Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda

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Sophienlust Staffel 14 – Familienroman - Elisabeth Swoboda Sophienlust Staffel

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nicht. Er richtete sich auf, hielt schützend die Hand über die Augen. Das Kind, das dort im Gras lag, rührte sich nicht. War es tot?

      Das Herz des Studenten begann in wildem Wirbel zu schlagen. Obwohl er von der vorangegangenen Jagd noch völlig erschöpft war, begann er jetzt erneut zu laufen. Doch diesmal achtete er nicht darauf, durch Gebüsch und Sträucher geschützt zu sein. Er rannte geradewegs den Hang hinab.

      Schon hörte er Polizeimeister Kirsch wieder hinter sich. Doch das interessierte ihn nun nicht mehr. Für ihn gab es etwas viel Wichtigeres: das Kind. Er musste nach Uwe sehen, musste ihm helfen. Die Tatsache, dass der Kleine auf der Koppel lag, ließ ihn vermuten, dass er von den Pferden verletzt worden war.

      Recht gut wusste Christian Gentsch, dass der Schlag eines Pferdehufes tödlich sein konnte. Warum nur war Uwe in die Umzäunung gelaufen?

      Obwohl Christian schon vorher so rasch wie nur möglich gerannt war, steigerte er jetzt sein Tempo noch beträchtlich. Es ging ja bergab, und außerdem gab ihm die Angst ungeahnte Kräfte. Polizeimeister Kirsch blieb weit zurück, obwohl auch er das letzte aus sich herausholte.

      *

      Schwester Regine hatte den kleinen Uwe die ganze Zeit über beobachtet. Sie hatte es nicht für gefährlich gehalten, dass sich das Kind in der Nähe des Gatters aufhielt, denn Uwe stand oft dort. Noch nie war er in die Umzäunung geklettert, noch nie hatte er sich unvernünftig benommen.

      Doch dann musste Schwester Regine erleben, dass sie sich getäuscht hatte. Uwe blieb nicht außerhalb des Gatters.

      Als der kleine Junge über den Zaun kletterte, setzte sich Regine Nielsen sofort in Bewegung. Mit ihr rannten einige der größeren Kinder, die das Geschehen ebenfalls verfolgt hatten. Doch die Entfernung war zu groß. Niemand konnte Uwe rechtzeitig erreichen, niemand konnte ihn vor dem Unglück bewahren.

      Entsetzt schrien die Kinder auf, als sie ihren kleinen Kameraden regungslos im Gras liegen sahen. Unaufhörlich floss Blut aus der Wunde am Kopf.

      »Mein Gott«, flüsterte Schwester Regine. »Wie konnte das nur geschehen?« Sie war blass geworden, zitterte am ganzen Körper. Seit vielen, vielen Jahren betreute sie die Kinder hier, war für sie Spielkamerad und Freundin zugleich. Mit all ihren kleinen und großen Sorgen kamen die Buben und Mädchen zu ihr, fanden Rat und Hilfe bei ihr.

      Noch nie hatte Schwester Regine ihre Pflicht vernachlässigt. Oft opferte sie ihre Freizeit, um die Kinder von Sophienlust mit etwas Besonderem zu überraschen. Und nun musste ihr so etwas passieren!

      Regine Nielsen kniete sich neben Uwe ins Gras und fasste nach dem Puls des Kleinen. Er war schwach, kaum zu spüren.

      »Rasch, lauf zu Frau Rennert. Sie soll den Rettungswagen bestellen«, bat Schwester Regine den kleinen Henrik, der neben ihr stand.

      »Das ist nicht nötig. Ich bringe das Kind selbst ins Krankenhaus.« Plötzlich war ein Fremder neben Schwester Regine. Ein Mann, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Befremdet schaute sie ihn an.

      »Ich bin Medizinstudent«, stellte sich Christian Gentsch rasch vor. Keuchend beugte er sich über Uwe. Das kleine, sonst so frische Gesichtchen war bleich. Blutleer wirkten die Lippen und die Fingerspitzen.

      Christian hob die Augenlider ein wenig an und prüfte die Reflexe. Ohne ein weiteres Wort hob er den kleinen Körper auf seine Arme, drückte ein Taschentuch auf die Wunde am Hinterkopf.

      Inzwischen kam auch Polizeimeister Kirsch den Abhang heruntergestolpert. Wäre die Situation nicht so verteufelt ernst gewesen, hätten die Kinder vielleicht über seine ulkigen Bewegungen gelacht. Er ruderte mit den Armen durch die Luft, als könnte er sich damit rascher vorwärtsbringen.

      Auf den letzten Metern seines beschwerlichen Laufes war der Beamte noch fest entschlossen gewesen, den Verdächtigen sofort in Untersuchungshaft zu nehmen. Doch als er jetzt vor dem jungen Mann stand, der das verletzte Kind im Arm hielt und selbst leichenblass war, kamen ihm Bedenken. Nein, so benahm sich kein Verbrecher. Hätte dieser junge Mann tatsächlich das kleine Mädchen aus Bachenau entführt, dann hätte er sich jetzt die Verwirrung zunutze gemacht, um zu verschwinden.

      Polizeimeister Kirsch atmete schwer. Was war hier wichtiger? Dienstvorschriften oder klarer Menschenverstand? Normalerweise musste er den jungen Mann unverzüglich ins Revier bringen, denn er hatte sich mehr als merkwürdig benommen. Andererseits stand das Leben eines Kindes auf dem Spiel. Der junge Mann in den zerrissenen Jeans hielt den verletzten Jungen so sorgsam im Arm, dass man ganz sicher sein konnte, dass er ihm nichts tun würde.

      Polizeimeister Kirsch entschied sich für seine recht gute Menschenkenntnis. Er würde den jungen Mann nicht daran hindern, das Kind ins nächste Krankenhaus zu bringen.

      »Mein Auto steht dort drüben«, japste Christian, denn er bekam kaum noch Luft. »Helfen Sie mir bitte.« Er lief zu dem kleinen Waldstück oberhalb Sophienlust.

      Schwester Regine blieb an seiner Seite. Für sie hätte es Christians Aufforderung ohnehin nicht bedurft. »Es tut mir furchtbar leid«, jammerte sie, mehr zu sich selbst als zu dem Fremden. »Ich mache mir schwere Vorwürfe, weil ich Uwe nicht sofort nachgegangen bin.«

      »Ein Unglücksfall.« Christian schluckte. Es war ihm, als schnüre sich seine Kehle zu. Es war ihm unmöglich, mehr hervorzubringen. Wenn Uwe starb, dann würde er Inge nie mehr in die Augen sehen können. Denn irgendwie fühlte auch er sich schuldig. Er hätte das Kind nicht allein zu der Gruppe zurückgehen lassen dürfen. Doch was nutzten jetzt alle Selbstvorwürfe? Es musste gehandelt werden. Vielleicht war es doch noch nicht zu spät. Vielleicht hatte der liebe Gott Erbarmen und war ihnen allen gnädig.

      Die Kinder, die bei Schwester Regine gewesen waren, liefen in einigem Abstand hinter der kleinen Gruppe her. Dass ausgerechnet ihr erklärter Liebling Uwe so schwer verletzt war, bedrückte sie alle sehr.

      Henrik, das Nesthäkchen der Familie von Schoenecker, ging etwas schneller, holte die kleine Gruppe ein. Dicht drängte er sich an Schwester Regine und sagte: »Hier ist Uwes neues Auto. Vielleicht möchte er es haben, wenn er wieder aufwacht.« Auf der flachen Hand streckte er der Betreuerin das leuchtend rote Spielzeug hin, das er im Gras gefunden hatte.

      Erstaunt sah Schwester Regine auf den keuchenden jungen Mann an ihrer Seite.

      »Ich hab’ es ihm gegeben«, bekannte Christian leise. Zu weiteren Erklärungen blieb ihm keine Zeit, denn eben hatten sie den Wagen erreicht, den Christian im Schutz einiger Büsche am Wegrand abgestellt hatte.

      Mit der freien Hand öffnete der junge Mann die Autotüren und sah sich dann verzweifelt um. »Ich bräuchte Decken«, murmelte er besorgt. »Wenn ich den Kleinen einfach auf den Rücksitz lege, wird er in der nächsten Kurve herunterfallen.«

      Schwester Regine nickte zur Bestätigung. »Wenn ich vielleicht mitfahren könnte … Es wird ohnehin besser sein, weil Uwe noch immer blutet.« Es tat ihr fast körperlich weh, wenn sie auf das blutdurchtränkte Tuch sah, das der junge Mann auf den Hinterkopf des Kindes presste. »Irmela passt auf die Kinder auf und bringt sie ins Haus.«

      Irmela nickte ernst. Sie war glücklich, wenn man ihr Verantwortung übertrug. Gern war sie bereit, in dem Haus, in dem sie so viel Gutes erfuhr, kleine Pflichten zu übernehmen.

      »Gut. Nehmen Sie das Kind. Steigen Sie zuerst ein, dann reiche ich Ihnen Uwe.«

      Christians Hände zitterten, als er den Zündschlüssel herumdrehte. Er legte den Gang ein, gab Gas und jagte mit aufheulendem Motor davon.

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