Mami Staffel 9 – Familienroman. Stephanie von Deyen
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Katja entdeckte, daß einige ihrer Reisegäste die Stierkampfarena verließen. »Ich muß leider gehen«, verabschiedete sie sich rasch. »Wir besichtigen jetzt noch die Altstadt.«
»Darf ich mich anschließen?«
»Warum nicht.« Katja verbarg ihre Freude über Mikes Entschluß. Sie fand den jungen Landsmann außerordentlich sympathisch.
Auf der Brücke, die über die Felsenschlucht führt, blieb Katja wenig später stehen. Wie Schwalbennester klebten die schmalen Häuser zu beiden Seiten aneinander. So, als wollten sie sich gegenseitig vor dem Absturz bewahren.
»Hier könnte Bizets Oper Carmen Gestalt angenommen haben«, erläuterte Katja ihren diesmal aufmerksamen Zuhörern. »Diese Häuser mit ihren vergitterten Fenstern, den kleinen, schmiedeeisernen Balkonen und den windschiefen Dächern haben außerdem zahlreiche Maler begeistert. Wir gehen jetzt weiter zur Kirche, die aus dem siebzehnten Jahrhundert stammt und wo sich einige bemerkenswerte Marienstatuen befinden.«
Mike lief in einigem Abstand hinter der Reisegruppe her und ließ Katja nicht aus den Augen. Er fand es großartig, wie natürlich sie sich gab und wie informativ ihre Erklärungen waren. Wirklich, ein Mädchen mit Pfiff. Wie alt mochte sie sein? In Jeans und Karobluse sah sie aus wie eine Oberstufenschülerin. Doch nachdem sie demnächst ihr Studium in Kunstgeschichte abschließen würde, mußte sie älter sein, mindestens fünfundzwanzig.
Katja bewegte sich mit natürlicher Anmut, als wäre ihr nicht bewußt, daß sie beobachtet wurde. Dabei spürte sie es ganz genau, und es war ihr nicht unangenehm. Der Landsmann, den sie am Flughafen kennengelernt und nun durch Zufall wieder getroffen hatte, gefiel ihr.
Während die Gruppe wenig später durch das alte, reich verzierte Kirchenschiff ging, hatte Mike keinen Blick für die Kunstwerke der Meister aus vergangener Zeit. Er betrachtete Katja und fand sie von Minute zu Minute hübscher. Das kurzgeschnittene braune Haar, das locker um ihren hübschen Kopf lag, hatte die gleiche Farbe wie die Augen, in denen sich Offenheit und Frohsinn spiegelten. Da war nichts von dem herausfordernden, oft boshaft wirkenden Glitzern zu entdecken, das er so häufig in Maurenas Blick sah.
Katja, die Studentin, die sich ihren Lebensunterhalt selbst verdiente und auch stolz darauf war, imponierte Mike sehr. Warum war Maurena nicht so? Was für Fähigkeiten hatte sie überhaupt? Sie verstand es zu repräsentieren, aber sie wirkte dabei meistens zickig und überheblich.
Vor einem Altar im Seitenschiff wurde eine Andacht gehalten. Zwei Ministranten schwenkten silberne Gefäße mit Weihrauch. Als die Reisegruppe in die Nähe kam, bekam die Dame, die an Asthma litt, einen Erstickungsanfall. Katja blieb ruhig und handelte souverän. Sie führte die Frau durch den nächsten Ausgang ins Freie, nahm ihren Spray aus der Handtasche und steckte ihr das Mundstück zwischen die Lippen. »Tief einatmen«, sagte sie freundlich.
Es ging der Bedauernswerten rasch wieder besser. Wenigstens schnappte sie wieder selbständig nach Luft. Katja verschaffte ihr zusätzliche Erleichterung durch gezieltes Klopfen auf den Rücken zwischen den Schulterblättern.
Die Reisegruppe, auch Mike, hielt sich in respektvollem Anstand. Aber es gab niemand, der die junge Reiseleiterin nicht bewundert hätte. Mike tat es vermutlich am meisten.
*
Am Nachmittag betrat er das Polizeirevier in Malaga. José Rosario, der auch an diesem Tag Dienst tat, erkannte ihn sofort.
»Olé, ich hab’ ja gewußt, daß das schlechte Gewissen Sie nicht zur Ruhe kommen läßt«, rief er in spanischer Sprache.
Mike konnte diese Äußerung zwar nicht verstehen, wußte aber doch, was gemeint war. »Wenn Sie immer noch glauben, daß ich der Vater der kleinen Emely bin, sind Sie falsch verbunden. Ich habe nichts mit der Kleinen zu tun. Es hat sich seit gestern gar nichts verändert.«
Merkwürdigerweise verstanden sich die beiden plötzlich ohne Dolmetscherin. José stemmte sich von seinem Schreibtischstuhl hoch, kam zur Absperrung und trat dicht heran, um Mike prüfend in die Augen zu sehen.
»Okay, was also führt Sie
her?«
Mike zuckte ein bißchen verlegen die Achseln. »Man ist schließlich kein Unmensch. Ich wollte fragen, wie es der Kleinen geht.«
»Woher soll ich das wissen?« brauste José auf. »Die Polizei hat andere Aufgaben. Da müssen Sie schon im Kinderheim Santa Monica nachfragen.«
»Und wo ist das?« Um die Adresse zu erfahren, war Mike gekommen.
»Gar nicht weit von hier. Plaza Cueva.«
»Mitten in der Stadt?«
»Warum nicht? Solche Heime sind ohnehin zu teuer, deshalb bringt man sie in alten leerstehenden Häusern unter.«
»Bei uns sind sie gewöhnlich außerhalb mit Garten drumherum und viel Natur.«
»Den Luxus können wir uns nicht leisten. Überhaupt geht es bei uns sparsamer zu als in Germany. Gibt es noch etwas? Ich muß weiterarbeiten, Señor. Mein Kollege ist auf Streife, und ich habe hier am Schreibtisch viel zu tun.«
»Haben Sie Emelys Mutter schon gefunden?«
José hob die kräftigen Arme und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Madonna! Diese Frage mußte ja kommen. Wie sollen wir sie denn finden? Wir haben kein Foto, wir wissen weder ihren Vor- noch ihren Nachnamen. Einziger Anhaltspunkt ist, daß sie deutsch gesprochen hat. Aber vermutlich kann sie auch spanisch und bestimmt nicht schlecht. Sie hat sich gestern am Flughafen aufgehalten. Wie viele Frauen haben das getan? Mindestens tausend. Und wo sind sie jetzt? Verstreut über ganz Andalusien! Vielleicht ist die Señora auch mit dem nächsten Flugzeug nach Deutschland gestartet. Woher soll die Polizei das wissen? Wir sind auch nur Menschen. Und wenn es Streit gibt zwischen einem Paar, das nicht zusammenpaßt und das die Verantwortung für das gemeinsame Kind nicht mehr tragen will, sollen wir suchen helfen. Warum tun Sie das nicht selbst? Sie kennen doch die Gewohnheiten Ihrer Partnerin besser.«
Mike hatte längst nicht alles verstanden. Aber er hörte sehr wohl heraus, daß José ihn nach wie vor für Emelys Vater hielt, und daß man der Meinung war, daß er die ganze Geschichte nur erfunden hatte, um das Kind nicht übernehmen zu müssen.
»Wenn Sie mir glauben würden, wären wir sicher schon ein Stück weiter«, antwortete Mike verärgert.
»Die Polizei muß sich an Tatsachen halten, Señor. Was glauben Sie, wieviel Lügen wir täglich erzählt bekommen. Da wird man mißtrauisch.«
»Schon gut. Adiós!« Mike hob grüßend die Hand. Niedergeschlagen verließ er das Polizeirevier. Wenn man ihm hier schon nicht glaubte, wie sollte es dann Maurena tun.
*
Für Katja war es ein anstrengender Arbeitstag gewesen. Nach Ronda war der Reisebus weiter ins Gebirge, in die Ausläufer der Sierra Nevada gefahren. Die wunderbare Bergwelt hatte die Rundreise-Teilnehmer beeindruckt. Noch mehr tat es die Einkehr im höchstgelegenen Dorf Spaniens, wo man sich mit luftgetrocknetem Schinken, Bergkäse und Landwein stärkte. Manche von Katjas Gästen sprachen den delikaten Genüssen etwas zuviel zu. Bei der Rückfahrt über kurvenreiche Bergstraßen wurde es einigen schlecht. Mehrere Stops mußten eingelegt werden, und wieder war Katjas Hilfe gefragt.
Die