Griechische Kulturgeschichte, Band 3. Jacob Burckhardt

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Griechische Kulturgeschichte, Band 3 - Jacob Burckhardt

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vollbracht hatte. Die Sehnsucht nach dem lebendig Bewegten regte sich schon frühe; für sie zeugen die goldenen und silbernen Hunde des Hephästos vor dem Palaste des Alkinoos30 und der den Schild des Herakles umschwebende Perseus bei Hesiod31. Aber die Gestalten der Götter waren im poetischen und populären Bewußtsein schon zur höchsten Phantasieschönheit durchgebildet, ehe die Kunst an ihre Arbeit ging32. Das Stammeln blieb ihr in dieser Beziehung gänzlich erspart. Und nun gab diese Poesie zugleich auch das Beispiel einer hohen Gesetzmäßigkeit, eines Stils. Der Betrieb des Epos allein schon, wie er vor und seit Homer sich darstellte, war eine Schule für die Kunst: schon hier konnte sie lernen, daß man nicht von einer Gattungsform abzugehen habe, bevor derselben alles mögliche Leben abgewonnen sei. Und schon existierte die ältere Chorlyrik und lehrte ebendasselbe.

      Theologie und Priestertum haben nichts zur Kunst zu sagen gehabt, deshalb, weil sie (im Sinne der orientalischen Nationen) nicht vorhanden waren. Was aber der Tempel resp. die Polis wesentlich zum Gedeihen der Kunst beitrug, war der monumentale Wille. Es waren höchste Aufgaben richtig gestellt, das Materielle ernst und kostbar, der Aufwand für Zeit und Ort groß, soweit wir überhaupt schließen können.

      Die hieratische Einwirkung beschränkte sich offenbar darauf, daß erstens jeder Tempel nichts Geringeres, Unbelebteres haben wollte als der andere und somit ein Wetteifer bestand, durch den eine rasche Ausgleichung innerhalb der einzelnen Gegenden der griechischen Nationalität bewirkt wurde, – daß aber ferner auch jeder Tempel an demjenigen Grade ernster Göttlichkeit seiner Bildwerke festhalten wollte, der anderswo erreicht war, wodurch doch ein heilsames Retardieren in die Kunstentwicklung kam. War dann die Gottheit in irgendeiner Auffassung mit Eifer und Glanz verehrt worden, so ging man gewiß nicht gerne zu rasch davon ab. Auch hier also geschah die Entwicklung im Sinne der Sophrosyne. Aber von einer Knechtschaft unter einem Tempelstil, wie bei den orientalischen Völkern, die einer völlig vorschriftlichen Kunst anheimgefallen waren, war, wie gesagt, gewiß keine Rede, wenigstens seitdem die Kunst das Xoanon verlassen hatte.

      Gewiß aber hat bei den Griechen die Kunst schon sehr frühe unabhängig von den Forderungen der Religion und der Prachtliebe der Mächtigen um des bloßen Gefallens willen geschaffen. Sie entsprach dem enormen quantitativen Kunstbedürfnis der Nation, dem Verbildlichungsbedürfnis, das wir von den frühesten erhaltenen Vasen bis auf die anathematischen Gruppen der Blüte und Nachblüte verfolgen und bis zum pergamenischen Fries, wo die Skulptur eigentlich die Architektur völlig überwältigt.

      Und nun können wir noch eine allerstärkste äußerliche Triebkraft benennen: es ist dies die Anwendung des Wettkampfes (Agon) auf die Kunst. Dieser äußert sich als Wetteifer der Aristokratien, Tyrannien, reichen Kolonien, das Schönste oder Prachtvollste bei sich daheim zu besitzen; als Wetteifer der Staaten und einzelnen, an die panhellenischen Weihestätten womöglich das Herrlichste zu stiften; als Agon von Tempel gegen Tempel, wovon soeben die Rede war, und in den wahrhaft agonalen Arbeiten der Künstler nebeneinander, wenn auch nicht (wie z.B. im Drama geschah) in Konkurrenz33 und ohne daß dabei eine Überhetzung, ein Treibjagen auf lauter neue Auffassung stattgehabt hätte. Und dazu kommt noch als eine Hauptsache, daß die Kunst schon von Anbeginn das Gymnastisch-Agonale, von dem so vieles zu lernen war, in vollem Schwunge antraf, es studieren und von da aus Götter und Menschen darstellen konnte.

      Allein der gewaltige innere Bildtrieb, der allen Geist in Formen auszudrücken gezwungen ist und der die griechische Kunst beseelt vom Chryselephantinbild bis zur kleinsten Tonfigurine und Antefixe, bleibt uns hier wie für alle großen Kunstzeiten ein Mysterium. Er trat auf, als das Epos ungefähr sein Tagewerk getan hatte.

II. Die Kunstgattungen

      1. Die Skulptur

      Für die Skulptur stellt sich vor allem als Fördernis im Vergleich mit den Heiligtümern anderer Nationen und Religionen der griechische Tempel in seiner Eigenschaft als Haus und Träger der Bilderwelt ein34. Das schönste denkbare Zusammenwirken von Architektur und Skulptur zeigen die Giebelgruppen. Gern wüßten wir, wie lange am Tempelgiebel Malerei und Relief mit der Freiskulptur konkurriert haben. Als diese siegreich war und als erlauchtes Thema den Hauptmythus des betreffenden Heiligtums darstellen durfte, da schuf sie im Ägineten-, im Parthenongiebel usw. jene Wunderwerke der Komposition und der Lichtwirkung, in denen sie die beiden Hälften in schön aufgehobener Symmetrie sich das Gleichgewicht halten und, unter sich gleichwertig, nach einem herrschenden Mittelpunkt ansteigen ließ. Und dazu kamen, als Teile der Tempelarchitektur, noch der äußere und der innere Fries, die der Grieche nach ihrem plastischen Bilderschmuck Figurenträger (zoporoi) nannte, es kamen dazu die Metopen und die Akroterien, die, wenn bei den Griechen auch noch maßvoll gehalten, doch mit Palmetten, Greifen und andern Göttertieren, Niken oder Moiren ausgestattet sind.

      Die Vorhalle und die übrigen Hallen waren mit Anathemen im weitesten Sinne oft ganz angefüllt, von der Freigruppe bis zur bloßen erbeuteten Waffe, besonders dem Schilde. Hier standen Statuen der Tempelgottheit selbst, ihrer Nebengottheiten, ihrer Priester und Priesterinnen, auch der Stifter und der Heroen des Ortes, außerdem aber auch Throne, Klinen, Leuchter, Tische, Dreifüße, Altäre, Urkundenstelen und Andenken aller Art.

      Auch im Innern, dem durch eine Dachöffnung wird haben Licht zugeführt werden können, da die Öffnung der Tempelpforten für die Beleuchtung nicht würde genügt haben, befand sich eine Menge von Anathemen. Es waren Statuen der mitwohnenden Götter (teoi synnaoi), bisweilen der ganzen mythischen oder allegorischen Verwandtschaft der Tempelgottheit, die gemeinsam oder allmählich hingestiftet waren, besonders aber solche dieser Tempelgottheit selbst aus verschiedenen Zeiten, vom Xoanon abwärts, und unter ihren verschiedenen Beinamen (epiklhseis)35, wodurch die Kunst den Vorteil hatte, eine und dieselbe Göttergestalt in verschiedenen Auffassungen darstellen zu können; auch Bildnisstatuen fehlten nicht. Die Hauptsache aber war das Tempelbild, das sich auf einem gleichfalls oft reich geschmückten Piedestal (batron), meist frei umgehbar und nur selten an die Tempelwand angelehnt, erhob. Diese freie und isolierte Aufstellung des Hauptbildes, das man weder durch eine Nische mit der Architektur des Tempel in Verbindung brachte, noch als Relief aus derselben hervortreten ließ, ist für die Entwicklung der griechischen Kunst von hohem Wert. Mit ihr gehörte die Hauptaufgabe der Freiskulptur. Man halte damit zusammen, wie die ägyptische Skulptur wesentlich am Bau klebt; selbst wo die Statuen getrennt von Wänden und Pfeilern sitzen, fühlt man doch, daß sie noch dazu gehören, und ohnehin ist ihre Stellung noch so, daß sie wie Bauteile wirken. Auch die christliche Freiskulptur hat sich mühsam vom Altarschrein und von den Bauteilen (Portalen usw.) losarbeiten müssen. Bei den Griechen dagegen ist die Verbindung der Skulptur mit dem Bau, auch wo sie vorkommt, eine gutwillige. Mehrmals ist das Kultbild von zwei begleitenden Gottheiten umgeben – besonders Praxiteles liebte die Trinitäten, – so daß Demeter mit Kore und Iakchos, Apoll mit Artemis und Leto, Zeus mit Hera und Athene, Athene mit Asklepios und Hygieia dargestellt war36 – zu geschweigen der in kleinem Maßstab beigegebenen Figuren des Bildhauers, der Tempeldienerinnen, siegreicher Feldherren usw. zu Füßen des Hauptbildes, was alles natürlich je nach Größe und Stoff des Bildes sehr verschieden war.

      In der Umgebung des Tempels standen im Freien der oft sehr reich mit Reliefs geschmückte Brandopferaltar und die übrigen Altäre, und überhaupt war der ganze Tempelhof (peribolos) mit seinen Propyläen, Stoen, Nebengebäuden, Nebentempeln verwandter Gottheiten und der Tempelgottheit mit speziellen Beinamen37 eine Stätte für weitere Kunstwerke aller Art. Hier waren Gemäldehallen, sog. Leschen – auch in den Tempeln befanden sich übrigens hingestiftete Tafelbilder –, mythische Gräber, Statuen – selbst reihen-und alleenweise – von Göttern, Heroen, Helden, Staatsmännern, berühmten Frauen, Wettsiegern, auch Tierbilder und Gruppen auf Lang- oder Halbkreispiedestal, dies alles im Maßstab gleichfalls sehr verschieden, und dann etwa noch ein Koloß der Tempelgottheit, wie die Promachos der athenischen Akropolis, – und dazwischen sah man heilige Pflanzen, Quellen und Tempeltiere, die sich

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