Griechische Kulturgeschichte, Band 3. Jacob Burckhardt

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Griechische Kulturgeschichte, Band 3 - Jacob Burckhardt

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Unabhängigkeit erfreute sich die Kunst aber auch gegenüber von den politischen Machthabern. Auch neben den raubsüchtigsten Streberregierungen hielt sie sich oben und blieb reich beschäftigt und im herrlichsten Schwung neuer Entwicklungen. Von den athenischen Strebern des IV. Jahrhunderts z.B. darf man sich die meisten als innerlich frivole Menschen mit liederlicher Aufklärung vorstellen, welchen an Skopas, Praxiteles, Lysippos gar nichts gelegen war, wenn sie nur am Staate zehren konnten. Aber gegen die Kunst, zumal gegen das Götterbilden durften sie sich nicht laut machen; denn hier trafenA16 sie auf ein Volk, welchem die Kunst zum Kultus und der Kultus zur Lebensfreude gehörte. Das heutige Bündnis zwischen Liberalismus und Kirchenfeindschaft war damals unmöglich; die Reputation von Asebie konnte stündlich zu einer Todesgefahr werden, und abgesehen von diesem allem mögen auch die profansten Streber in ihrem eigenen Innern sich vor den Göttern gefürchtet haben. Pathetische Demagogen wie Lykurgos trieben noch Aufwand mit mythischen Erinnerungen, statteten Kultus und Drama mit neuer Pracht aus, und der streberisch korrumpierte Staat konnte auch nicht die Schule gegen die Religion ausspielen, überhaupt dieser nicht indirekt das Wasser abgraben. Die Religion aber fand fortwährend ihren größten Ausdruck in der Kunst; auch sehr verdorbene Poleis mögen noch bei Praxiteles usw. bestellt haben, und das Aufkommen einer neuen Macht, wie Messenes nach der Restauration durch Epaminondas, hatte sofort mächtige Bestellungen von Götterbildern zur Folge. Die Kunst war noch nicht in das Belieben der (ohnehin immer seltener werdenden) Reichen gestellt und noch nicht auf großstädtische Ausstellungen mit Feuilletons angewiesen.

      Im Verlauf des III. Jahrhunderts neigten sich die griechischen Städterepubliken, noch vor aller römischen Einmischung, zum Untergange. Innere Unruhen, welche meist auf Plünderung der letzten Besitzenden hinausliefen, Überfälle von Nachbarstädten, wo man noch auf Raub hoffte, besinnungsloses Prassen, wie z.B. in Böotien, systematisch ausgeübter Mord gegen alle herrschenden Kasten wie in Sparta, Verödung des Landes bezeichnen, wie früher dargestellt, die Zeit seiner Wende. Man sollte erwarten, daß kein Hellene mehr Stimmung und Gelegenheit für höhere Kunstübung gefunden hätte. Allein es gab jetzt große Griechenkönigreiche außerhalb von Hellas, wo zeitweise wenigstens Sicherheit und Gedeihen herrschte. Im kleinasiatischen Pergamon hatte sich eine Schule von Bildhauern erhoben, von welcher man bis vor wenigen Jahren nur einzelne, allerdings schon sehr bedeutende Werke kannte. Nun, neben dem unsäglichen Elend Griechenlands, entstand hier kurz vor oder nach 197 v. Chr., nämlich entweder unter Attalos I. oder erst unter Eumenes II. der berühmte Altar von mehr als 100 Fuß ins Gevierte, dessen erstaunliche Reste allein schon das Museum von Berlin zu einem der ersten Kunstwallfahrtsorte der Welt machen würden. Es ist der Kampf der Götter und der Giganten, ein rings um die Wände des Altars laufendes Relief von acht Fuß Höhe; die nach Berlin geretteten Teile haben eine Gesamtlänge von etwa 250 Fuß. Es ist, als wäre über diese Kunst gar nichts ergangen. Jugendfrisch, naiv, in ihren Mitteln und ihrer Behandlung dem Phidias viel näher und verwandter, als man es irgend erwartet hätte, wirft sie sich, wie der Löwe auf seine Beute, auf das mächtigste bewegte Thema, welches der Mythus überhaupt darbot. Frühere Reliefs hatten besonders Kämpfe von Heroen und Kentauren, Amazonen und Fabeltieren dargestellt; diesmal sind es die Götter selbst im Streit mit den halbgöttlichen Riesen, von dem Meister innerlich geschaut als ein furchtbar erhabener Sturm von Angriff und Gegenwehr, im ganzen weit die wichtigste bekannte Äußerung griechischen Geistes jener Zeiten. Die Namen der Schöpfer aber sind uns nicht überliefert, während wir über andere damalige Ereignisse auf das reichlichste unterrichtet werden, ja die einzige Erwähnung des kolossalen Werkes selbst findet sich in einem geringen lateinischen Autor, welchen man in das Zeitalter des Theodosius versetzt. In Pergamon wird man die Namen wohl gewußt und deren Träger für recht geschickte Banausen gehalten haben; wir aber mit unserm Verlangen, zu wissen, was damals im Innern jener mächtigen Menschen vorgegangen, würden den Pergamenern wunderlich vorgekommen sein.

      Fußnoten

      1 Wir verweisen hiefür auf das spezielle hypothetische System, welches Milchhöfer, Die Anfänge der Kunst in Griechenland, S. 106 ff. gibt, indem er den semitischen Einfluß streng zu beschränken sucht.

      2 Anf. d.K.S. 16. Richtig ist hier in der Anm. bemerkt, daß das Prius nicht die Verschlingungen von Band- und Riemenwerk sein können, denn letzteres würde sich schneiden, kreuzen oder knoten, was der Draht nicht tut. Ein wirklicher Flechtstil kommt freilich auch schon vor.

      3 Abgebildet ebenda S. 10.

      4 Ebd. S. 34 f.

      5 Ebd. S. 99. ff. Hier wie bei einem Teile der Gemmen frägt man sich freilich nach der Verwendung, da diese Stücke ihrer Größe wegen unmöglich an menschlichen Fingern können gehaftet haben. Waren es vielleicht Siegel? oder Talismane?

      6 Ebd. S. 41 ff. Milchhöfer nimmt als Grundformen der Gemme den im Meere rund gewaschenen Kiesel und die Nachahmung des Fruchtkerns an. Wir möchten beifügen, daß das Rundformat in der Kunst doch wohl auch aus der natürlichen Vorliebe des Auges für das Rund zu erklären ist und daß der Gebrauch der Drehscheibe diese Form begünstigen mußte.

      7 Über das Verhältnis dieser Architektur zu lykischen und phrygischen Monumenten vgl. Milchhöfer S. 11 und S. 139 f.

      8 Ilias 478-608, Hesiod, scut. Herc. 139-320. Vgl. Milchhöfer S. 144 ff.

      9 S. 142 ff.

      10 Das homerische Epitheton kallispyros möchte bei keinem andern Volke ein Gegenstück haben; man rühmt anderswo lange nur Antlitz und Oberleib.

      11 Welcher Sinn für das Naturwahre spricht auch nicht aus den anatomisch genauen Angaben der Verwundungen in der Ilias, z.B. XIV, 465 f. und 493 (Ilioneus)!

      12 Dieses wird doch kaum, wie Milchhöfer S. 199 f. annimmt, ein bloßes flaches Brett gewesen sein; vielmehr kann die Rundplastik uralt gewesen sein. Ist vielleicht das erste selbständige Bild einer Gottheit ein Palladion gewesen? Von solchen ist wenigstens in der mythischen Zeit sehr vorwiegend die Rede. Über den Pallastypus vgl. Preller I, bes. 148. – Zu den ältesten (dädalischen) Kunstwerken und ihrer Wirkung vgl. noch die Stelle Pausan. II, 4, 5: Daidalos dA oposa eirgasato atopotera men esti thn opin, epiprepei dA omos ti kai enteon aytois.

      13 Vgl. Milchhöfer S. 54 ff.

      14 Lukian, deor. dial. 20, 10.

      15 Pausan. IX, 27, 1.

      16 Vgl. Band II, S. 144. – Oder hat sich nur der Steinarbeiter vor der göttlichen Bildung gefürchtet, während der dädalische Holzarbeiter schon längst seine Palladien und Xoana wagte?

      17 Vgl. Baumstark bei Pauly III, S. 1087.

      18 Pausan. II, 30, 2.

      19 Pausan. VIII, 42, 3 f.

      20 Pausan. II, 24, 5.

      21 Pausan. III, 16, 1: prosopon anti toy arxaioy poihsamenh ths epA hmon texnhs.

      22 Pausan. III, 15, 5. 8. Vgl, Band I, S. 107 f.

      23 Pausan. V, 18. 19.

      24 Man wird dabei an die häßliche, von einem Engel mit einer Fackel verfolgte Zwietracht am Hochaltar der Salute in Venedig erinnert.

      25 Pausan. I, 24, 2.

      26 Gleichfalls einem chthonischen Heiligtum, und zwar dem auf Knidos, gehörte

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