Toter Kerl. Tim Herden

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Toter Kerl - Tim Herden страница 4

Toter Kerl - Tim Herden

Скачать книгу

hatten an dem Festakt in der kleinen Inselkirche in Kloster teilgenommen und im nahen Gerhart-Hauptmann-Haus hatte es noch einen Empfang gegeben.

      Für Rieder und Damp war es wahrscheinlich der Höhepunkt ihrer Arbeit als Inselpolizisten in diesem Jahr gewesen. Die Vorbereitung hatte den Großteil ihrer Arbeitszeit in den letzten beiden Monaten in Anspruch genommen. Besonders Damp war richtig aufgeblüht beim Erstellen von Listen und Sicherheitskonzepten. Wie ein Stabschef hatte er seit Samstag die Vorbereitungen überwacht und die von Stralsund und Rügen zur Verstärkung abkommandierten Polizisten in ihre Aufgaben eingewiesen. Am meisten hatte Rieder überrascht, dass selbst die Personenschützer der ­Politiker aus Berlin und der Landeshauptstadt Schwerin sich ohne Murren Damps Anweisungen gebeugt hatten.

      Nur die Hiddenseer waren vergrätzt gewesen. Damp hatte angeordnet, dass alle Handwagen aus dem Hafen Kloster verschwinden mussten. Sie wären eine Unfallgefahr für die Ehrengäste, die mit Extrabooten aus Stralsund und Schaprode ankommen sollten. Aber es war auch ein Ferienwochenende. Viele Urlauber reisten ab und neue kamen in Kloster an. Da die Handwagen und Karren fehlten, mussten sie ihr Gepäck allein zu den Pensionen und Ferienwohnungen schleppen oder die Vermieter mussten es tun. Eine Alternative gab es nicht. Der Inselbus fuhr nur von Montag bis Freitag. Und sonst konnte man sich auf Hiddensee nur zu Fuß, per Fahrrad oder mit der Pferdekutsche bewegen. Autoverkehr war auf der Insel verboten bis auf die Ausnahmen: Polizei, Feuerwehr, Arzt und Krankenwagen. Selbst das ortsansässige Transportunternehmen für die Belieferung der Supermärkte, Geschäfte und Gaststätten durfte nur Elektroautos benutzen.

      Und so sorgten das an diesem Wochenende von Damp verhängte Handwagenparkverbot im Hafen von Kloster und die Plackerei mit dem Gepäck bei sommerlichen Temperaturen unter Touristen und Einheimischen für einigen Unmut.

      Abgesehen davon war alles gut gelaufen. Selbst Bürgermeister Durk, der sonst nicht das beste Verhältnis zu Damp pflegte, hatte den Polizisten nach dem Empfang für seine gute Organisation gelobt.

      Nun musste Rieder dieses neue Hochgefühl seines Kollegen ausbaden. Damp wähnte sich am Ziel seiner Wünsche: Revierleiter auf der Insel Hiddensee! Und so blieb Rieder statt des ­Polizeiwagens nur das Dienstfahrrad. Er steckte den Zettel ein. „Ich fahre nach dem Frühstück noch zum Enddorn, bevor ich mich mit Förster am Bessin treffe.“

      Damp straffte sich ein weiteres Mal. „Der Herr wartet auf Sie. Ich denke, Sie sollten sofort losfahren. Ich habe ihm außerdem versprochen, dass Sie schnell vorbeikommen.“

      Jetzt war Rieders Laune gänzlich im Eimer. Kein Frühstück, nur weil sich irgendein Möchtegernnaturschützer über die abgestürzten Kreidefelsen am Nordufer der Insel aufregte. Da war sowieso nichts zu machen. Die würden weiter abbrechen. Vor den heranrollenden Ostseewellen gab es keinen Schutz.

      „Ihre Einkäufe können Sie sicher bei Herrn Hansen im Büro unterstellen und dann später bezahlen. Ich kümmere mich drum.“

      Rieder drehte sich um und marschierte aus dem Supermarkt. Er schwang sich auf sein Rad und machte sich auf den Weg in Richtung Kloster.

      II

      Rieder fuhr über den Deich am Boddenufer. Da waren wenigstens keine Pferdekutschen unterwegs. Es blies ein leichter Kantenwind von Westen und dagegen gab es leicht erhöht über den Wiesen zwischen Vitte und Kloster keinen Schutz.

      Über Rügen ging langsam die Sonne auf. Ihre Strahlen verbreiteten auf dem Bodden einen sanften Dunst. Geräuschlos glitt die erste Fähre von Schaprode auf Hiddensee zu. Auf den Feuchtwiesen zwischen den Inselorten Vitte und Kloster weideten Schafe, Rinder und Pferde. Dazwischen stolzierten Möwen, Reiher und Wildgänse, wenn sie nicht gerade in einem der Tümpel ein ausgiebiges Morgenbad nahmen. Rieder hatte sich angewöhnt, immer nach den schwarzen Schafen in den Herden zu suchen. Doch mehr als ein oder zwei fand er nicht.

      Diese Idylle entschädigte Rieder immer wieder für die kleinen Zwistigkeiten mit seinem Kollegen. Hier auf der Insel hatte er als einstiger Stadtmensch ein völlig neues Gefühl für die Natur und den Lauf der Jahreszeiten entwickelt.

      Im Hafen Kloster duftete es nach frischem Räucherfisch, der dort auf zwei alten ausrangierten Kuttern angeboten wurde. Rieders Magen rebellierte gegen das ausgefallene Frühstück. Dagegen musste er etwas unternehmen. Wahrscheinlich stand ihm auch noch eine Strandwanderung am Enddorn bevor, wenn es wirklich um die Abbrüche an der Steilküste ging. Sie waren einige Hundert Meter vom Fahrradparkplatz entfernt. Rieder bog also nach links ab, ging an der Steigung zum „Hotel Hitthim“ kurz aus dem Sattel und bremste dann vor dem kleinen Lebensmittelladen.

      Gestärkt kam er am Enddorn an. Dort erwartete ihn schon ein älterer Herr, der sofort auf ihn zustürmte, nachdem er den Schriftzug „Polizei“ an der Querstange seines Rades entdeckt hatte.

      „Das wird aber auch Zeit, dass Sie endlich kommen. Ich warte hier schon über eine Stunde“, maulte er anstelle einer Begrüßung. Er drängte Rieder vom Rad und machte winkende Handbewegungen, ihm an den Strand zu folgen. „Das ist eine Frechheit, was sich die Leute hier erlauben.“

      Rieder versuchte, den alten Herrn zu besänftigen. „Die Natur kann man hier nicht aufhalten. Abbrüche gibt es jedes Jahr. Vor den Wellen gibt es keinen Schutz.“

      Der alte Mann blieb stehen. „Was faseln Sie da von Abbrüchen, junger Mann, und den Kreidefelsen?“

      „Ich dachte, es geht um die Uferabbrüche. Deshalb haben Sie doch angerufen. Der Strand ist verschüttet und man kann nicht mehr trockenen Fußes die Insel umrunden.“

      Der Alte schüttelte den Kopf. „So ein Unsinn. Es geht um das Boot.“

      Nun guckte Rieder verdutzt. Der Mann deutete in Richtung See und Rieder sah, was gemeint war.

      Ein Boot, eine große Motorjacht, lag am Strand, hatte sich auf einige Findlinge geschoben und leicht zur Seite geneigt. Sie wirkte wie ein toter Walfisch.

      „Kommen Sie, kommen Sie, schauen Sie sich die Sauerei an.“

      Rieder folgte dem Mann zu dem gestrandeten Schiff. In Turnschuhen über den Strand zu laufen kostete viel Kraft, aber barfuß wäre es in diesem Gemisch aus Sand, Kies und Muschelresten eine Tortur geworden. Er staunte, woher der alte Mann seine Kondition nahm. Endlich waren sie an der Stelle angekommen, an der das Boot lag. Als Rieder sich umdrehte, um abzuschätzen, wie weit es bis zum Parkplatz Enddorn war, sah er einen großen hageren Mann in Uniform und mit Mütze den Strand entlangkommen, unverkennbar Thomas Förster, der Chef des Hiddenseer Nationalparkhauses. Rieder winkte ihm zu, dann warf er einen ersten genaueren Blick auf das Schiff. Da hatte der Bootsführer wohl nicht aufgepasst oder die Eintragungen auf der Seekarte nicht beachtet.

      „Sehen Sie mal den Ölfilm auf dem Wasser, der sich gebildet hat. Diese Schweine …“

      Rieder hob die Hand und versuchte weiteren Tiraden des Mannes Einhalt zu gebieten.

      „Halt mal! Haben Sie denn jemanden an Bord gesehen. Es kann sich auch um einen Unglücksfall handeln. Vielleicht ist jemand verletzt?“

      „Da hat sich nix bewegt, obwohl ich ein paarmal gerufen und auch Steine geworfen habe. Wahrscheinlich pennen die in der Kajüte ihren Rausch aus.“

      Rieder zog die Augenbrauen nach oben. „Das mit den Steinen will ich besser nicht gehört haben.“

      Nun war auch Förster angekommen. „Hallo, Rieder. Was ist los?“

      Rieder

Скачать книгу