Griechische Kulturgeschichte, Band 3. Jacob Burckhardt

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Griechische Kulturgeschichte, Band 3 - Jacob Burckhardt

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von Chalkis unterlegen wäre, und ebenso soll Parrhasios89 bei einem Malkampfe auf Samos mit seinem Streit des Aias und Odysseus um Achills Waffen von einem Rivalen geschlagen worden sein. In beiden Fällen kann es sich doch nur um Tafelmalereien gehandelt haben.

      In späterer Zeit nahmen Karikaturen und Genreszenen (wie die Barbier- und Schusterbuden des Peiraikos u.a. sog. Rhyparographien), sowie das Stilleben überhand. Das Mosaik scheint in der eigentlich griechischen Zeit noch wenig Figürliches enthalten zu haben; aus der Diadochenzeit wird von dem Prachtschiffe des jüngern Hieron90 gemeldet, daß auf dem Fußboden seiner Säle der ganze Mythus von Ilion dargestellt gewesen sei. Damals scheint überhaupt diese Form der Bodendekoration beliebt geworden zu sein. Von den linearen Künsten, der Vasenmalerei und der Gravierung auf Kisten und Spiegeln ist hier nicht weiter zu handeln. Genug, daß auch in ihnen die griechische Kunst die jeweiligen Grenzen überall erreicht und entsprechend der ihr eigenen hohen Sophrosyne auch respektiert hat.

      3. Die Architektur

      Mit Händen zu greifen ist diese künstlerische Sophrysyne der Griechen in der Architektur; denn hier finden wir bei ihnen eine in der ganzen Kunstgeschichte einzig dastehende willentliche Beschränkung auf einen höchst vollkommenen Typus: den Tempel, von welchem alles andre nur Anleihen und Teilaneignungen sind. Säle, Höfe, Hallen und vollends das so mäßige Privathaus ordnen sich völlig unter; das Motiv des Tempels ist das absolut einheitliche Motiv als solches. Wie aber ist die Nation zu dieser Form gekommen?

      Das Wesentliche am griechischen Heiligtum ist nicht das Gebäude, sondern der Brandopferaltar im Freien. Die Höhenaltäre91 (meist dem Zeus geweiht), auf welchen die Asche von vielen Opfern her aufgehäuft liegen blieb, entbehrten jeder baulichen Zutat. Wo aber in alten Zeiten ein heiliger Bau entstand, kann er eine Form und Anlage gehabt haben, welche sich unsrer Ahnung völlig entziehen. Wenn z.B. etwaA2 Orakelstätten die frühesten allgemein besuchten Heiligtümer waren, an nicht gewählten, sondern vorgefundenen Stellen, so mag der ÜberbauA3 oder Umfassungsbau einer Erdspalte, einer Höhle usw. das Gegegebene gewesen sein. Die freie Wahl der Stelle und die Errichtung des Heiligtums frei vom Boden auf, die Vorbedingungen aller höhern Gestaltung, könnten dann eingetreten sein mit einer Wandlung in den Gedanken von den Göttern. In unbestimmbarer Zeit nämlich erhielt das Heiligtum den Namen "Wohnung", d.h.A4 der Gottheit (naos), und von da an kann ein geschlossener Bau, eine Cella, vorausgesetzt werden, anfangs laut der Sage bisweilenA5 nur aus hinfälligen Stoffen, als Zelt oder Hütte (skhnh) erstellt, bis die Kunst dem Gebäude eine monumentale Gestalt und endlich die herrlichste Verklärung verlieh.

      Neben so vielen Vermutungen, an welchen die antike Kunstgeschichte stets einen großen Vorrat haben wird, möge hier eine folgen dürfen über die Entstehung des Peripteros, der von Säulen umgebenen länglichen Cella. Derselbe war zunächst eine Schöpfung des Volkes selbst und bedurfte keiner Entlehnung von Asien oder Ägypten und dessen Peripteraltempeln her. Er wird entstanden sein als vollständiger Holzbau, als Blockhaus mit einer Halle von Baumstämmen, in einer Zeit, da Griechenland noch ein waldreiches Land war. Von dieser letzteren Tatsache wenigstens gab es noch spät eine Tradition für Attika, und Plato redet davon92 durchaus nicht bloß als Dichter: das entwaldete, ausgewaschene, verkalkte Land ist nur noch das Skelett eines krank gewesenen Leibes; die einst so waldreichen Berge haben jetzt nur noch Nahrung für Bienen; Quellheiligtümer sieht man, nur sind die Quellen vertrocknet; aber auch gewaltige Dachbauten sind noch da, errichtet aus Bäumen, welche dort vor nicht gar zu langer Zeit gefällt worden.

      Will man jedoch für die Cella schon von Anfang an den Steinbau voraussetzen, so war doch der ganze Hallenbau und das Dach von Holz. Die Säule oder Rundstütze hat überhaupt bei allen Völkern keinen andern denkbaren Ursprung als aus dem Baumstamm, bei den Griechen insbesondere aber konnte die Halle um die Cella nur entstehen in einer Zeit, da man die Säulen nicht erst meißeln mußte, ja vom Stein aus wäre die Halle gar nicht erklärbar in einer Periode, da der Steinmetz selten und noch sehr ungeschickt war. Die gemeißelten Grabstelen von Mykenä sind nur der rohste Nachklang einer weit vollkommeneren Kunst in Metall; Tirynth vollends (nach Schliemanns Entdeckungen) zeigt nebeneinander die mechanische Bewältigung riesiger Steinlasten und (für den innern Zierbau) hölzerne Säulen, deren rund eingekerbte Steinbasen noch erhalten sind. Wegen des Heraion von Olympia, dessen Holzsäulen anerkanntermaßen erst allmählich durch steinerne ersetzt worden sind, sowie wegen anderer Reste des Holzbaues mag auf die bekannten Nachrichten verwiesen werden.

      Das Holzgebälk würde an sich eine weite Stellung der Säulen ermöglicht haben, und die großen Intervalle der etruskischen Ordnung beruhten wirklich hierauf. Allein bei den Griechen wäre es denkbar, daß schon die Holzsäulen dicht standen, ja daß bereits hie und da eine doppelte Holzsäulenreihe, eine Dipteralanlage vorkam, wenn man den Wald dazu hatte. Im allgemeinen aber möchte der Hexastylos, die sechssäulige Giebelseite zu etwa doppelter Säulenzahl der Langseiten, schon im Holzbau das Normale gewesen sein, wie es frisch aus einem Stück entstanden war. Prostylos und Amphiprostylos sind nicht Urformen, sondern Reduktionen, Abbreviaturen, Vereinfachungen hievon, während das templum in antis eine uralte Form für kleinere Heiligtümer gewesen sein kann. Frägt man nach einem besondern Zweck, einer Lebensursache der Halle, so wird am ehesten das Aufstellen der von jeher äußerst zahlreichen Weihgeschenke,A6 Anatheme, zumal der erbeuteten Waffen zu nennen sein, jedenfalls aber nicht das Unterstehen beimA7 Regen, wie Vitruv meint.

      Der normale Holztempel enthielt die Möglichkeit aller künftigen Schönheit als verborgenen Keim bereits in sich durch die Einheit des Motivs: Die Cella ist der Kern, die Säulen und Gebälke sind dessen ideale Hülle; einem relativ kleinen Naos wird der Anblick des Großen und Feierlichen verliehen. Der Bau muß von Anfang an in ganzer Stattlichkeit und Fülle aufgetreten sein; nur als Hexastylos, sollte man denken, kann er die Kraft besessen haben, alles nach sich zu ziehen. Bloß ästhetische Entschlüsse haben hier freilich nicht entschieden, so einleuchtend auch der Wert dieser Anlage war. Dieselbe entstand und verbreitete sich auch nicht durch Einfluß eines Priestertums, welches nicht vorhanden gewesen ist; nicht auf irgendeinen Zwang hinA8, sondern vermutlich durch eine volkstümliche religiöse Hebung, von welcher wir keine Kunde mehr haben. Sie entstand und verbreitete sich auf eine solche Weise, daß hierauf dorisches und ionisches Formengefühl gleichmäßig an ihr emporwachsen konnten. Der Vorgang wird als einmaliger und plötzlicher aufzufassen sein, mit freiwilliger und rascher AnnahmeA9 bei einem in viele Staaten geteilten Volk; lautlos wichen vor der neuen Form des Heiligtums die bisherigen Anlagen, und kaum ein Rest mehr ist von ihnen vorhanden. Der Peripteros wurde dann zu einer jener griechischen Kunstsitten, welche, wenn einmal angenommen, gegen alle weitern Neuerungen gesichert waren, denn die Griechen vermochten es, sich in richtig gefundene Formen zu fügen und ihnen das Mögliche abzugewinnenA10. Freilich wird es nicht an Thersiten gefehlt haben, welche schonA11 etwas anderes und "Genialeres" gewußt hätten, allein man wird sie haben reden lassen. Hervorgegangen aus einer hohen, geheimen Volkskraft in einem feierlichen Augenblick, war er diejenige Form des Heiligtums, welche allgültig werden, ein säkulares Reifen erleben konnte. Es ist aber nicht die Sache jedes beliebigen Zeitraumes oder Volkes, dergleichen Formen zu schaffen.

      Die erst teilweise, dann (mit Ausnahme von Decke und Dach) vollständige Umsetzung aus Holz in Stein muß frühe erfolgt sein; als die Griechen mit dem VIII. Jahrhundert sich in Kolonien ausbreiteten, scheint der steinerne Peripteros bereits als selbstverständlicher Typus mitgegangen zu sein; denn schon die ältesten Tempel auf Sizilien zeigen denselben in sehr ausgeglichener Gestalt. Es ist kein Grund vorhanden, am Pontus, in Kyrene, im südlichen Gallien, wo sich irgend Griechen ansiedelten, etwas anderes vorauszusetzen. Bei mäßigen materiellen Mitteln war ein solcher Steinbau die glücklichste Aufgabe; gesetzlich in den Proportionen, aber völlig frei in den Dimensionen, dabei übersehbar und berechenbar in Betreff des Aufwandes und der Bauzeit, so daß eine Generation damit fertig werden konnte.

      So sehr aberA12 fühlten sich nun

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