Griechische Kulturgeschichte, Band 3. Jacob Burckhardt

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Griechische Kulturgeschichte, Band 3 - Jacob Burckhardt

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Tempel, aber auch ganze Gruppen solcher von ähnlicher und fast gleicher Gestalt94 entstehen ließen, ohne an das Variieren zu denken. Wenn irgendwann und irgendwo, so hätte in dem siegreichen und gewaltig ehrgeizigen Athen beim Neubau nach den Perserkriegen der Übergang zu ganz neuen Tempelformen, zusammengesetzten Grundplänen und dergl. nahegelegen, allein stattdessen folgt die höchste Verklärung des schon vorhandenen Typus. Hier hatte der sonst so rücksichtslose Neuerungsgeist innehalten müssen.

      Über die Einzelformen des ursprünglichen Holzbaues, über seine vermutliche Farbigkeit, über die Anwendung von Tuch und Teppich usw. erlauben wir uns keine Vermutung und vollends nicht über die Umdeutung solcher einzelnen Elemente in den Stein. Empfindungen und Sachgründe werden einander in letzterm Punkte noch lange gegenüberstehen, und man wird weiter darüber streiten, was unmittelbare Formenübertragung, was bloße Reminiszenz, was freies Gleichnis sei, und wie die Schattierungen noch weiter heißen mögen. Die hier vorgetragene besondere Ansicht über die Entstehung des Typus als solchen hat vollends keine Aussicht auf baldige Billigung, vielleicht aber macht sie auf einzelne Leser einigen Eindruck. Wenn eine Gesamterscheinung, wie diese, jenseits aller Kunde liegt, wird sich die Vermutung – die hier gegebene oder eine andere – hörbar machen dürfen.

      Als nun aber durch das untrennbare Zusammenwirken der Achtung vor der heiligen Gewöhnung, des Bewußtseins, daß man Vollendetes und in seiner Art nicht mehr zu Übertreffendes gebe und endlich des ehrfurchtsvollen Kunstkonservatismus, der auch in der Poesie nur so bedächtig von einer alten Gattung zu einer neuen übergeht, der Tempel in seiner festen Gestalt gegeben war, da hatte man an ihm auch eine Form, die nur ganz bestimmten Zwecken entsprach. Er war verschieden vom Heiligengrab, dem bei den Griechen das Heroon entspricht, war auch kein Erbbegräbnis von Vornehmen, so daß sich eine Anlage hätte bilden können, die den mittelalterlichen hohen Chören mit Umgang und Kapellenkranz zu vergleichen wäre; kein Kultakt für die Menge wurde darin begangen; alle großen Opfer fanden draußen statt, und darum befand sich von Altären auch nur der kleine Räucheraltar im Innern: er war, wie gesagt, nur die "Wohnung" der Gottheit, und da deshalb sein Inneres vielleicht nur klein war, war jeder Fortschritt ins Reiche zunächst dem Außenbau zugewandt. So wird die Halle, die eigentlich in ihrer Vollständigkeit, indem sie einladend und öffnend auf das Auge wirkt, die verklärte Erscheinung der Wand ist, durch Hinzutreten einer zweiten Säulenreihe erweitert, und es entsteht der Dipteros. Aber oblong und in der Grundform peripteral, mit einer Säulenzahl der Langseite, welche die der Front ungefähr95 um das Doppelte übertrifft, sind alle diejenigen Tempel, bei denen man frei über Raum und Mittel verfügte, und andere Anlagen, wie die des delphischen Tempels, der Tempel mit Grottenkult, der von zwei Gottheiten bewohnte Tempel sind exzeptionell96; besonders ist auch der Rundform wenig zugetraut worden; wir kennen sie nur an kleinern, mehr dekorativen Bauten, wie dem Monument des Lysikrates, und einigen wenigen andern Anlagen, wie der Tholos der Prytanen in Athen, dem Philippeion in Olympia usw.

      Die Lage der Tempel war entweder durch ein Präzedens, resp. Ereignis aus der mythischen Zeit vorgeschrieben oder frei gewählt. Häufig befanden sie sich einsam auf Berggipfeln und Vorgebirgen oder in heiligen Hainen, öfter auf den Akropolen, auf der Agora, am Seehafen der Städte, und hier, wie schon gesagt, oft zu mehrern, womöglich mit einem nach außen hin abschließenden Hof (Peribolos). Stets sind sie auf ihren drei hohen Götterstufen, neben denen an den Frontseiten noch die Gebrauchstreppen für die Menschen vorhanden sind, wie ein Anathem emporgehoben; vor ihnen steht der als Requisit einfache, wenngleich bei reichern Mitteln oft höchst prachtvolle Brandopferaltar. Im Augenblicke des Opfers öffnet sich die eine große und feierliche Pforte, deren Flügel in Stoff und Form möglichst prachtvoll sind, und läßt das Licht auf die Requisite des Innern, das Tempelbild und den Räucheraltar fallen; bei nicht mehr ganz kleinen Dimensionen ist dann freilich noch eine Dachöffnung (opaion, potagogos, lumen) zur Beleuchtung nötig, und was direkt unter derselben ist, liegt unter freiem Himmel ( paitron), eine Einrichtung, welche ihre monumentale Ausbildung in einem Doppelgeschoß von Innenhallen findet. Vollendet wird die Pracht des Ganzen durch die Weihegeschenke, welche im Innern, im Pronaos, im Säulenumgang (Pteroma) ihren Platz haben, und mit denen bei prachtvollern und reichern Tempeln dann noch die Stoen und der Peribolos angefüllt sind, und schon zum Peribolos gelangt man hin und wieder durch herrliche Propyläen.

      Der normale Tempel verzichtet auf jede Abweichung in der Anlage, auf jede Kombination des Verschiedenartigen; er will nur ein höchster Einklang des Gleichartigen sein; eine und dieselbe Art von Säulen und Gebälken und Götterstufen umgibt ihn, eine und dieselbe strebende und tragende Kraft, und eine und dieselbe Last wirkt gleichmäßig durch das Ganze; an beiden Frontseiten ist dann der Giebel die rituale Auszeichnung der Götterwohnung vor den Wohnungen der Menschen.

      Aber dieses absichtlich wenige atmet ein vollständiges Leben. Der griechische Tempel ist im höchsten Grade wahr, und hierin liegt zum Teil seine Schönheit: er stellt die höchste Abrechnung dar zwischen einfachem Tragen und Getragenwerden einer horizontal liegenden und rein vertikal wirkenden (nicht durch Wölbung seitwärts drückenden) Last und drückt dies, wenn auch in zwei Dialekten, dem dorischen und ionischen, so doch in einer Formensprache aus.

      Die betreffenden Formen deuten teilweise auf ägyptischen und assyrischen Ursprung; von der Umdeutung des Holzbaues in diesen beiden Ländern kann etliches, was an der architektonischen Formenwelt sekundär ist, entlehnt worden sein; allein in Griechenland sind diese Reminiszenzen an den Holzstil bis zu vollkommener Harmonie ausgeglichen, alle Knechtschaft ist völlig überwunden, statt aller hölzernen Wirklichkeit ist eine ideale Wahrheit entstanden. Und so haben wir es denn mit einem Quaderbau zu tun, bei dem jeder einzelne Block zu seinem vollen Rechte kommt. Im ganzen Reiche der Baukunst hat es so empfindliche Formen nicht wieder gegeben.

      Die Säule ist vollendetes Leben, ein zylindrischer, seine Kraft gleichmäßig exzentrisch nach allen Seiten ausstrahlender, rein in sich abgeschlossener Körper; sie ist durch gleichmäßige Abstände von ihren homogenen Nachbarn getrennt, durch Verbreiterung nach unten und Verjüngung nach oben gewinnt sie eine zunehmende Stabilität; noch lebendiger spricht eine innere Elastizität aus der Anschwellung (entasis); zum größern Ausdruck des vertikalen Lebens dient ferner die Kannelierung (rabdosis); die Höhe und Stärke der Säule endlich steht im reinsten Verhältnis zu der Größe der Intervalle und der zu tragenden Last. So vereinigten sich die höchste ästhetische und die höchste mechanische: Wahrheit, das Struktive zeigt sich in völlig ideal gewordenem Ausdruck.

      Das Gebälk erscheint in doppelter Lagerung, als Architrav und als Fries, und darüber kommt das Hauptgesims mit den Formen des Daches; hier symbolisiert die sanfte Neigung des Giebels den Rest von Strebekraft, welcher nach dem Kampf zwischen Säulen und Gebälk noch übrig geblieben sein mag.

      Die besondere Ausprägung der architektonischen Formen erfolgt nun, wie gesagt, in zwei auf gemeinsamer Grundlage ruhenden, aber durchaus selbständigen Auffassungen: dem dorischen und dem ionischen Stil, deren allmähliche Ausreifung rätselhaft bleibt, indem wir nur wissen, daß sie schon um 650 nebeneinander existierten. Auch die Beziehung auf die beiden Stämme ist ja nicht zu eng zu fassen, und ebensowenig sind sie mit deren vermeintlichem Charakter zu parallelisieren.

      Dorisch ist die Säule ohne Basis mit stark geschwelltem und verjüngtem Schaft und Kanneluren, welche in scharfen Kanten zusammenstoßen; die Höhe beträgt ungefähr fünf und einen halben, der Abstand anderthalb Diameter; das durch eine bis drei Rinnen vorgedeutete Kapitäl besteht aus dem mit den Ringen ansetzenden Echinus, der als ein lebendiger elastischer Stoff mit sehr verschiedener Dehnbarkeit seiner Teile gedacht ist, und dem als Übergang zum Architrav dienenden Abakus; dieser ist offenbar der Nachklang eines Brettes, wodurch man ein unmittelbares Aufliegen der Fuge zweier Architravbalken auf der Säule selbst vermeiden wollte, und zugleich wird durch ihn die Tragkraft der Säule auf ein weiteres Feld ausgedehnt. Den Architrav bilden – abgesehen von den vordeutenden Plättchen mit Tropfen – bloße Steinbalken. Der über ihnen laufende Fries enthält die Triglyphen

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