Toter Kerl. Tim Herden

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Toter Kerl - Tim Herden

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freuen.“

      „Moment“, rief der Polizist, „erst mal müssen wir klären, ob jemand an Bord und vielleicht verletzt ist. Okay?“

      Rieder zog die Schuhe aus, krempelte die Hosenbeine hoch und watete zum Heck des Schiffes. Dort waren die Aufbauten deutlich niedriger und man konnte über die Reling auf das Deck klettern. Die Tür zur Kabine war geöffnet. Rieder stieg über die Sitzbänke und schaute vorsichtig ins Innere des Schiffes. Es war ein lang gestreckter Salon. In der Mitte befand sich ein langer schmaler Holztisch, an den Seiten Sitzbänke. Aber niemand war zu entdecken. „Hallo, ist da jemand?“, rief Rieder in den Raum. Keine Antwort.

      Rieder zwängte sich am Tisch vorbei. Hinter dem Salon ging es in eine kleine Schiffsküche mit Hängeschränken, Herd, Kühlschrank, alles aus braunem Schichtholz gearbeitet oder in solches eingefasst. Rechts war eine Schiebetür. Rieder schob sie vorsichtig auf: das Bad, mit Waschbecken, Toilette und sogar einer Dusche. Nicht schlecht, dachte sich der Polizist. Auf einem kleinen Brett unter dem Spiegel über dem Waschbecken standen ein Kulturbeutel und Becher mit Zahnbürsten. Er setzte seine Entdeckungstour durch das Boot fort. Ein paar Stufen führten nach oben in ein richtiges Führerhaus, mit Steuerrad, Radargerät und allen möglichen technischen Armaturen. In der Mitte gab es eine kleine Klappe. Rieder schaute hindurch. Sie stellte sich als Einstieg in eine weitere kleine dreieckige Koje im Bug des Bootes heraus, ausgefüllt mit einem riesigen Bett. Durch die beiden Luken in der Decke konnte man bestimmt wunderbar in den Himmel schauen, dachte sich Rieder. Aber keine Spur von einer Menschenseele.

      Rieder kletterte wieder von Bord und ging zu Förster und dem alten Herrn zurück.

      „Keiner da.“

      Da fiel dem Polizisten ein, dass er den Mann noch gar nicht nach seinem Namen gefragt hatte.

      „Thilo Preil. Dr. Thilo Preil“, antwortete dieser beflissen, „und ich möchte hier auf der Stelle gleich Anzeige gegen den Besitzer dieses Bootes erstatten wegen Umweltverschmutzung …“

      „Das ist ein gutes Stichwort“, meinte Rieder, „ich werde erst mal feststellen, wer überhaupt der Besitzer des Schiffes ist. Nach dem Schiffskennzeichen könnte es ja einer von der Insel sein.“

      Am weißen Bug des Bootes stand „RÜG-JJ 1913“ und daneben der Name „Antonie“.

      Rieder nahm sein Handy aus der Jackentasche und wählte die Nummer des Reviers. Sein Kollege meldete sich.

      „Was gibt’s?“

      „Sie sind noch im Büro?“

      „Äh … ich wollte gerade los, nach Kloster“, stotterte Damp in den Hörer.

      „Ach so …“ Von wegen in Kloster Schäden durch den Übertragungswagen aufnehmen, dachte sich Rieder. Punkt für mich. „Könnten Sie bitte mal einen Bootseigentümer überprüfen?“

      „Okay, höre.“

      „Der Kahn heißt ,Antonie‘, Kennzeichen …“

      Da hakte Damp schon ein. „Dafür muss ich nicht den Computer anwerfen. Das ist das Boot von Schneider, Jens-Uwe Schneider, dem Pfarrer.“

      „Aha.“

      „Was ist denn damit?“, fragte sein Kollege.

      „Es ist hier auf Grund gelaufen, oder besser gesagt, gestrandet. Hängt auf ein paar Steinen fest. Aber es ist keiner an Bord. Haben Sie eine Nummer von Schneider?“

      „Ich schau mal nach.“

      Rieder hörte Rascheln in der Leitung, wahrscheinlich schlug Damp in den Akten nach, die er für die Preisverleihung angelegt hatte.

      „Die kann ich Ihnen auch geben“, mischte sich Förster ein.

      „Lassen Sie, Damp. Förster hat die Nummer“, rief Rieder ins Telefon.

      Förster suchte schon im Nummernverzeichnis seines Telefons und tippte auf die grüne Hörertaste. „Der kann sich auf was gefasst machen!“, grummelte der Naturschützer.

      Vom Boot her hörten sie das Klingeln eines alten Telefons. Immer wieder. Doch niemand meldete sich.

      III

      Damp hatte die Beine vom Tisch genommen und das Sudoku aus der „Ostseezeitung“ zur Seite gelegt. „Der Neue macht wieder Stress“, sprach er zu sich selbst. Für ihn war Stefan Rieder immer noch „der Neue“, obwohl sie nun schon seit fast sechs Monaten das Revier in Vitte teilten. Die Hiddenseer würden sagen, „der Zugereiste“, und der Tonfall des Wortes würde den Verdacht nahelegen, Zugereiste seien – gelinde gesagt – nicht willkommen. Eins allerdings musste Damp seinem Kollegen zugestehen: Er hatte sich auf der Insel schon gut eingelebt. Schuld daran war aus seiner Sicht Rieders Nachbar Malte Fittkau. Er hatte Rieder bei den Autoritäten der Insel die Türen geöffnet: beim Hafenmeister, beim Wirt der „Fischerklause“ in Vitte, in der nur die Insulaner verkehrten, bei den Fischern, wo Rieder jetzt schon wie jeder Eingeborene einen deutlichen Rabatt auf Zander und Dorsch bekam. Das war Damp in den vergangenen zehn Jahren nicht gelungen. Fragte er mal einen Fischer nach frischem Fisch, so war der Fang schon ausverkauft oder anderen versprochen. Der Hafenmeister grüßte ihn nicht. Betrat er die „Fischerklause“, machte sich sofort ein ungastliches Schweigen breit.

      Damp hatte Fittkau auch in Verdacht, für den einen oder anderen Streich verantwortlich zu sein, der ihm auf der Insel gespielt wurde. Als Rieder vor drei Wochen ein paar Tage nach Berlin gefahren war, meldete eines Morgens der Verkehrsfunk von Radio Mecklenburg-Vorpommern, dass es nach Angaben des Inselpolizisten Ole Damp an diesem Tag möglich sei, die autofreie Insel Hiddensee einmal mit dem Pkw zu besuchen. Kurz darauf bildete sich an der Fähre in Schaprode eine Warteschlange. Dutzende Autofahrer bestanden beim überraschten Fährpersonal darauf, mit dem Auto nach Hiddensee zu fahren. Damp war noch gar nicht im Revier, als ihn der aufgebrachte Kapitän der Fähre „Vitte“ anrief und zur Schnecke machte. Gleich darauf meldete sich Polizeichef Bökemüller aus Stralsund und fragte, was das für ein Schwachsinn sei. Damp schwor, nichts mit der Sache zu tun zu haben, fand aber bei seinem Chef keinen Glauben. Auf Rügen hatten seine Kollegen vom Revier Bergen alle Hände voll zu tun, die wartenden Autofahrer davon zu überzeugen, dass es sich um eine Falschmeldung handele und Hiddensee auch weiter autofrei bliebe.

      Damp war daraufhin in den Hafen geeilt. Dort hatten sich viele Hiddenseer versammelt, die die Nachricht gehört hatten und nun auf die Fähre warteten, um das einmalige Wunder zu bestaunen. Die Fuhrleute stürmten auf Damp zu und warfen ihm vor, ihr Geschäft kaputt zu machen, andere fragten ihn, wo denn die vielen Autos parken sollten. Damp wusste gar nicht, wie ihm geschah, und beteuerte wiederholt seine Unschuld. Er lief mit durch den Hafen und rief immer wieder, die Nachricht sei falsch, es kämen keine Autos auf die Insel. Die Leute lachten oder schüttelten mit mehr, aber oft auch weniger Mitleid den Kopf über den überforderten Inselpolizisten. Erst als die Fähre wirklich ohne Pkw an Bord kam, beruhigte sich die Lage. Nur einer hatte die ganze Zeit grinsend etwas abseitsgestanden, in seiner blauen Latzhose, mit der Pfeife im Mund und seiner alten Schiffermütze auf dem Kopf, und dem Treiben gelassen zugesehen: Malte Fittkau. Damp hatte Rieder nach seiner Rückkehr gebeten, der Sache auf den Grund zu gehen und Fittkau zu überführen. Aber Rieder hatte natürlich abgewunken. Der steckte doch mit seinem Nachbarn unter einer Decke.

      Nun also zerstörte ihm Rieder seine schöne Vormittagsruhe. Allerdings lächelte Damp still in sich hinein bei dem Gedanken, wie sich Rieder bei Westwind von der

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