Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda
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»Reden wir nicht mehr davon«, erwiderte Inge leichthin. Ihre Heiterkeit wirkte sogar echt. Dass sie der Verzweiflung eines liebenden Herzens entsprang, davon ahnte Norbert Hellbach nichts.
»Ich weiß, dass ich dich gekränkt habe. Es tut mir leid, Inge. Kannst du mir verzeihen?«
»Ich war dir nie böse.« Inges Hände umspannten Norberts Schultern.
Vorsichtig befreite sich der Mann, stand auf und drehte sich zu seiner Frau um. Zärtlich schloss er sie in seine Arme. Er war nur wenig größer als sie. Die beiden passten gut zusammen, waren ein schönes Paar. Ein Paar, das überall auffiel.
»Aber traurig. Ich habe es gefühlt. Auch das soll endgültig vorbei sein, Inge. Wir beide können uns alles geben, brauchen keinen zu unserem Glück.« Beschwörend sah er seine Frau an.
Inge nickte wie unter einem geheimen Zwang.
»Ich bin froh, dass du dich dazu entschließen konntest, Uwe wegzugeben. Es war richtig. Wir werden ihn vergessen.«
Nie!, schrie es in Inge, doch sie brachte dieses Wort nicht über die Lippen. Still und gehorsam nickte sie.
»Du glaubst gar nicht, wie froh und frei ich mich fühle, seit wir wieder allein sind. Es ist, als sei eine schwere Last von meiner Seele genommen. Endlich kann ich wieder atmen.« Norbert Hellbach dehnte seine Brust, zog Inge noch inniger an sich.
Inge antwortete nicht. Sie wusste, dass ihr Mann seit der Geburt des kleinen Uwe von einer krankhaften Eifersucht geplagt wurde. Sosehr sie sich auch bemüht hatte, ihren Mann nicht zu vernachlässigen, sosehr sie auch darauf bedacht gewesen war, dass Norbert durch das Kind nicht gestört wurde, es war nichts zu machen gewesen. Es war immer schlimmer statt besser geworden. Inge hatte sich für ihren Mann aufgeopfert, hatte ihn mit aller Liebe, deren eine Frau fähig war, umgeben. Trotzdem hatte Norbert Hellbach die Eifersucht nicht überwinden können. Doch nun war er der Ansicht, dass die Lösung gefunden sei. Das Kind war anderweitig untergebracht, wurde gut versorgt, man brauchte nur die monatlichen Unterhaltskosten zu bezahlen, und alles war in Ordnung.
Nur Inge wusste, dass gar nichts in Ordnung war. Uwes Aufenthalt in Sophienlust war keine Lösung, wenigstens nicht für sie. Sie hatte Sehnsucht nach ihrem Kind. Sehnsucht, die sich von Tag zu Tag steigerte. Noch konnte sie sie in Norberts Gegenwart unterdrücken. Doch irgendwann würde dieses Gefühl in ihr übermächtig werden, würde sich nicht mehr überspielen lassen. Richtige Angst hatte Inge vor diesem Tag, denn er konnte das Ende ihres Glücks bringen.
»Weißt du, ich hätte nie vergessen können, dass Uwe nicht mein Kind ist. Je älter der Kleine wurde, umso mehr kam mir das zu Bewusstsein.« Mit zusammengepressten Lippen und gefurchter Stirn dachte Norbert an den reizenden kleinen Jungen, der überall, wohin er auch kam, die Gunst und Zuneigung der Menschen eroberte. Uwe war ein bildhübscher Bub, und gerade das störte Norbert gewaltig. Sein Blick wurde finster, fast drohend. »Uwe passt nicht zu uns. Er ist seinem Vater zu ähnlich.«
Inge zitterte in den Armen ihres Mannes. Nur mit größter Anstrengung konnte sie verhindern, dass ihre Zähne klappernd aufeinanderschlugen. »Ich habe es seinerzeit nur deinetwegen getan«, flüsterte sie heiser.
Norbert nickte. »Ich weiß. Ich wollte ein Kind, weil ich glaubte, dass es dich noch enger an mich binden würde. Doch das war ein großer Irrtum, für den ich tausendfach gebüßt habe. Du ahnst nicht, Inge, was ich durchgemacht habe.« Norbert Hellbach atmete schwer. »Seit man mir damals, nach dem Motorradunfall, gesagt hat, dass ich zeugungsunfähig bin, hat mich dieser Gedanke nicht mehr losgelassen. Vierzehn Jahre ist das nun her. Vierzehn Jahre lang habe ich das Gefühl, kein vollwertiger Mensch zu sein. Uwes Geburt hat nichts daran geändert. Ich habe dich seinerzeit zu der künstlichen Befruchtung überredet, weil ich allen zeigen wollte, dass ich kein Krüppel bin. Aber der Schuss ging nach hinten los. Ich habe nicht geahnt, wie groß die seelische Belastung sein würde, die dieses Kind mit sich bringt. Seit Uwe auf der Welt ist, werde ich noch viel mehr an meine Unfähigkeit erinnert.« Norbert ließ Inge stehen und hieb sich mit beiden Fäusten gegen die Stirn. Er bot das Bild eines verzweifelten Menschen.
»Es ist vorbei«, flüsterte Inge. Noch nie hatte sie davon gesprochen, wie viel Überwindung es sie damals gekostet hatte, sich den Wünschen ihres Mannes zu fügen. Sie hatte das Kind eines Mannes zur Welt gebracht, den sie nie gesehen hatte, dessen Namen sie nicht kannte. Nur aus Liebe zu Norbert hatte sie das getan.
Die Schwangerschaft war äußerst schwierig verlaufen. Inge hatte keine Speisen bei sich behalten können, hatte schließlich künstlich ernährt werden müssen. Es waren schlimme Monate gewesen. Vielleicht hätte Inge das alles ohne die Liebe ihres Mannes nicht überstanden. Zu dem Baby, das in ihr wuchs, hatte sie keine Beziehung gefunden. Manchmal hatte sie es sogar gehasst. Doch dann war Uwe zur Welt gekommen, und schlagartig war alles anders geworden. In dem Augenblick, da Inge ihr Kind zum ersten Mal in den Armen gehalten hatte, war auch die Liebe zu diesem kleinen, hilflosen Wesen erwacht. Inge Hellbach war eine zärtliche Mutter geworden.
Ihr Mann hatte das mit zunehmendem Groll beobachtet. Je mehr sich Uwe zu einem hübschen, intelligenten Jungen entwickelt hatte, umso nachdrücklicher hatte sich Norbert von ihm zurückgezogen. Das Leben der kleinen Familie war immer problematischer geworden. Inge hatte sich alle Mühe gegeben, weder ihren Mann noch das Kind zu vernachlässigen, doch es war ihr nur halb gelungen. Wenn Uwe geweint und sie ihn tröstend in die Arme genommen hatte, hatte Norbert voll Hass und Bitterkeit zugesehen. Oft hatte er dann fluchtartig die Wohnung verlassen, um sich irgendwo sinnlos zu betrinken.
»Ich weiß, dass es ein großes Opfer für dich war«, flüsterte der Dirigent jetzt. »Doch es war gut, dass du Uwe weggegeben hast. Du sollst es nicht bereuen, Inge. Das schwöre ich.«
Norbert Hellbach klammerte sich mit aller Kraft an seine zierliche, schlanke Frau. Er küsste sie hart und fordernd. Erst als er merkte, dass ihre Lippen nachgaben, wurde sein Kuss liebevoller.
*
Das Pony war lammfromm und setzte gemächlich ein Bein vors andere. Auf seinem Rücken saß ein kleiner Junge, der sich mit beiden Händen an der dunklen Mähne des Pferdchens festhielt. Er strahlte übers ganze Gesicht. »Schneller! Schneller!«, kreischte er begeistert.
»Hast du denn keine Angst?«, fragte Pünktchen, die neben dem Pony ging und den kleinen Jungen hinten am Pullover festhielt.
»Uwe weiß überhaupt nicht, was Angst ist«, übernahm Nick die Antwort. Der künftige Erbe von Sophienlust war groß, dunkelhaarig und sportlich und glich verblüffend seiner schönen Mama.
Pünktchen, das blonde Mädchen mit den kessen Sommersprossen und den veilchenblauen Augen, schwärmte seit Langem für den hübschen Nick. Und manchmal träumte die Kleine sogar davon, eines Tages Nicks Frau zu sein. Doch bis dahin würden noch viele Jahre vergehen. Denn noch waren sie fröhliche, unbeschwerte Kinder.
»Er wird einmal ein richtiger Draufgänger.« Stolz sah Nick auf den Kleinen, der so forsch im Sattel saß, als wäre das Reiten für ihn ganz selbstverständlich. Sie machten jetzt bereits zum zweiten Mal die Runde um das Herrenhaus von Sophienlust. Uwe lachte, dabei erschienen zwei süße Grübchen in seinen Wangen.
»Gebt mir