Ketzerhaus. Ivonne Hübner

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Ketzerhaus - Ivonne Hübner

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im Geschäft mit der bernsteinfarbenen Briu waren, wusste ja jeder, doch ging der Hass nicht so weit, dass sie einander Besuche abstatteten, um sich Lästereien anzutun. So aber geschah es jetzt, da Elsa Mälzer mit den Hinterthurjungen den Hinterthur-Hof betrat.

      Die Buben beschieden, Elsa möge warten und verschwanden mit ihrem Krug im Pfannenhaus, ohne über Hühnerlöcher zu stolpern, weil die Hühner eingezäunt waren. Bei Elsa zu Hause stolperte man in einem fort über irgendwas. Gerümpel und Unordnung suchte man auf dem Hinterthur-Hof vergeblich. Unter dem Laubengang fanden sich weder Küchenabfälle noch tierische oder menschliche Hinterlassenschaften, alles hatte seinen Platz. Man konnte den Hof überqueren, ohne den Saum des Kittels heben zu müssen, weil der Sand geharkt und Pfützen und Rinnen regelmäßig aufgeschüttet wurden.

      Von dort, wo in Sudpfannen Gerste verkocht wurde und es stickig heiß werden konnte, trat Meister Orwid auf den Hof. Einen Krug in jeder Faust. Elsa erkannte, dass der ihre von Matsch befreit, das Zeichen der Mälzers im braunen glänzenden Steingut schön poliert worden war. Die andere Kanne zeigte das Emblem der Hinterthurs.

      „Hier, Mädchen. Du kannst nichts dafür, dass dein Vater ein Idiot und die Dorfjungs Rüpel sind.“ Mit diesen Worten und einem Grinsen stippte Meister Orwid das Mädchen an der Nasenspitze. Sie wich nicht rechtzeitig vor seinem breiten Finger zurück. Sie hätte ihm gern ins Gesicht gespuckt, was sie sich natürlich nicht getraute. Der Hüne wandte sich nach dem Pfannenhaus um und rief nach seinen Söhnen. „Wie besprochen, Jungs: halbe, halbe. Ihr bekommt einen Schock für den Krug, verlangt also einen halben Groschen pro Becher. Mach die Becher voll. Wir berumsen unsere Kundschaft nicht.“ Letzteres besiegelte er mit einem Augenaufschlag für Elsa. „Guck nicht so belämmert“, meinte er zu ihr, „du bekommst das Doppelte von dem, was das Gebräu deines Vaters eingebracht hätte.“

      „So bereichert Ihr euch auch am Unglück der Unholdin? Ihr habt heut nicht Ausschank“, reckte Elsa das Kinn, um sich gegen den Meister zur Wehr zu setzen. Der aber fuhr ihr kurz entschlossen über den Rand: „Und du hast keine Briu mehr.“ Es wäre nicht nötig gewesen, aber Meister Orwid erinnerte das Mädchen dennoch an die Fehde von vor zwanzig Jahren, die den Kindern beizeiten erzählt wurde, damit sie die Zunft und deren Mitglieder ehrten.

      Wie eine tönerne Glocke klang das Antippen von Hinterthurs breitem Daumennagel, als er Elsa den Krug gab. Er war leicht und leer.

      „Ich rette dir wahrscheinlich den Arsch, kleine Zicke. Also nimm das Angebot an, dann wirst du heut Nacht ruhig schlafen. Andernfalls wird dir der Hintern noch mehr wehtun als so schon.“

      Die Hinterthurbrüder hatten wohl berichtet, wie sie vorhin auf ihrem Allerwertesten gelandet war.

      Abermals öffnete sich die Tür. Ein Gesicht, blass und glatt wie Milch unter einer ebenso straffen Haube schob sich in die Sonne. Reinhilde war damals aus der Stadt gekommen, um den Orwid Hinterthur zu heiraten. Sie war und blieb die Städterin, auch wenn sie ein gut Dutzend Jahre schon in der Parochie lebte. Die Reinhildin zahlte das ihr entgegengebrachte Misstrauen mit barer Münze zurück. Sie herrschte wie eine Königin über ihren Besitz. Schön und klug, fromm und geschäftstüchtig.

      „Sind die Mälzers so gottlos, Geschäfte mit dem Tod zu machen?“, rief sie über den Hof. Elsa steckte die freie Hand in die Tasche ihres Kittels, damit niemand sah, wie sie sie zur Faust ballte. „Ist es nicht genug, dass ihr über alle Meister herzieht, müsst ihr sie nun auch behelligen?“

      Elsas Schlagfertigkeit reichte nicht weiter als sie spucken konnte. Die Brauleute verschwanden im Haus.

      „Mutter hat recht. Wir sind kein Stück besser als Mälzer“, sagte Andres, kaum, dass sie in die Richtung unterwegs waren, wo der Schöps am tiefsten war. „Wir bereichern uns am Unglück der Unholdin und der Gaffsucht der Leute, wenn wir am Schafott unsere Ware feilbieten.“

      Sein Bruder Jost winkte ab und schenkte Elsa ein neckisches Grinsen. Es gefiel ihr.

      „Mal im Ernst, Jost“, beharrte Andres, „Die arme Seele! Unser Herr würde das nicht wollen.“

      Jost blieb abrupt stehen und schaute seinen älteren Bruder teils genervt, teils ungeduldig an. „Dann lauf doch zurück, Andres, geh zu Mutter und bete, oder spiele mit deinen Glasmurmeln.“ Wieder dieses Lächeln, und Elsa kicherte.

      Andres aber tat nichts dergleichen. Nur ließ er sich hinter sie zurückfallen.

      „Meinen Bruder interessiert sein Seelenheil mehr, als sein Geldbeutel“, spöttelte Jost.

      „Richtig, Dummkopf“, kam es von hinten. „Wir haben mit der Riegerin nichts zu schaffen. Unser Herrgott weiß das. Der Herr hat es gefügt, dass Elsa ihren Krug verschüttet hat, damit sie keine Geschäfte am Schafott macht.“ Elsa protestierte. So war der Hergang nicht gewesen.

      Der Herr wolle gern, dass die Wartenden am Schöps eine Erfrischung bekämen, erwiderte Jost. Ein Zwinkern für Elsa, das wohl tat wie ein Löffel voll Honig. Jost trug die bauchige Kanne mit Leichtigkeit, denn er war stark.

      Während von Elsa die Sorge des Groschens und die Angst vor Vaters Schlägen verblassten, sie gewillt war, dem sonnigen Tag im Ostermond endlich das Wärmende abzugewinnen, kam Andres so schnell nicht mit seinen Gewissensbissen zurecht. „Aber, wenn es Gottes Wille ist, dass die Zuschauer mit dem Gebräu aufgemuntert werden, dann verfehlt die Hinrichtung doch ihre Anschaulichkeit.“

      „Halt endlich die Klappe“, blaffte Jost. „Genieß die Sonne, das Vogelzwitschern, die arbeitsfreie Stunde, oder willst du lieber beim Vater Pfannen schrubben oder Maische rühren bei der Mutter?“ Andres antwortete nichts. „Na also.“

      Elsa wollte es so halten wie Jost: Sie wollte den nichtsnutzigen Moment genießen, obwohl Müßiggang eine Todsünde war.

      „Wenn du so sehr haderst, Andres, dann kannst du dich an den Wegrand setzen und mit deinen Glasmurmeln spielen. Wir erledigen dann schon den Rest, was Mälzerin?“ Jost knuffte Elsa freundschaftlich in den Oberarm. „Das wär doch gelacht, uns von so einer Mörderin das Geschäft verderben zu lassen!“

      Zu Josts Worten nickte Elsa entschlossen: „Ja, das hat mein Vater auch gesagt.“

      „Na also!“ Jost wiederholte die verschwörerische Geste.

      „Sie hat unter Folter gestanden, Jost“, sagte Andres jetzt mit einer klaren, reifen Stimme. „Ihr Geständnis soll gekauft worden sein.“

      Jost war des Themas überdrüssig. Doch Andres zog ihn jetzt rüde am Arm zu sich herum, sodass alle drei im Kreis standen. „Ist dir nicht der Gedanke gekommen, dass die Riegerin unschuldig ist?“

      Jost machte sich los. „Sie hat ihm keine Kinder geschenkt. Das spricht für die Buhlschaft mit dem Teufel. Fertig.“

      „Fertig“, äffte Andres seinen jüngeren Bruder nach, „Fertig! Gott sei auf Knien gedankt, dass du Briuwer wirst und nicht Jurist!“ Er schubste den Jüngeren von sich und ging weiter voraus. Jost versicherte Elsa, sein Bruder sei nicht ganz normal im Oberstübchen, was er mit einer Geste untermalte, über die Elsa kichern musste. Andres drehte sich nicht zu ihnen um.

      „Im ersten Buch Mose steht“, sprach er über die Schulter zu ihnen, wodurch Jost laut aufseufzte, „dass Rahel ebenfalls unfruchtbar war. Sie konnte Jakob keine Kinder schenken. Lea aber, Rahels Schwester, schenkte Jakob sechs Kinder. Rahel wurde auch nicht zum Tode verurteilt.“

      „Weil sie von Jakob geliebt wurde“, leierte Jost die Worte herunter.

      „Nein,

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