broning war erst einmal vorbei.

      *

      Polizeidienstgebäude Leer

      Inzwischen stand Broning vor der Eingangsschleuse der Wache. Er klingelte, und ein jüngerer uniformierter Kollege schaute ihn fragend an. Offenbar kannte er Broning nicht.

      Aber der Wachhabende drückte auf den Öffnungsknopf. »Moin, Jan. Hast du mal wieder den Code vergessen?«

      »Klaus, ich glaub, ich werd alt«, brummte Broning. Er drückte die Tür auf, als der Öffner summte, und hob grüßend die Hand, ehe er im Flur verschwand.

      »Kennst du den?«, fragte der jüngere Polizist den Wachhabenden neugierig.

      Der sah ihn überrascht an. »Natürlich. Das ist Jan Broning aus dem 1 FK.«

      »Ach, der.« Das Gesicht des jungen Kollegen sprach Bände. »Wie ein Kollege sieht der nicht gerade aus.«

      Der Wachhabende sah ihn wütend an. »Hör mal, du Greenhorn, ich weiß, er sieht im Moment nicht danach aus. Aber Broning war hier einer unser besten Ermittler. Sobald er am Tatort erschien, wusste man sofort, hier ist jemand, der die Sache in die Hand nimmt. Er hatte eine unglaubliche Ausstrahlung – irgendwie schwer zu erklären.«

      Klaus sah, dass der junge

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