Dien Bien Phu. Harry Thürk
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Berteil, der hier den Fallschirmjägerobersten Gilles abgelöst hatte, nachdem dieser Na San gegen verschiedene Angriffe zu verteidigen gezwungen gewesen war, führte ein straffes Kommando. Das konnte Navarre auf Anhieb erkennen. Er merkte sich diesen Mann für künftige Aufgaben vor.
Na San war arg mitgenommen, wenn man genauer hinsah. Zwar waren die Geschütze und Maschinengewehre, die Granatwerfer und MGs intakt, aber das Gelände erinnerte an einen Sturzacker. Immer wieder während der Besichtigung riet Berteil dem General, sich tief zu ducken, die bewaldeten Hänge rings um den Stützpunkt steckten voller Vietminh, die jede Bewegung beobachteten.
Im vergangenen Dezember hatte es hier die letzten schweren Kämpfe gegeben. Aber der Stützpunkt hatte sich halten können. Navarre empfand das als eine beachtliche Leistung. Berteil dämpfte seine Begeisterung, indem er ihn vorsichtig darauf hinwies: »Mon Général, ich übernahm das Kommando von Gilles. Er gestand mir, er sei sich wie ein Fuchs in seinem Loch vorgekommen, um das die Jäger lauern. Inzwischen habe ich dieses Gefühl ebenfalls.«
»Aber Sie haben ausgehalten!«
»Mit Verlaub«, sagte Berteil, »wenn die Vietminh tatsächlich alles eingesetzt hätten, um uns auszuräuchern, dann hätten sie es geschafft. Sie haben statt dessen auf lang dauernde Zermürbung gesetzt, das ist zu erkennen. Wir sind isoliert. Haben keinen Einfluß auf den weiteren Fortgang des Krieges. Keine Patrouille kann sich über unsere Drahthindernisse hinauswagen. Meine Männer sind Nervenbündel geworden. Vergangene Nacht habe ich wieder drei ins Lazarett schaffen lassen müssen. Tobsucht, tropische.«
»Wie das?« Navarre stieß unwirsch mit seinem Gehstock, der bei höheren Offizieren in Vietnam zu einer Art modischem Statuszeichen geworden war, in einen Erdaufwurf.
»Die Vietminh schleichen in der Dunkelheit bis auf ein paar Dutzend Meter an unsere Posten heran und rufen: ›Komm heraus, Franzose, kämpfe! Wir wollen dich endlich töten!‹«
Zu klein, dachte Navarre, als er den Stützpunkt überblickte. Schon aus der Luft war ihm die Ausdehnung zu gering vorgekommen. Der Eindruck festigte sich nun. So viele Männer, die so wenig Territorium beherrschten und dabei gegnerischem Feuer ausgesetzt waren – das sollte nicht die Art sein, in der wir kämpfen! Wir müssen aus der Bewegung heraus zuschlagen können, dann sind wir gut und überlegen. Doch hier ist keine Bewegung möglich, hier sind gewissermaßen die Ellbogen an den Körper gepreßt. Das Territorium unserer festen Punkte muß größer sein. Viele Quadratkilometer brauchen wir, in denen wir operieren können, ausholen zum Schlag. Na San ist dafür nicht geeignet. Es läßt sich auch nicht erweitern. Wir müßten ganze Urwälder niederlegen, Schußfeld schaffen. Unmöglich, hier.
Navarre sagte es Berteil nicht, aber er entschloß sich während dieser Besichtigung, Na San aufzugeben. Eine nutzlose Art, Truppen zu binden. Er erinnerte sich an die weiträumige Mulde von Dien Bien Phu, die er kurz zuvor aus der Luft hatte sehen können. Dort sollte man operieren können! Dien Bien Phu müssen wir haben. Der Gedanke setzte sich in Navarres Kopf fest. Dien Bien Phu und Lai Chau, dazwischen Fernpatrouillen, die den Vietminh den Weg nach Laos verlegten, an der entscheidenden Stelle. Das erschien ihm als Lösung, um den generellen Befehl aus Paris zu erfüllen und Laos, mit dessen König Frankreich einen »Beistandspakt« hatte, vor dem Einfluß der Vietminh zu sichern. Kein strategisches Dreieck, sondern zwei Eckpfeiler, zwischen denen kein Durchkommen sein durfte.
Tief in Gedanken versunken, flog Navarre nach Hanoi zurück. Cogny kündigte er an, man werde Na San in absehbarer Zeit blitzartig räumen. Der neuernannte Divisionsgeneral wiegte den Kopf, als Navarre ihm seine Meinung über Dien Bien Phu schilderte. Er versuchte zu scherzen: »Wenn dieses verdammte Na San Räder hätte, könnten wir es einfach nach Dien Bien Phu rollen …«
Navarre faßte es weniger als Scherz auf; er sah darin die Zustimmung Cognys zu seinem Plan. Und er beauftragte ihn, zwei Aufgaben ins Auge zu fassen: Na San zu räumen und dann noch einen überraschenden Schlag gegen das tiefe Hinterland der Vietminh hoch im Norden zu führen, um Durcheinander in ihren Materialnachschub zu bringen, sie zu beschäftigen, während das Fernziel anvisiert wurde: der Ausbau Dien Bien Phus zum beherrschenden Stützpunkt, an dem sich die Vietminh die Köpfe einrennen sollten.
Wenn sie so reagierten, würden sie dort Kräfte zu einer größeren Feldschlacht versammeln. Das war die Chance, alle Überlegenheitsfaktoren der französischen Armee auszuspielen und den Vietminh die vernichtende Niederlage beizubringen, die sie zum Einlenken zwang. Er, Navarre, würde demnächst nach Paris reisen, um dort sein Konzept vorzutragen und die nötigen Verstärkungen anzufordern. Inzwischen hatte Cogny zu handeln. Der Schlag gegen die Vietminh-Logistik hatte dabei Vorrang; die Nachricht davon würde in Paris unterstützend wirken.
Paris bot um die Frühsommerzeit des Jahres 1953 ein ziemliches Chaos, wenn man es aus der Perspektive der Politik betrachtete. Das Land war wirtschaftlich am Ende seiner Kräfte und dabei mit einem Krieg belastet. Ministerpräsident Mayer war gestürzt, der als Ersatz bestallte Joseph Laniel wurde selbst von sehr gutwilligen Leuten nur als Lückenbüßer betrachtet. Politische Entscheidungen zu fällen wurde immer komplizierter. Frankreich erlebte die tiefste Krise seit dem Neubeginn 1945.
Als General Navarre dem neuen Ministerpräsidenten von Saigon aus mitteilte, er bereite sich auf eine Reise nach Paris vor, um ihm seinen Plan für das weitere Vorgehen in Indochina darzulegen und zugleich notwendige Verstärkungen anzufordern, kam aus Laniels Sekretariat die Zurechtweisung, man halte es nicht für angebracht, daß der Oberkommandierende seinen neuen Posten schon vier Wochen nach Dienstantritt wieder verlasse. Als Navarre, der sich gerade für die Konferenz mit seinem Indochina-Generalstab in Saigon rüstete, auf der er seinen engsten Mitarbeitern die Planung für die nächsten Schritte im Feldzug unterbreiten wollte, das Fernschreiben aus Paris übergeben wurde, hielt er es hoch und fragte seinen Adjutanten: »Laniel? Wer ist Herr Laniel? Jemals von jemandem dieses Namens gehört?«
Der Adjutant wagte keine Antwort. Da legte Navarre das Papier, das er nur an einer Ecke mit zwei Fingern gefaßt hatte, als sei es schmutzig, betont lässig weg und erklärte: »Meine Reise nach Paris wird vorbereitet. Wo kämen wir hin, wenn irgendein Zivilist, der nun gerade einmal gewählt wurde, einem französischen General vorschreibt, was für seinen Kriegsschauplatz wichtig ist und was nicht. Wir werden diesmal aufpassen, daß nicht wieder solche Volksfrontsitten bei uns einreißen!«
Wenig später erläuterte er dem Indochina-Generalstab seine Entschlüsse. Sie wurden – obwohl nie schriftlich fixiert – fortan als »Navarre-Plan« bezeichnet. Henri Navarre, nicht sehr groß von Wuchs, aber voller Energie, ein Mann, der Widerspruch nicht schätzte, legte auch wenig Wert auf eine Diskussion seiner Entscheidungen – er teilte sie seinen Generalstäblern als Weisungen mit.
»Ich bin zu der Auffassung gelangt, daß wir im Norden und Nordwesten eine möglichst bewegliche Barriere zwischen das Kerngebiet der Vietminh und deren laotische Verbündete legen müssen. Dadurch halten wir ihre Kräfte gespalten. Lai Chau muß zu diesem Zweck verstärkt werden. Das aufgegebene Becken von Dien Bien Phu müssen wir wieder besetzen und befestigen. Zwischen den beiden befestigten Punkten muß durch ständige Patrouillen gleichsam ein Riegel entstehen. Weitere Vorstöße sollten das Gelände bis weit nach Laos hinein für die Vietminh unsicher machen …«
Er pausierte nur kurz, um die beiden Orte auf der Kriegskarte zu bezeichnen. Dann wandte er sich einer anderen Gegend des Landes zu, der engsten Stelle in Zentralvietnam, zwischen dem 17. und 18. Breitengrad.
»Hier,