LebensLichtSpuren. Nanaja Meropis
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AUFWACHEN
Aufgewachsen bin ich in einem Beamtenhaus mit vielen Vorschriften, doch in mir keimte schon früh ein Freiheitswille, der jedoch bis zum Schulabschluss versteckt bleiben musste. Einem rohen Ei gleich, beginne ich eine kaufmännische Lehre im Binnenhafen, ich getraue mich nicht viel. Wie ein Schleier umfängt mich der Anpassungsdruck durch Vater und Großvater. Ich habe großes Glück, meinen Kollegen kennen zu lernen, in dessen Abteilung ich meine Lehrlingstätigkeit beginne. Er ist äußerst gebildet und ahnt wohl meinen Wissendurst jenseits des Beamtendenkens, denn er verstrickt mich immer mehr in Diskussionen über Moral, Kapitalismus, Demonstrationen, Naturzerstörung und über die Verantwortung, die nach seiner Ansicht jeder zu übernehmen habe, um die Gesellschaft demokratisch voranzubringen.
Er bezieht ein intellektuelles Politmagazin, liest mir im Büro oft Artikel vor und wir diskutieren eifrig über dieses und jenes, und ganz langsam erschließt sich mir ein neuer Horizont. Es ist wie ein Aufwachen. Vor allem im Winter haben wir ungeahnte kommunikative Freiräume, da der Binnenschiffsverkehr mit Baumaterialen weitgehend zum Erliegen kommt. Wenn ich meinem Kollegen nicht begegnet wäre, würde ich sicher immer noch verletzlich wie ein rohes Ei leben. Doch als mich später die Studentenrevolte erfasst, weiß ich, wer Pate gestanden hat.
AUF DEM SCHULHOF
Morgens vor Unterrichtsbeginn ist es üblich, aufgereiht im Schulhof zu stehen. Dann wird die Nationalhymne unseres Landes, welche gleichzeitig ein Lobgesang für den König ist, gesungen. Unsere Schulrektorin, eine kleine korpulente Frau Ende vierzig, geht mit düsterem Gesicht wie ein Monster über den Schulhof, sie verbreitet mit ihrem Erscheinen Angst und Unbehagen. Kein Lächeln, keine freundliche Begegnung kann man von ihr erwarten. Mit einem langen Stock läuft sie herum, damit wir ihre Sprache besser verstehen. Am Ende jeden Monats erinnert sie die Schülerinnen über einen Lautsprecher an die Schulden ihrer Eltern, die noch zu begleichen sind. In unserer Schule mit etwa 200 Schülerinnen, von welchen die meisten aus der Mittelschicht stammen, gibt es auch einige Mädchen aus ärmeren Verhältnissen. Um sie für die Schule anzumelden, müssen die Eltern hohe Gebühren zahlen. Es gab zum einen die Möglichkeit, zu Schuljahresbeginn die gesamte Summe zu begleichen oder diese in monatlichen Raten zu bezahlen.
Eines Tages soll nach der morgendlichen Zeremonie eine Mitschülerin, deren Vater als Hilfsarbeiter bei der Busgesellschaft in der Hauptstadt arbeitet, hervortreten. Wir stehen alle noch aufgereiht im Schulhof. Das zarte Mädchen, ärmlich gekleidet, geht mit gesenktem Kopf nach vorne. Die Schulleiterin nimmt ihren Stock und schlägt gnadenlos auf sie ein. Das Mädchen weint still und schaut auf dem Boden. Die Schulrektorin schlägt unaufhaltsam weiter, sie möchte das Mädchen vor uns erniedrigen. Das Mädchen steht hingegen tapfer da und trägt mit Würde die Last ihrer Armut auf den Schultern, für die sie ebenso wenig kann wie ihre Eltern. In unseren Augen verliert die Schulrektorin gerade ihre letzten menschlichen Züge.
FLUG ÜBER DAS TOR
„Komm, Papa, vielleicht funktioniert es, wenn wir uns gleichzeitig gegen das Tor stemmen … probieren wir es mit Anlauf!“ Gesagt, getan. Wir gingen ein paar Schritte zurück und warfen uns mit aller Wucht gegen das Tor. Doch es bewegte sich keinen Zentimeter. Der Schnee, den ein Schneepflug vor unserem Gartentor aufgeschüttet hatte und der sich nun als vereister Block außerhalb wie auch innerhalb des Gitters fast einen Meter hoch auftürmte, war einfach nicht zu überwinden.
„Ich glaube, wir müssen unverrichteter Dinge wieder heimfahren!“, meinte mein Vater resignierend. Dabei hatte ich mir diesen Winter-Ferientag so schön vorgestellt. Mein Vater wollte nachschauen, ob der strenge Winter im Garten oder am Haus Schäden angerichtet hatte, und ich freute mich auf ein paar schöne Stunden im Schnee, wobei ich einen Schneemann bauen wollte. Nach einem Augenblick der Verzweiflung hatte ich eine Idee: „Papa, du könntest mich über den Zaun werfen, und ich versuche dann von innen das Tor freizubekommen!“
Mein Vater zögerte kurz, vielleicht hatte er Angst, dass ich es von der anderen Seite auch nicht schaffen würde, aber dann willigte er ein, machte eine Räuberleiter und ich stieg von hier aus auf seine Schultern. So packte er mich und schubste mich mit Schwung über das Tor. Und ich genoss den freien Flug durch die Luft … und landete weich im unberührten Tiefschnee.
Mit den Händen in meinen warmen Winterfäustlingen buddelte ich den Schnee zur Seite. Zunächst ging das auch ganz leicht und machte mir durchaus auch Spaß. Dann aber geriet ich an die aufgeschüttete Eisschicht und musste immer und immer wieder kräftig gegen den harten Schnee treten, bis sich nach unzähligen Versuchen endlich etwas rührte. Mein Vater, der die ganze Zeit über von außen kräftig gegen das Tor drückte, hatte Erfolg, das Tor bewegte sich nun. Nach und nach schafften wir gemeinsam einen so großen Türspalt, dass auch mein Vater in den Garten eintreten konnte. Als dieser schöne, abenteuerliche Wintertag zu Ende ging, wollten wir meiner Mutter lieber nichts von meiner Gartentor-Flug-Bezwingung erzählen. Sie wunderte sich nämlich sehr über meine zerkratzten neuen Stiefel.
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