Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela Reutling
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Читать онлайн книгу Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling страница 33
»Jetzt hören Sie auf!« Sie unterbrach ihn entrüstet. »Sagen Sie besser nichts mehr, ich könnte sonst sehr ärgerlich werden. Was ist denn der ganze Rummel, der um mich gemacht wird, gemessen an der Zuneigung, die mir die Kinder entgegenbringen? Die Menschen, die um mich herumtanzen, als wäre ich ein goldenes Kalb, die meinen doch nicht mich, den Menschen Marie-Luise. Sie meinen das Äußere. Wirklich, Max, wir sollten uns einmal in Ruhe darüber unterhalten. Sie haben eine völlig verdrehten Meinung von mir. Außerdem denken sehr viel Schauspieler genau wie ich. Der Rummel gehört dazu, das Aufsehen ist oft nicht angenehm, aber das ist die Kehrseite des Ruhms. Man muß sich das Privatleben stehlen, ohne die Menschen zu verärgern. Ich liebe meinen Beruf, ich habe schwer für meinen Erfolg gearbeitet. Glauben Sie nicht, daß er mir in den Schoß gefallen ist.«
Sie hatte den Schmutzfleck noch immer auf der Wange, in ihren Haaren spielte der Wind und warf eine Strähne über ihre Stirn. Max hatte sie ihn genannt. Sie hatte sich einfach über die Förmlichkeit hinweggesetzt. Er empfand diese Geste wie ein kostbares Geschenk.
»Sie sollten sich das Stück im Theater ansehen.« Ihr Lächeln machte seine Knie weich. »Wenn Sie wollen, lasse ich eine Karte an der Kasse für Sie hinterlegen. Sie müssen mir nur Nachricht geben, wann. Das Stück steht noch eine Weile auf dem Spielplan.«
Er hatte seine Kinder vergessen, er begriff nicht einmal mehr, warum er sich die ganze Nacht und viele Stunden am Tag herumgequält hatte.
»Warum nicht gleich heute abend?«
Sie musterte ihn mit freundschaftlicher Gründlichkeit. »Sind Sie denn nicht zu müde? Sie hocken immerhin drei Stunden auf dem Stuhl, von den Pausen abgesehen.«
»Nein. Ich habe ja noch Zeit, mich auszuruhen. Darf ich Sie anschließend zu einem Glas Wein einladen? Ich habe vieles gutzumachen, außerdem steht Ihnen ein Finderlohn zu. Sie haben mir immerhin meine Brieftasche zurückgebracht.«
Ihr spitzbübisches Lächeln bezauberte ihn. Welch eine Wandlungskraft dieses Gesicht besaß! Jetzt sah sie aus, als wollte sie in übermütiges Lachen ausbrechen.
»Wenn die Einladung sich nur auf ein Glas Wein beschränkt, muß ich leider ablehnen. Nach der Vorstellung habe ich immer einen Bärenhunger. Ich leide nämlich unter Lampenfieber. Schrecklich ist das, aber ich kann mir das Bibbern nicht abgewöhnen, es überfällt mich spätestens zwei Stunden vor der Vorstellung. Ich kann machen was ich will, es stellt sich regelmäßig ein. Aber wenn der letzte Vorhang fällt, knurrt mein Magen, und ich verdrücke mich, so schnell ich kann.«
»Wunderbar. Ich spendiere ein üppiges Essen. Nur kenn’ ich mich in dieser Stadt noch nicht aus, Sie müßten schon bestimmen, wohin wir fahren könnten.«
»Ich bestelle uns einen Tisch.« Sie setzte sich anmutig hinter das Lenkrad und lächelte zu ihm hinauf.
»Ich freue mich auf heute abend.« Plötzlich glitt Erschrecken über ihr Gesicht.
»Aber Sie können doch die Kinder nicht allein lassen. Das geht unmöglich.«
Sie sorgte sich um seine Zwillinge. Sie spielte das nicht nur, so viel Menschenkenntnis besaß er. Das Lächeln vertiefte den Glanz in seinen Augen.
»Ich werde Trude bitten, bei ihnen zu bleiben. Ich habe die beiden noch nie allein gelassen. Was denken Sie denn von mir?«
»Wunderbar. Da bin ich beruhigt. Ich gebe Ihnen aber meine Telefonnummer. Wenn etwas dazwischen kommt, rufen Sie mich an. Ansonsten sehen wir uns nach der Vorstellung. Ich fahre mit dem Taxi ins Theater, dann können wir später in Ihrem Wagen fahren. Einverstanden?«
»Ich bin es gar nicht gewohnt, mich mit einem weiblichen Wesen zu verabreden, schon gar nicht mit einer Dame, die berühmt und bezaubernd ist.«
»Das ist ein sehr hübsches Kompliment.« Sie blinzelte schelmisch. »Für einen Anfänger machen Sie das schon sehr gut. Aber jetzt muß ich sausen. Bis später, Max.«
Sie winkte noch den Kindern zu, die wie festgewachsen auf dem Weg standen. Offensichtlich hatten sie ihre Augen nicht abgewandt.
Max Gilberg stand da und sah ihr nach, auch er hob die Hand und winkte so lange, bis der Wagen hinter der Biegung verschwunden war.
»Ihr habt euch doch nicht gezankt, Papa?« Doris schob sich ängstlich an seine Seite, während Thomas seinen Vater argwöhnisch betrachtete. »Marie-Luise ist nämlich in Ordnung, Papa. Sie ist nicht so wie Tante Pat, das kannst du glauben. Wenn Tante Pat mit uns spielt, dann merkt man genau, daß sie eigentlich gar keine Lust dazu hat.«
»Ich gehe heute abend ins Theater, ich möchte sie gern auf der Bühne sehen. Wir müssen Trude fragen, ob sie bei euch bleibt. Marie-Luise würde mir den Kopf abreißen, wenn ich euch allein ließe.«
Sie gingen langsam zum Haus zurück. Max’ Müdigkeit war verflogen, er verspürte erwartungsvolle Freude, er schlenkerte die Aktentasche wie ein Schuljunge und lachte auf seine Kinder hinunter.
»Nimm uns mit, Papa«, bettelten die beiden.
»Ausgeschlossen. Am Abend haben Kinder in einem Theater nichts zu suchen. Aber ich verspreche euch, ich werde nachmittags einmal mit euch gehen.«
»Du hast so wenig Zeit, Papa, das können wir auch mit Marie-Luise machen.« Sein Sohn war wirklich sehr rücksichtsvoll! »Du kannst uns ruhig allein lassen, wir sind doch keine Babys mehr. Außerdem ist Dagobert da. Wenn ein Einbrecher kommt, reißt der ihn in Stücke.«
*
Das Restaurant, das Marie-Luise ausgesucht hatte, war genau nach Max Gilbergs Geschmack. Es besaß nichts Hochgestochenes, war ein wenig ländlich, hatte aber das gewisse Etwas, das Max so liebte. Das Beste allerdings war, daß niemand Notiz von der jungen Dame an Max’ Seite nahm.
Der Ober brachte sie zu ihrem Tisch und legte schon die Speisekarte vor sie hin. »Er weiß, wie hungrig ich abends bin«, lachte Marie-Luise vergnügt. Sie hatte den Ober wie einen alten Bekannten begrüßt. Auch das mochte er an ihr, Snobismus schien für sie ein fremder Begriff zu sein.
»Ich warne Sie, Max«, über den Tisch hinweg lachte sie ihn spitzbübisch an, »mein Essen wird ein gehöriges Loch in ihre Geldbörse reißen.«
»Ich werde es überstehen, mehr noch, es wird mir Vergnügen machen, von Ihnen ruiniert zu werden.«
Wann war er je so albern und schlagfertig gewesen? In den letzten Monaten hatte er sich zum Einsiedler entwickelt und fühlte sich schrecklich schwerfällig. Aber mit Marie-Luise zu reden war ganz leicht. Er wollte auch nicht daran denken, wie oft sie schon mit einem ihrer vielen Verehrer hier gegessen haben mochte.
Er wollte gar nichts denken, er wollte nur einfach den Abend genießen.
Der Ober brachte den Wein, Max kostete ihn und nickte dem Mann beeindruckt zu. »Ein wirklich guter Tropfen. Schade, daß ich meinen Wagen bei mir habe.«
Im Theater hatte er sich den Kopf zerbrochen, welche Worte er für ihr hervorragendes Spiel finden mußte. Aber auch das war leicht, er redete mit ihr, als kenne er sie schon eine Ewigkeit. Sie sprachen ernsthaft über das Stück, er sagte ihr auch, was ihm nicht daran gefallen hatte. Sie nickte lebhaft.
»Ich bin beeindruckt von Ihrer guten Beobachtungsgabe, Max. Genau das empfinde ich auch, aber der Regisseur ist anderer Meinung. Ich meine auch, daß der Zwiespalt der Frau besser