Ketzerhaus. Ivonne Hübner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ketzerhaus - Ivonne Hübner страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Ketzerhaus - Ivonne Hübner

Скачать книгу

      Wie gut die beiden sich auskannten! Elsa selbst brachte meist alle biblischen Namen durcheinander. Die Hinterthurs waren nicht nur reich. Sie waren auch so fromm, dass sie eine eigene Kirchenbank besaßen.

      „Das ist ein Gleichnis, du Idiot!“, schimpfte Andres jetzt. „Gott wollte, dass Jakob beide Frauen liebte und deshalb hat er derjenigen, die er nicht mochte, den Kindersegen geschenkt. Gott wollte nicht, dass Rahel neidisch auf ihre Schwester war und daher …“

      „Jakob hat es mit allen getrieben, Andres, sei nicht so dumm. Jakob hat sogar bei den Mägden seiner Frauen gelegen, um Gott milde zu stimmen und Rahel den Kindersegen zu bringen.“

      „Nein, so darfst du nicht reden.“ Während Andres schulmeisterte, Lea habe nichts als Intrigen und Rahel den Neid gehabt, beobachtete Elsa Jost. Der lächelte müde über den Schlauberger. „Gott lehrt uns Geduld“, schloss Andres, „und Genügsamkeit. Das, was der Rieger mit seinem Weibe damals nicht konnte, und deshalb muss sie heut sterben und das ist furchtbar! Sie stirbt wie unser Herr für die Sünden, die andere begangen haben.“

      „Er schläft mit der Heiligen Schrift unterm Kopfkissen“, flüsterte Jost und grinste in Elsas Richtung. Sie, seiner Anziehung verfallen, erwiderte das Lächeln. Das Buch der Bücher hatte sie noch nie von Nahem gesehen. Zu Hause besaß ihre Mutter eine Bilderbibel. Aber das war nicht dasselbe wie die dicke Heilige Schrift mit dem ganzen lateinischen Text.

      Sie erreichten den Fluss. Wie eine überreife Traube hingen die Menschen am Schaugerüst, drängelten um die besten Plätze, schoben sich dichter ans Wasser. Elsa konnte ihre Mutter nicht sehen und vollzog gemeinsam mit Jost den Betrug. Andres weigerte sich, Zeuge des Spektakels am Fluss zu werden. Er blieb an einem sacht ansteigenden Hügel unter einer Birkengruppe zurück und wachte über den gedemütigten Krug der Mälzers.

      Die Leute streckten Jost ihre Becher entgegen. Sie wussten, das Produkt seines Vaters war das beste, was man kriegen konnte. Man beäugte Elsa, als befürchte man, sie könnte einen Krug vom Mälzer-Gepansch zücken, das man dann umständlich ablehnen müsste. Beim Mälzer schmeckte es eben nicht. Es gab neuerdings Reinheitsauflagen. Die konnte man leicht umschiffen, wenn man Bilsenkraut oder Tollkirsche beimischte, so wie es schon Johannes’ Vater getan hatte. Es gab dem Gebräu zwar etwas Säuerliches, intensivierte jedoch die Wirkung, und ließ sich gerade deshalb um ein paar Kannen strecken. Der Rausch, den man sich mit Johannes’ Gesöff antrank, war ein anderer. Johannes’ wenige Stammkunden wussten das.

      Natürlich bekam Jost Hinterthur doppelt so viel für seines, als es Elsa mit dem ihren je erzielt hätte. Natürlich hielt er sich ans Wort seines Vaters, gab ihr einen halben Schock, was mehr war, als ihr Vater für einen ganzen Krug bekommen hätte.

      Katharina Mälzer, als sich Elsa mit barer Münze zu ihr durch die Menschen durcharbeitete, war höchst zufrieden.

       Doch bedeutet es nicht nur die innerliche Buße:

       ja, die innerliche Buße ist nichtig, wenn sie nicht nach außen mehrfache Abtötung des Fleisches bewirkt.

      Elsa hatte nicht hingesehen. Sie hatte wohl den einen oder anderen Kommentar gehört, aber zugesehen, wie man Margarete Rieger mit Steinen beschwerte und ins Wasser führte, hatte sie nicht.

      Spät kamen sie heim. Die Urteilsvollstreckung hatte sich hingezogen. Der Kaplan war nicht erschienen. Was die Klatschweiber sich nach dem Spektakel erzählten, war schlimm. Nein, Ertränken wäre nichts für Elsa. Sie war froh, dass sie keine Bilder im Kopf hatte. Jost Hinterthur hatte hingesehen und brüstete sich damit. Elsa verzieh ihm das.

      Am Abend, das Knie der ein Jahr jüngeren Siegtraut im Kreuz, den riechenden Fuß der zwei Jahre jüngeren Anneruth an der Nase und das Geschrei der neu geborenen Irmel im Ohr, hörte Elsa die Mutter noch lange mit der Base tuscheln. In Elsas Traum tauchte Jost auf. Ihm hätte sie am Nachmittag gerne Danke gesagt für seine Idee mit der Briu.

      Tags darauf ging die Kunde von Mund zu Mund. Eine Kunde, die alles Schauderbare überstieg. Und als die Neuigkeit bis auf den Mälzer-Hof rollte, musste Elsa die ganze Zeit an Andres Hinterthurs Worte denken.

      „Ist die Riegerin also unschuldig gestorben?“, fragte das Mädchen, als die Klatschtanten von dannen gezogen waren. Wenn man ihnen glauben wollte, war noch am selben Tag, als man die Margarete Rieger zu Tode brachte, der Priester Czeppil doch noch aufgetaucht, unpünktlich zwar, und auch nicht in guter Verfassung. Tot. Nicht etwa selig entschlafen in seinem Daunenbette, sondern eingeschlossen und elendiglich wie ein armer Sünder unter der Erde in einem alten, halb verfallenen Fluchtgang, der von der Kirche in die Wälder führte, krepiert. Erstickt? Konnte man vor Angst sterben?

      „Gottes Wille!“ Beim Sprechen zitterten die Zipfel der Hörnerhaube der Base. Der Einsiedler habe den Priester gefunden, hieß es weiter. Der Priester hatte den Bauer Rieger auf dem Gewissen, raunte man. Den Mord hatte demnach nicht die Riegerin begangen?

      „Also ist sie unschuldig verurteilt worden“, schlussfolgerte Elsa, weil es die Erwachsenen nicht taten.

      Ein Ersatz für die Pfarre fand sich so schnell nicht. Die Menschen fühlten sich von Gott im Stich gelassen. Ein gewisser Priester Simon Horn kam für die Predigt ins gottlose Dorf. Es kursierten zweierlei Ansichten: Die einen meinten, dass der Riegerin ein Unrecht angetan worden war, wofür jetzt die Gemeinde büßen sollte. Die andere besagte, dass allein die Hexenkunst der Riegerin den Priester Czeppil im wahrsten Sinne unter die Erde gebracht hatte.

      Letztere Meinung erhielt Zuspruch, als auf den fruchtbaren Lenz eine beschwerliche Hitze im Sommer folgte. Der Sonntagspfaff Simon Horn hatte keine tröstenden Worte und man schob die Dürre auf die Hexe, die den Pfarrer vor ihm ermordet haben soll. Der verwaiste Riegerhof im Norden der Parochie wurde zunächst gemieden, dann aber, eines Nachts, brannte er lichterloh. Gott sei Dank! Man war froh, als das Unglück bringende Gehöft weg war. Regen aber kam trotzdem keiner.

      Die Felder drohten zu vertrocknen. Gebete wurden lauter. Elsa musste hart anpacken, die goldgelbe Gerste mit Kübeln aus dem Schwarzbach bewässern.

      Auf dem Hinterthur-Hof wurden Leitungen aus Holz gelegt und ein Esel im Göpel um den Brunnen laufen gelassen, um stetig Wasser zu schöpfen. Das schütteten die Jungs in die Rinnen, die dann das Wasser direkt auf die Felder führten. Die Hinterthur-Mädchen, Johanna und Maria, spornten den Esel mit Streicheleien zwischen den Ohren und Löwenzahn an.

      Elsas Vater hatte weder Söhne noch Geld für Brunnen, Esel und Göpel. Nicht einmal genügend Löwenzahn wuchs auf der dürren Wiese vor dem Haus. Also mussten die beiden ältesten Mälzertöchter die Wasserkübel zum Feld schleppen. Jeden Abend sanken sie mit berstenden Rückenschmerzen, wunden Händen und Füßen auf das Lager.

      Elsas zunächst dankbare Erinnerung an Meister Hinterthur schlug um in jene abgrundtiefe Abneigung, die sie von ihren Eltern vorgelebt bekam. Ihre abendlichen Gebete waren weder von christlicher Nächstenliebe noch von Demut und Reue bestimmt. Sondern von Neid. So fügte sie heimlich jedem Gebet an, den Hinterthur sollte der Blitz treffen.

      Auf jede Dürre folgt ein Regen. Regen kam so viel, dass es den Leuten in der Parochie auch wieder nicht recht war. Ein heftiges Wetter im Spätsommer peitschte die Gerste und ließ den Fluss über seine Ufer treten. Jetzt mussten die Mälzertöchter die Wasserkübel aus dem Hause tragen. Das Strohdach war so marode, dass es dem Gotteszorn nicht standhalten konnte und mit einem heftigen Wuschsch einfach in

Скачать книгу