Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman. Jutta von Kampen

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Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman - Jutta von Kampen Mami Bestseller Staffel

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lächelte. Dann bremste er und wies auf ein Haus. »Hier, Angie! Das ist der Palast, in dem ich mich zur Ruhe setzen will.«

      Sie hatten vor einer alten Villa aus der Gründerzeit gehalten. Die dunklen Balken an der Vorderfront und die zwei kleinen Erker im ersten Stock gefielen ihr auf Anhieb. Weniger einladend wirkte der vor dem Eingang aufgetürmte Bauschutt. Als sie ausgestiegen waren und auf das Haus zugingen, mußten sie sogar über rostige Rohre und alte Wasserleitungen steigen.

      »Das wird in den nächsten Tagen weggeschafft«, erklärte Gerhard, stieß die Tür auf und rief laut: »Xenia, Wolfi! Tante Angie ist da!«

      Das Innere des Hauses machte den Eindruck einer Baustelle. Staub lag in der Luft, und es roch scharf nach Farbe und Chemikalien. Unwillkürlich japste Angie. Außerdem traten ihr Tränen in die Augen. Hubs begann auch gleich dramatisch zu röcheln. »Sag mal, Onkel Gerhard, bekommen Mami und ich hier eigentlich Gefahrenzulage? Wir hätten unsere Lungen extra gegen Giftstoffe versichern lassen sollen.«

      »Das Parkett ist versiegelt worden. Das wurde allerhöchste Zeit. Die Möbel stehen auf dem Lager. Sie sollen noch in dieser Woche aufgestellt werden.«

      »Hast du wenigstens Betten für uns?« fragte Angie erschrocken.

      »Luftmatratzen für die Jugendlichen. Aber du hast ein Bett, und Frieda auch.«

      »Ist Frieda die Haushälterin?«

      »Ja.«

      Oben ließ sich das Getrappel von Kinderfüßen vernehmen. Xenia und Wolfi polterten die Stufen der geschwungenen, in die untere Halle führenden Treppe hinunter, geradeswegs in Angies Arme, die daraufhin erst mal ihre Handtasche zu Boden fallen ließ.

      Sie küßte ihre Nichte und ihren kleinen Neffen und drückte sie an sich. Die Freude der Kinder war so echt, daß sie alle Bedenken sofort vergaß und sich vornahm, ihnen die Mutter so gut wie möglich zu ersetzen, selbst, wenn sie auf einem Sessel nächtigen oder unter Wolken chemischer Schwaden Ruhe finden mußte.

      »Sie sehen verwahrlost aus, aber das kriegst du schon wieder hin, Angie«, meinte Gerhard. »Nächste Woche wird die Heißwassertherme angeschlossen. Bis dahin müßt ihr Wasser in der Küche heißmachen.«

      Angie sah sich um. »Wo ist die Küche?« Als verantwortungsbewußte Kinderpflegerin und Ersatzmutter erschien ihr diese Frage am dringlichsten.

      »Unten. Im Souterrain. Wie bei feinen Leuten.«

      »Ach jemineh!«

      Xenia hatte blonde, kurz geschnittene Haare und sah ihrem Vater mit den leuchtendblauen Augen sehr ähnlich. Wolfi, der sechsjährige Bub mit den melancholischen dunklen Augen und dem kastanienbraunen Haarschopf, glich seiner schönen Mutter. Hubs betrachtete die kleine Verwandtschaft skeptisch. Was sollte er mit denen anfangen?

      »Wir haben eine Sandkiste, Hubs«, berichtete Wolfi auch gleich. »Und oben auf dem Speicher ist unser Spielzeug. Wir haben auch ein Kasperletheater. Aber das ist noch nicht ausgepackt.«

      »Hm, hm«, brummte Hubs. Das konnte ja schön werden. Er, der von

      einer eigenen Transportfirma träumte, wurde hier zu Sandkastenspielen

      und Kasperle-Schaustücken verurteilt. »Habt ihr auch einen Schreibtisch? Ich muß nämlich arbeiten.«

      Gerhard hob die Augenbrauen und schüttelte den Kopf.

      »Laß diese Nebensächlichkeiten, Hubs. Komm, hilf mir das Gepäck ausladen. Ich habe es eilig. In drei Stunden geht meine Maschine.«

      Angie hatte ihre Hände auf Xenias und Wolfis Schultern gelegt. »Welche Maschine?« fragte sie verständnislos.

      »Die nach Frankfurt.«

      »Du fliegst fort?«

      »Natürlich. Deshalb solltest du doch kommen.«

      »Und wie lange bleibst du weg?«

      »Das weiß ich noch nicht. Ein oder zwei Wochen.«

      Angie ließ die Kinder los und trat einen Schritt vor.

      »Du, Gerhard«, sagte sie streng. »Ich habe dir früher oft genug die Kastanien aus dem Feuer geholt. Was du mir aber jetzt zumutest, das überschreitet die Grenzen familiärer Zumutbarkeit.«

      Gerhard lächelte. Plötzlich entfaltete er den ganzen Charme eines verwöhnten kleinen Bruders.

      »Du mußt hier keine Kastanien aus dem Feuer holen, Angie. Wir bekommen eine Ölheizung.«

      »Was heißt bekommen?« erkundigte sie sich mit ersterbender Stimme. »Gibt es hier etwa noch keine Heizung?«

      »Nein, erst nächste Woche. Vorausgesetzt, die Handwerker halten Wort. Du mußt eben ordentlich dahinter her sein.«

      *

      Am nächsten Tag schien die Sonne. Das war ein Glück, denn die ersten Stunden der Nacht hatte Angie sich schlaflos hin und her gewälzt und überlegt, ob sie nicht wieder wegfahren sollte.

      Jetzt stand sie oben in einem der völlig leeren, aber sehr hübschen Erkerzimmer und sah hinunter in den Garten. Dort spielte ihr großer Sohn tatsächlich mit den beiden Rangen ihres Bruders fangen, hangelte sich von einem Obstbaum zum anderen, bückte sich, um an den Blumen der reichlich verwilderten Beete zu riechen, breitete die Arme aus und wollte den See an seine Brust drücken. Angie atmete auf. Hubs war – selbst wenn er es nicht zugeben würde – glücklich. Und dieses stille Glück auf dem Land würde ihn vielleicht auch zum Arbeiten anregen. Denn bevor ihr Bruder am gestrigen Abend die Fahnenflucht angetreten hatte, war ihm noch eine Bemerkung entschlüpft, der Hubs ohne weiteres entnehmen konnte, daß er, falls er sich hier nützlich machte, immer in den Ferien wiederkommen könnte.

      »Frau Winkler?«

      Frieda war in die offene Tür getreten. Sie war eine etwas pummelige Frau von Mitte Dreißig mit hochaufgetürmter, altmodischer Frisur und einem leichten Silberblick. Aber Angie hatte schnell begriffen, daß sie sich mit der Haushälterin gut verstehen könnte, falls, und das war die zweite Erkenntnis an diesem Morgen – Frieda überhaupt verstand, was sie von ihr wollte.

      »Ja, Frieda?«

      »Ich geh’ man jetzt einkaufen, Frau Winkler. Die Malersleut’ brauchen Bier.«

      Angie nickte. Dann stapfte sie über die Plastikfolie, mit der dieser Raum ausgelegt war, und ging hinüber in das zweite Erkerzimmer. Hier war ihr kleines Reich. Es gab noch keine Gardinen an den Fenstern, und das gesamte Mobiliar bestand aus einem Bett und einem Schemel, der ihr als Nachttisch, Stuhl und Schrankersatz dienen mußte. Von diesem Schemel nahm sie ihre Handtasche. Gerhard hatte ihr gestern genügend Haushaltsgeld und sogar einige Schecks übergeben. Sie zückte ihre Börse. Als sie sie öffnen wollte, fiel ihr etwas ein.

      »Frieda, ich werde einkaufen gehen. Ich werde mir ein Taxi nehmen und es mit den Lebensmitteln und Getränken für die nächste Woche volladen. Dann habe ich gleich eine Übersicht. Wie steht es mit der Tiefkühltruhe und dem Kühlschrank unten im Souterrain?«

      »Ja«, sagte Frieda und richtete ihren freundlichen Silberblick in stummer Ergebenheit auf die Schwester des Hausherrn.

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