Griechische Kulturgeschichte, Band 3. Jacob Burckhardt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Griechische Kulturgeschichte, Band 3 - Jacob Burckhardt страница 8

Griechische Kulturgeschichte, Band 3 - Jacob Burckhardt

Скачать книгу

erreicht. In der ganzen Kunstgeschichte gibt es keine Porträtstatue wie der lateranensische Sophokles. Prächtigere Statuen wird man aussinnen können, aber etwas von diesem vollendenten Einklange kommt nicht mehr vor.

      Nur mit einem Worte möge schließlich hier auch der Genrefiguren, der Kinder usw. und der Tierbildungen Erwähnung getan werden, welche für sich wieder eine neue Welt der künstlerischen Darstellung ausmachen.

      Und nun die plastische Darstellung des Vielen, die Komposition. Auch hier ist der Orient vorangegangen; aber Ägypten und Assur fehlt der Mythus und seine schöne Vielgestaltigkeit; stattdessen finden wir an Wänden, Pfeilern und selbst Säulen lauter Königschronik und Ritualien, d.h. es herrscht lauter Erzählen müssen, die Künstler sind an sachliche Vollständigkeit und ewige Wiederholung gebunden, und das Relief, das seinem Stil nach eigentlich ganz Teppich ist, fließt mit der Architektur zusammen und läuft wie eine Schrift oder wie ein Ornament darüber hin.

      Den Griechen dagegen kommt hier, wie bei den einzelnen Gestalten, vor allem die große Vorarbeit zugute, welche die Poesie erledigt hatte. Daß bei den dargestellten Kämpfen nicht gottgleiche Sieger gegen Gestalten der Nacht streiten, sondern daß die Kämpfer, wer sie auch sein mögen, der Kunst als gleichberechtigt gelten, daß es hier ein pro und contra gibt, hat seinen Vorgang in der homerischen Schilderung. Wenn wir z.B. in der Ilias (IV, 457 ff.) lesen63, wie Achäer A den Troer B tötet, Achäer C die Leiche an sich reißen will, um sie zu plündern, Troer D sich an dessen Hüfte, wie er sich bückt, eine ungeschützte Stelle ersieht und ihn durchbohrt und endlich ein mächtiger Kampf um die Gruppe entsteht, so erweckt dies beinahe den Anschein, als hätte der Dichter bezweckt, der späteren Kunst64 eines des Sujets, die wir an ihr gewohnt sind, zu überliefern; werden doch auch bei ihr Hellenen und Troer, Lapithen und Kentauren, Helden und Amazonen, Götter und Giganten mit derselben Liebe dargestellt. Und nun hat die Kunst für diese Darstellungen auch Formen geschaffen, wie sie der Orient nicht kannte. Bestand schon frühe zwischen den figurenreichen Kampfesdarstellungen und dem fortlaufenden Relief (und schon dem bloß gemalten Friese) ein höchst segensreiches Verhältnis, so entwickelte sich nun das Relief auf allen seinen Stufen, bis zum Kampf aller Kämpfe, dem zwischen Göttern und Giganten auf dem Altare zu Pergamum; vor allem aber entstand, wovon der Orient keine Ahnung hatte, die Giebelgruppe und die Freigruppe aus mehreren Figuren (Farnesischer Stier, Laokoon usw.). Und dabei fühlte man sich von jedem ritualen Zwange frei und gestattete sich ruhig, etwa auch bloß andeutungsweise zu verfahren, indem man z.B. neben den Niobiden Apoll und Artemis wegließ, weil der Zuschauer sie ja von selbst schon ergänzte.

      Und der Darstellungstrieb beschränkte sich nicht auf die Kampfszenen. Auch aus Homer ließen sich Darstellungen aus dem zartern Gebiete entnehmen; denken wir z.B. an die Gruppe, welche (II. VI, 370-498) Hektor, Andromache, Astyanax und die Dienerin bilden, oder daran, wie (I, 500 ff). Thetis sich zu Zeus setzt, mit der Linken seine Knie umfaßt und ihm mit der Rechten unter das Kinn rührt. Überhaupt aber schreit der ganze Götter- und Heroenmythus nach Verbildlichung, und eine ganze Welt von fertigen Szenen, zum Teil der höchsten Schönheit, ward gewiß schon frühe bildlich geschaut. Und dazu kommen noch die Gattungen idealer Wesen, welche Pluralbegriffe sind, die reihenweise dargestellt wurden, die Nereiden (Harpagosdenkmal), Danaiden (Tempel des Apollo Palatinus) usw.

      Auch abgesehen vom Mythus aber ist die Kunst schon sehr frühe, und zwar laut Homer selbst, auf die Darstellung eines vielgestaltigen Lebendigen eingegangen und ist dabei (wie in den Gräbern von Beni Hassan) auf das Genrebild geraten. Wir erinnern hier wieder an den Schild Achills (I1. XVIII, 478-608), welcher lauter genrehafte Darstellungen enthält, während auf dem hesiodischen Schilde des Herakles solche mit mythischen wechseln.

      Und endlich wagten die Griechen in großen Freigruppen außer dem Mythischen auch das Allegorisch-Politische, indem sie historische Individuen mit ihren allegorisch personifizierten Poleis oder mit den dieselben vertretenden Heroen zusammen darstellten oder, wie es Lysander in seinem kolossalen delphischen Weihgeschenke65 hielt, die Sieger mit den siegverleihenden Göttern zusammenbrachten, und dazu kommen noch die agonalen Gruppen, zumal der Sieger auf seinem Viergespann, und die gewaltigen rein historischen: das Granicusmonument Alexanders und zwei von den vier großen Gruppen des Attalidenmonuments in Athen66.

      So strömen der Kunst von allen Seiten Gegenstände für die Massenerzählung zu, und die Volkstümlichkeit derselben ergibt sich schon aus deren frühem Vorkommen in kleinem Maßstabe. Die im VIII. Jahrhundert schon geschaffene Lade des Kypselos war mit erzählenden Darstellungen in lauter kleinen Figuren bedeckt, und wahrscheinlich waren auch die vielfigurigen Freigruppen aus sehr alter Zeit klein, welche Pausanias besonders in Delphi und dann auch an andern Weihestätten sah. Ihre Parallele aber hat die Vielskulptur in der Wandmalerei, und für uns spricht die Volkstümlichkeit des Vielen hauptsächlich aus der Vasenmalerei und der Übung, Umrisse auf Erz zu gravieren. Nach den Schöpfungen dieser Techniken hat dann wieder das Ausland, zumal Etrurien, mit besonderer Begierde gegriffen.

      Neben der Darstellung der Götter selbst meldet sich bei allen polytheistischen und monumentalen Völkern sehr früh auch die Verewigung des einzelnen Kultaktes. Die Frömmigkeit des handelnden Königs, Priesters oder Volkes wird damit den Menschen und den Göttern anschaulich gemacht, den letzteren namentlich wohl, damit sie derselben eingedenk seien; der Mensch ist dem Gott in jeglichem Sinne am nächsten im Augenblicke und im Habitus des Kultus. So bilden denn, wie bereits gesagt, Ritualien schon in Ägypten und Assur eine der Hauptaufgaben der Vielskulptur. Aber auch hiebei hatten die Griechen große Vorteile. Zwar eines konnte in der Darstellung nicht in Betracht kommen: daß nämlich der Priester bei ihnen bisweilen in der Tracht des Gottes selbst auftrat67; denn in der Kunst mußte er vom Gott natürlich unterschieden werden. Dagegen ist es von höchster Bedeutung, daß sie nicht opfernde Despoten und nicht Priesterscharen, sondern einzelne, manchmal nur jährige Priester und Priesterinnen hatten, die oft nach Jugend und Schönheit gewählt und nie durch wüst-symbolische Tracht entstellt waren, und daß ferner die Erweiterung ihres Kultus durch Aufzüge (pompai), Chöre und dergl. die Sache von lauter auserlesenen Individuen war. Überhaupt stellte sich dieser Kultus der Kunst nicht als Knechtschaft und wüstes Tun, sondern als Freude zur Verfügung; auch aus dem Orgiastischen wählte die dionysische Skulptur das Schöne.

      Wie aus dem eigentlichen Opfer ein Anathem dieser Art werden konnte, berichtet jene sehr eigentümliche Geschichte, die Pausanias68 von den argivischen Orneaten erzählt. Diese ersetzten ein allzu lästiges, im Kriege mit Sikyon getanes Gelübde, wonach sie dem Apollo täglich hätten Opfer und Prozessionen darbringen sollen, durch eine nach Delphi gestiftete eherne Darstellung69 von beidem. Pausanias erkennt hierin freilich nur einen klugen Kniff (sopisma); allein es handelt sich um eine tiefere, echt griechische Voraussetzung: ein täglicher Vorgang wird abgeschlossen und aus einem zeitlichen zu einem ewigen gemacht durch eine ideale, monumentale, ein für allemal geltende Darstellung70.

      Groß war der Reichtum an Statuen von Priestern und Priesterinnen; noch von den jetzt vorhandenen Gewandstatuen mögen viele dahin gehören. Mochte das Tempelbild ein ungenießbares Xoanon sein, – die Reihe von solchen Statuen konnte alles gut machen. So war es vielleicht im Tempel der Eumeniden, in dem achäischen Kerynea71. Die Figuren derselben waren "nicht groß", vielleicht häßliche Puppen, aber am Eingange fanden sich weibliche Marmorstatuen, welche Kunstwert hatten, und die Einwohner erklärten sie für Priesterinnen der Göttinnen.

      Wie frühe wurden wohl Festchöre in Reihen von Statuen verewigt? Die Agrigentiner nach einem Siege über die Libyer-Phönizier von Motye stifteten aus der Beute nach Olympia die ehernen Knaben, welche die "Hände vorhalten" und dargestellt sind, wie sie zu dem Gott beten72. Sie standen auf der Mauer der Altis und galten als Werke des Kalamis, – am ehesten werden sie eine Verewigung des Festchores gewesen sein, der zur Begleitung des Dankopfers nach Olympia gesandt war. Auch die Messenier von Messina stifteten nach Olympia die ehernen Bilder des in der Meerenge

Скачать книгу