Griechische Kulturgeschichte, Band 3. Jacob Burckhardt

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Griechische Kulturgeschichte, Band 3 - Jacob Burckhardt

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auch hier überall kleinere Tempel (oikhmata, sacella) und geschlossene Bezirke (temenh) von Heroen; die Hauptstätte der Skulptur und Malerei aber war die Agora mit den sie rings umgebenden oder in ihrer Nähe befindlichen Stoen, welche oft wieder der Zugang zu Tempeln und anderen öffentlichen Gebäuden waren. Voll von Skulpturen waren auch Theater, Stadien und Gymnasien, und vor der Stadt kamen die Gräberstraßen mit ihren Monumenten vom Cippus (sthlh) an mit der Palmette, welche gleichsam die Bekränzung des Grabes mit Blumen monumental verewigte, bis zum reichen Grabrelief und zum zierlichen Sacellum. Götterbilder befanden sich in den Quellenheiligtümern und Grotten, und heilige Haine mit einem Tempel als Zentrum waren oft reich mit Statuen angefüllt38; von dem Reichtum an Skulpturen vollends, der an den großen Agonalstätten mit ihren Athletenstatuen, Tethrippen, Siegergruppen usw. vorhanden war, machen wir uns kaum einen Begriff. Es war "ein zweites Volk" in Erz und Marmor da39, und es ist, als hätte diese Kunst unendlich vieles hervorbringen müssen, damit noch beim Anblick der Reste die Nachwelt über den Reichtum der Nation und über den ernsten monumentalen Willen staune, den sie mit diesem Aufwande verband.

      Für das Phänomen nun, daß in dieser Kunst der ideale Stil verhältnismäßig leicht die Oberhand gewann, wollen wir zwar nicht die innersten Gründe definieren, einige äußere Fördernisse aber sind hier zu betrachten. Vor allem war sie eine religiöse und somit, wie jede religiöse Kunst, auch z.B. die ägyptische, eine dem vollen Realismus abgewandte, mindestens auf das Konstante angewiesene. Ihre nächste Aufgabe war die Götterbildung. Diese war sehr früh möglich, insofern sie in der Phantasie des Volkes schon vorhanden war. Am frühsten ist sie vielleicht in den Inselsteinen und ähnlichen Gebilden jener ältesten Kunst nachweisbar, wo die einzelnen göttlichen Wesen noch mit Tierteilen auftreten; aber auch sonst war das Bedürfnis nach Verbildlichung der Götter gewiß früh allgemein, und dazu war der Drang nach ihrer Vergegenwärtigung vorhanden, welche zugleich eine Huldigung an sie war. Ihren allerersten Ausgang aber mag die Übung der Götterbildung in uralter Zeit beim häuslichen Herde genommen haben. Hier hatte man zuerst die Toten begraben und verehrt und daneben vielleicht von Anfang an die Herdflamme (estia); als Konsequenz des Polytheismus mochten sich dann allmählich, je nach dem Bedürfnis der Anrufung und der Erinnerung an geleistete Hilfe, auch als Erbschaft von Verwandten, eine Anzahl kleiner Götterfiguren an dieser Stelle zusammenfinden. Außerdem aber war auch das Grab ein Ort, wohin Götterfigurinen – allerdings neben Genrefiguren, Tierbildnissen usw. – gestiftet wurden.

      Freilich ist es nun sehr merkwürdig, daß der griechische Mythus, wenn wir vom Palladion, den dädalischen und wenigen andern Götterbildungen absehen, von dem vielen vorhandenen Bildwerk gar keinen Gebrauch macht, so wie auch vom Tempel, als deutlichem baulichen Lokal nicht oft die Rede ist. Homer in dem vermutlich doch schon bilderreichen IX. Jahrhundert spricht von keinem Bild; die Götter selber erscheinen bei ihm noch. Aber unabhängig von allem Mythus scheint die Sitte des Bilderstiftens im Volke bestanden zu haben, und nun ist wichtig und entscheidend, daß das Anathem seiner Natur nach auf beständige Wiederholung der Bilder einer und derselben Gottheit hindrängte, von der man Hilfe wünschte oder genoß, und dies vom kleinsten Tierbildchen des Armen an bis zu den Stiftungen reicher Poleis. Indem sich nun in den Tempeln und ringsum durch beständiges Hinstiften eine Masse von Bildern der betreffenden Tempelgottheit aufsammelte40, mußte sich notwendig eine Verschönerung und Veredelung des Typus derselben ergeben. Bei dem in allen griechischen Dingen wirksamen Agon war auch hier der Wettstreit eine gegebene Sache, zumal unter den frühen und mächtigen Tyrannien; auch das vielleicht rasche Steigen des Maßstabes bis ins Kolossale und daneben die naive Vorliebe für kostbare Stoffe wird uns bei den großen und reichen Stiftungen nicht wundern dürfen.

      Für die Entwicklung der Idealformen aber war es weiterhin entscheidend, daß das Banner nicht die Malerei, sondern die Skulptur führte, welche genötigt ist, alles innerhalb der einen menschlichen Gestalt abzuschließen und sich fast rein auf die Form zu beschränken. Der einzige und natürliche Ausdruck des Geistes ist hier der menschliche Leib, und nun bewähren denn auch die Griechen ein rastloses und endlos reiches Bemühen, alles Geistige: Götter, Menschen, abstrakte Eigenschaften, Örtlichkeiten, Naturereignisse usw., in tausend menschlichen Bildungen darzustellen.

      Nicht in der Skulptur allein freilich, sondern in jeder Gattung und von jeher41 mußte die Darstellung, damit das Geistige als solches spreche, vom bloß Zufälligen, von der gemeinen Wirklichkeit, welche jenes Leben nur verhüllt, individuell gebrochen zur Erscheinung bringt, absehen und die hundert Nebensachen, welche es überwuchern, weglassen. Die Skulptur aber insbesondere ist als solche zu weit größerer Vereinfachung der Form genötigt als die Malerei. In dieser ist die Illusion erlaubt, ja sie kann ein hohes Wirkungsmittel sein, in der Skulptur dagegen niemals. Hier macht sich vielmehr alle genaue und peinliche Verfolgung des körperlichen Details, z.B. etwa eine völlig naturalistische Bemalung, störend und widrig, und in diesem Sinne ist die Skulptur die wesentlich idealistische Kunst, während die Malerei durch Licht und Hintergrund und Fülle der Beziehungen eine ganz andere Gesamtrechnung hat; Rembrandt kann bei durchgehender Häßlichkeit der Formen einen idealen Gesamteindruck machen.

      Bei all diesem Streben nach Abstreifung des Nebensächlichen wäre nun doch unter andern Umständen vielleicht nur eine ziemlich tote Verallgemeinerung der Form erreicht worden; allein hiervor wurden die Griechen durch andere Faktoren geschützt. Vor allem muß der Wunsch, sich die Götter zu vergegenwärtigen, ganz anderer Art gewesen sein als in dem knechtischen Orient, und zwar vor allem viel freier von allem Müssen. Besonders stark wirkte hier der Umstand, daß die Poesie schon vorher so mächtig auf die Herrlichkeit der Erscheinung der Götter hingewiesen hatte; auch wären diese, wie die Aöden sie schauten, schon bei weitem vielartiger gewesen als die orientalischen, selbst wenn sie nicht schöner gewesen wären, und in ihrem Gefolge kamen noch alle halbgöttlichen Wesen, die Allegorien, die dienenden Gottheiten (teoi propoloi) und alle Gestalten der heroischen Welt. Man mochte es vielleicht einmal kaum mehr erwarten können; eine unendlich reiche und herrliche Welt drängte sich hier ins Dasein.

      Da man ferner vom Wüst-Symbolischen frei und rein auf die Menschengestalt angewiesen war, konnte man von Anfang an fest auf die Natur bauen und tat es auch, wie gerade die frühesten erhaltenen Reste durch ihren anatomischen Naturalismus lehren. Die Götter sind ideale Menschen42. Von höchster Bedeutung war es hier für die Kunst, daß sich die Ausbildung der Göttertypen in ihr erst vollzog, nachdem sich in der religiösen und poetischen Anschauung die ganze Einzelbedeutung der Götter längst zu Individualitäten ausgeglichen hatte und die frühere Naturbedeutung und sonstige ursprüngliche Bedeutung bis auf einen leisen Nachklang verschwunden war. Die Kunst konnte hier völlig frei schaffen und beschränkte und vereinfachte Trachten und Attribute immer mehr, ließ aber dafür den Charakter walten. Hier ist der Leib alles; was dagegen z.B. die Ägis der Pallas eigentlich ist, das begehrt die Skulptur kaum selber zu wissen, geschweige uns zu sagen.

      Außer in der Einzelform aber suchte man die Wahrheit noch anderswo, nämlich in der Lebendigkeit in Haltung und Gebärde, und auch in dieser war man nicht durch heilige, traditionelle Gesten gehemmt, wie die Künstler des Orients. Diese mit allen Mitteln erstrebte Lebensfähigkeit geht der Idealität voraus, als gründlicher Bruch mit dem Konventionellen. Zuerst äußert sie sich in der Bewegung der Arme und Füße, welche früh anders als bei den Orientalen ist, und hier wird das entscheidende Faktum nicht sowohl die Darstellung des Geschehenden durch einen Erzähler sein – denn diesen Vorteil hätten die Orientalen auch haben können –, sondern das frühe Athletenbilden. Bei diesem war man auf die Form, weil und wie sie lebendig ist, angewiesen, und diese Übung – ein Unikum in der ganzen alten Welt – muß der Starrheit auch der alten Göttertypen ein Ende gemacht haben43.

      Höchst bezeichnend ist hier, daß der Kopf am längsten konventionell und, nach unsern Begriffen, unschön und unlieblich bleibt44. Während schon die ganze Gestalt der höchsten Vollendung und in ihrer Vielheit dem größten Reichtum und der schönsten Komposition nahe ist, behauptet sich in ihm noch ein gutes Stück Typus und dabei

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