Der Todesengel mit den roten Haaren. Bernd Kaufholz

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Der Todesengel mit den roten Haaren - Bernd Kaufholz

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      Bestätigt wird die Aussage des Angeklagten Daniel, dass die mutmaßliche Mitwisserin Corinna Vasal nach der Vergewaltigung und Ermordung Stefanies Bekleidungsstücke der beiden Täter in ihrer Wohnung versteckt habe. Ein Kriminalist sagt, dass er bei der Durchsuchung der Wohnung von Corinna Vasal unter einem Tisch versteckt einen Beutel sichergestellt hat. Darin befanden sich die zwei Wollmützen mit Sehschlitz und ein paar Handschuhe, die bei der Tat getragen wurden.

      Einen völlig gebrochenen Eindruck macht Sandros Großvater. Mit brüchiger Stimme nennt er seinen Enkel einen „guten Kerl“ und einen „hilfsbereiten jungen Menschen, der alles getan hat“. Der 63-Jährige hatte sich am Morgen des 22. Dezembers mit dem Fahrrad auf die Suche nach der vermissten Stefanie gemacht und von weitem hinter der Holzhütte „so etwas wie eine dicke Astgabel“ gesehen. „Ich habe vermutet, dass es das Mädchen war.“ Dem Kameramann eines TV-Senders in der Nähe teilte der entsetzte Mann seinen Fund mit. Der rief die Polizei.

      Eine Rolle spielt erneut der rote Benzinkanister, den die Täter an der Pareyer Tankstelle kauften, um mit dem Inhalt die tote Stefanie „zu beseitigen“. Die Tankstellenangestellte erkennt beide Angeklagte im Gerichtssaal 218 wieder.

      Ungläubiges Kopfschütteln rufen Passagen der Aussage der 13-jährigen Jessica hervor. Sie war „Probeperson“ für die Angeklagten gewesen.

      Richter: „Wann war das?“

      Jessica: „Ein, zwei Wochen vor der Tat, nachmittags.“ Richter: „Wo passierte das mit dir?

      Jessica: In Parey, in der Wohnung von Sandro Penn.“ Richter: „Wie lief das ab?“

      Jessica: „Die haben Handschellen rausgeholt und mich gefesselt.“ Richter: „Haben sie gesagt, warum?“

      Jessica: „Die wollten jemanden in Berlin entführen. Das wollten sie an mir ausprobieren.“

      Richter: „Was genau haben die Angeklagten getan?“ Jessica: „Erst meine Hände auf den Rücken gebunden, dann die Beine gefesselt – mit Handschellen. Dann ein Seil genommen und damit meine Hände und Füße gebunden. Dann haben sie mir einen blau karierten Lappen in den Mund gesteckt und einen Bayernschal drüber. Dann haben sie mir breites, braunes Paketklebeband ein paar Mal über die Augen um den Kopf gewickelt. Die beiden haben die Zeit gestoppt.“

      Noch zweimal wiederholten Sandro Penn und Daniel Katz. an jenem Tag die „Übung“ mit Jessica. Aus Angst habe sie nicht darüber gesprochen, sagt das Mädchen aus.

      Anwesend ist wiederum ein Psychiater. Der Sachverständige soll dem Gericht in einem Gutachten Aufschluss darüber geben, ob die Angeklagten nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen sind. Im Jugendstrafrecht beträgt die Höchststrafe zehn Jahre, andernfalls droht beiden eine lebenslängliche Haftstrafe.

      Mit unsicheren Schritten betritt Zeugin Corinna Vasal am 28. Juni den Saal 218 des Stendaler Landgerichts. Obwohl sich die 38-Jährige mit Kapuze und Kopftuch verhüllt, sieht man ihr an, dass sie nicht gesund ist. Sie leide unter Magersucht, so ihre Mutter.

      Richter Rettkowski belehrt die Zeugin, dass sie auf Grund der nahen Verwandtschaft zu einem der Angeklagten nicht auszusagen braucht. Auch weil gegen sie inzwischen ein Strafverfahren wegen Beihilfe eingeleitet wurde, habe sie das Recht zur Aussageverweigerung.

      Der Auftritt der Invalidenrentnerin dauert dann auch nur vier Minuten. Nachdem sie sich lediglich zur Person geäußert hat, verlässt sie das Gericht.

      Den Prozessbeteiligten werden dann Gegenstände vorgelegt, die bei der Straftat eine Rolle gespielt haben. Darunter sind die Wollmützen mit Sehschlitz ebenso wie der rote Fünf-Liter-Kanister, den die Angeklagten nach der Tat mit Wasser gefüllt haben und im Kanal versenken wollten, was ihnen jedoch nicht gelang. Ein Bayern-Fan-Schal, wie der, der zum Mord genutzt wurde, die Handschellen, Seilreste, Klebeband und die Haken, an denen Steffi gefesselt wurde, liegen ebenfalls auf dem Richtertisch.

      Besonders schwere Minuten durchleben die Eltern des Opfers als Dr. Werner Kuchheuser das rechtsmedizinische Gutachten verliest. Die horizontale Drosselmarke am Hals der Toten decke sich mit den Aussagen der Angeklagten, ihr Opfer mit einem Schal stranguliert zu haben. „Durch die Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn ist der Tod nach etwa vier Minuten eingetreten“, sagt der Oberarzt von der Magdeburger Uniklinik.

      Durch das Feuer seien Verbrennungen bis zum 4. Grad (Verkohlung) aufgetreten. Da Stefanie aber weder Rußpartikel in den Luftwegen noch Kohlenmonoxid im Blut gehabt hat, sei sicher, dass das Mädchen bereits tot war, als es mit Benzin übergossen und angesteckt wurde.

      Richter Rettkowski verliest danach Auszüge aus dem Bundeszentralregister. Daniels Akte ist leer. Die von Sandro hat hingegen drei Vermerke.

      1996 hat er ein Fahrrad gestohlen, 1999 ist er beim vorsätzlichen Fahren ohne Führerschein erwischt worden. Dazwischen liegt eine Tat, die Parallelen zum Mord an Stefanie aufweist.

      Am 30. September 1996 hatte Sandro Penn einen Freund im Keller der elterlichen Wohnung in Parey mit Handschellen gefesselt und Paketband über Mund und Augen geklebt. Um dem Kumpel diesen „Scherz“ schmackhaft zu machen, hatte er ihm 25 Mark gegeben. Der Freund sollte versuchen, sich selbst zu befreien.

      Doch als dieser noch mit den Fesseln kämpfte, fiel Sandro ein, dass ihn sein Kumpel vor Tagen beleidigt hatte. Sandro nahm einen Drei-Kilo-Vorschlaghammer und schlug ihm auf den Kopf. Der Freund erlitt ein Schädelhirntrauma 1. Grades.

      Das Amtsgericht Genthin hielt Sandro damals eine „Ausnahmesituation“ durch „schulische und familiäre Schwierigkeiten“ zugute. Auf Grund der „Bewusstseinseinengung“ und weil er umgehend „Rettungsmaßnahmen“ eingeleitet hatte, kam er mit vier Wochen Dauerarrest davon.

      Am 4. Juli stehen die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten und ihre Beziehungen zu Eltern, Angehörigen und Freunden im Mittelpunkt des Prozesses.

      Daniel hat seinen leiblichen Vater nie kennen gelernt. Er weiß weder wo er wohnt noch wie er heißt. Als er acht Jahre alt war, hatte seine Mutter den Mann geheiratet. „Mein Stiefvater hat ständig versucht, sich in mein Leben einzumischen. Mit 15, 16 Jahren habe ich überlegt, ihn wegen Körperverletzung anzuzeigen“, erzählt Daniel. Der Stiefvater habe ihn geohrfeigt und sogar mit der Faust geschlagen.

      Im Dezember 1999 brach Daniel seine Lehre als Maler und Lackierer ab. Sein ehemaliger Arbeitgeber bezeichnet ihn als einen verschlossenen Menschen. Erst habe er seine Arbeit zuverlässig erledigt, sich jedoch später kaum noch darum gekümmert, und sie einfach liegen gelassen. Für Kritik sei er taub gewesen, so der Ex-Chef.

      Im Dezember zog Daniel Zuhause aus und schlüpfte bei Sandros Bruder unter. Im Januar 2000 wollte er eine neue Arbeit aufnehmen. Doch dazu kam es nicht mehr.

      Daniels Kumpel Sandro hat die Schule ohne Abschluss verlassen. Er habe zumeist im Unterricht nicht aufgepasst oder geschwänzt, erklärte er dem Gericht.

      Sandros Kontakt zu den Eltern ist seit der Haft abgebrochen. „Auf meine Briefe bekam ich keine Antwort. Man sagte mir, meine Eltern wünschen keinen Kontakt mehr“, sagt Sandro und fügt an: „Das kann ich verstehen.“

      Sandros Eltern, die als Zeugen geladen sind, würdigen ihren Sohn keines Blickes. Auch Sandro vermeidet den Blickkontakt. Er starrt auf den Boden, als Vater und Mutter von ihrem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen.

      Daniels Eltern erscheinen aus „nervlichen und gesundheitlichen Gründen“ nicht. Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Vertreter der Anklage verzichten darauf

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