Toter Kerl. Tim Herden

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Toter Kerl - Tim Herden

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sollte Schneider drohen?“, überlegte Rieder. „Einer der verrissenen Schriftsteller?“

      Behm zuckte mit den Schultern. „Das ist ja wohl eher euer Job, das herauszufinden.“ Damit wollte sich Behm verabschieden. „Ich würde versuchen, die Fähre nach Stralsund zu bekommen.“

      „Wart mal … Wir wollten Schneiders Daten abgleichen, um nachzuforschen, ob er noch Angehörige hat“, erzählte Rieder, „aber wir bekommen keinen Zugriff auf die Personendatei. Vielleicht ein technisches Problem?“

      „Gebt mir die Daten. Ich schaue, ob ich von unserem Computer in Stralsund mehr Glück habe.“

      Damp kopierte den Zettel und gab ihn Behm. „Melde mich ab. Falls es was Neues gibt, ruft mich an. Irgendwie ist das eine komische Geschichte.“

      VII

      Immer heftiger wurde der Wellengang auf der Ostsee. Der Wind drückte das Wasser an den Strand von Hiddensee. Und so gelang es den Feuerwehrmännern, durch die angebrachten Luftkissen die „Antonie“ so weit anzuheben, dass sie auf die offene See gezogen werden konnte. Kommandant Uwe Gebauer stand im Führerhaus der „Antonie“, gab über Funk Kommandos an seine Kollegen auf dem Polizeiboot, alle Klippen aus Findlingen und den Resten der alten Metallbuhnen zu umschiffen. Dann nahm der Konvoi Kurs auf Vitte. Dort wurde die „Antonie“ am Steg des Anglervereins festgemacht. Diese Anlegestelle war durch ein eisernes Tor mit Schloss vor dem Zutritt von Fremden geschützt. Jedenfalls von Land aus.

      Der Pfarrer allerdings blieb verschwunden. Birgit Thurow hatte auf Bitten von Damp alle Mitglieder des Gemeindekirchenrates abtelefoniert. Keiner hatte Schneider nach der Feier im Gerhart-Hauptmann-Museum gesehen oder gesprochen. Ansonsten kannte sie angeblich auch keinen Menschen weiter auf der Insel, zu dem Pfarrer Schneider näher Kontakt gehabt hätte. Seine engeren Bekannten seien die Schriftsteller gewesen, von denen einige zwar gestern zur Preisverleihung gekommen, aber nun auch schon wieder abgereist seien.

      Rieder war zu den alten Häusern der Leuchtturmwächter nördlich von Grieben gefahren, dieses Mal mit dem Polizeiauto. Sie lagen in einer Senke unterhalb des Bakenberges, auf dem der weiße Leuchtturm Dornbusch mit seiner roten Kuppe thronte. Die alten Backsteinhäuser waren zu Ferienwohnungen umgebaut worden. Doch die derzeitigen Mieter hatten in der Nacht keine Hilferufe vom nahen Steilufer gehört und es hatte auch niemand an ihre Tür geklopft.

      Auch in Grieben, der nördlichsten Siedlung auf Hiddensee, hatte den Pfarrer seit Sonntag niemand mehr gesehen. In den Gaststätten und in den Geschäften, überall nur Kopfschütteln und Schulterzucken, wenn Rieder nach dem Verbleib von Schneider fragte.

      Bökemüller war bei Rieders Bericht über die erfolglose Suche nach dem vermissten Pfarrer immer nervöser geworden. Er überlege, den Innenminister zu informieren, die Sache werde ihm langsam zu heiß.

      Rieder schwankte in seinen Gefühlen. Einerseits reizte ihn ein neuer Fall, andererseits hatte er keine Lust, sich mit Beamten und Hierarchen des Landeskriminalamtes von Mecklenburg-Vorpommern herumzuschlagen und von denen als Inselpolizist wie ein Laufbursche behandelt zu werden. Er war immerhin Kriminalhauptkommissar.

      Bökemüller und Rieder einigten sich, die Nacht noch abzuwarten und dann am nächsten Morgen eine Entscheidung über das weitere Vorgehen zu treffen.

      Es war schon früher Abend, als Rieder erschöpft von den Touren wieder ins Revier nach Vitte kam. Damp packte gerade seine Sachen zusammen. „Feierabend für heute“, meinte er. Rieder war noch etwas unschlüssig, was er tun sollte. Konnte er jetzt einfach nach Hause gehen, obwohl es immer noch keine Spur vom Pfarrer gab?

      Damp setzte seine Mütze auf und straffte die Uniform. „Was machen Sie?“

      Rieder zuckte mit den Schultern. „Sie können mich mit nach Neuendorf nehmen.“

      Das Polizeiauto kam nur langsam voran. Zu dieser Tageszeit waren nicht nur die Urlauber zwischen Neuendorf und Vitte unterwegs. Die meisten Pferdekutschen rollten wie eine Karawane in Richtung Inselsüden, nachdem sie die letzten Tagestouristen in Vitte oder Kloster zu den Ausflugsschiffen und Fähren gebracht hatten. Damp konnte nicht überholen und musste Schritt fahren, denn die Pferde machten kaum noch Tempo. Sie trabten nach dem langen Tag und mehreren Touren von Neuendorf im Süden bis ins Hochland beim Leuchtturm Dornbusch im Norden müde vor sich hin.

      „Kannten Sie eigentlich Pfarrer Schneider besser?“, fragte Rieder.

      „Kaum“, antwortete Damp, „wir hatten manchmal miteinander zu tun, wenn was los war oder er eine größere Veranstaltung hatte und nun bei der Vorbereitung der Preisverleihung, aber sonst …“, Damp räusperte sich. „Der hat mich doch auch nicht ernst genommen.“ Das klang bitter.

      „Ich habe ihn eigentlich auch nur einmal gesprochen“, meinte Rieder nachdenklich, „letzten Samstag. Und da wirkte er nicht wirklich glücklich. Trotz Preisverleihung.“

      Vor zwei Tagen hatte Rieder einen Streit zwischen dem Fernsehteam und den Fuhrleuten schlichten müssen. Der Übertragungswagen für die Preisverleihung sollte zwar auf dem Park- und Wendeplatz der Fuhrleute neben der Kirche stehen, aber nicht gleich den ganzen Platz einnehmen. Die Fuhrleute bestanden auf ihrem Recht, dort zu parken wie sonst auch, und blockierten dann aus Protest den Kirchweg, die Hauptstraße von Kloster. Der Begriff Hauptstraße war allerdings für den ungepflasterten, mit Schlaglöchern übersäten Weg vom Friedhof bis zum Inselmuseum eigentlich nicht angebracht. Damp hatte im Hafen mit den Vorbereitungen für die Ankunft der vielen Gäste zu tun und stritt sich dort außerdem mit den Vermietern von Ferienwohnungen herum, die ihre Gepäckwagen nicht wegräumen wollten. So eilte Rieder zur Kirche, um dort die Gemüter zu beruhigen. „Scheißorganisation! Wo ist Damp?“, riefen ihm die Kutscher schon zu, als er von der neuen Pension „Zur Post“ kommend auf den Kirchweg einbog. Dort standen ein Dutzend Planwagen, immer drei nebeneinander. Die Leute kamen weder rechts noch links und schon gar nicht „mittenmang“ durch. Klaus Treue, ein Fuhrunternehmer aus Neuendorf und eher ein friedlicher Typ, kam auf den Polizisten zu.

      „Hallo, Rieder, verstehen Sie uns nicht falsch, aber wir müssen auch unser Geschäft machen können.“ Rieder kramte eine Skizze hervor, die Damp ihm gegeben hatte und auf der der Standplatz des Übertragungswagens eingetragen war, sowie ein Protokoll, in dem sich die Fuhrleute, die Fernsehfirma und Damp schriftlich über die Platzverteilung geeinigt hatten. Statt längs zur Kirche, wie auf der Zeichnung vermerkt, parkte der riesige Übertragungswagen quer über den Platz und hatte nach rechts und links noch kleine Container ausgefahren. Jedenfalls war so kein Platz mehr für die Fuhrwerke, um dort zu wenden. Dicke rote Kabel waren von dem Fahrzeug zur Kirche gezogen worden. Mehrere Männer in dunkelblauen Jacken mit dem Symbol ihres Fernsehsenders auf dem Rücken waren damit beschäftigt, Scheinwerfer und Fernsehkameras zum Gotteshaus zu tragen. Andere saßen auf Campingstühlen um einen kleinen Klapptisch. Alle hatten Papier und Stift in der Hand und hörten aufmerksam einer Frau mit roten Haaren zu.

      Rieder hatte sich durch die wütenden Fuhrleute nach vorn gearbeitet. „Oh, der Berliner persönlich“, war ihm nachgerufen worden. „Scheint ja ’ne Chefsache zu werden.“

      Rieder wusste, jetzt ging es für ihn ums Ganze. Jetzt würde sich entscheiden, ob er in den Augen der Insulaner Kerl oder Weichei war.

      Er marschierte hinüber zu den Fernsehleuten. Die Frau mit den roten Haaren schien ihm hier die Chefin zu sein. Als Rieder sich vorgestellt hatte, nahm sie die halbe Brille ab und musterte den Mann in Jeans, T-Shirt, grüner Windjacke und Baseballkappe von unten bis oben.

      „Sie sind also der Inselpolizist?“, stellte sie zweifelnd

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