Sophienlust Staffel 14 – Familienroman. Elisabeth Swoboda
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Ehe Norbert sich umsehen konnte, war schon ein Mann im weißen Kittel neben ihm, führte ihn ins Labor.
»Ihre Bemühungen sind sinnlos, Doktor«, keuchte Norbert Hellbach halb ängstlich, halb entrüstet. »Ich bin nicht der Vater des Kleinen. Deshalb vergeuden Sie mit mir nur sinnlos Ihre Zeit. Sie müssen diesen jungen Mann suchen. Christian Gentsch heißt er. Er kann Ihnen behilflich sein.«
Eine resolute Frau griff nach Norberts Finger, und gleich darauf spürte er einen Nadelstich.
»Die Untersuchung dauert nur knapp zwei Minuten«, tröstete der Mann im weißen Kittel. »Wenn Sie als Spender tatsächlich ungeeignet sind, bringen wir Sie danach wieder zurück.«
»Aber ich sage Ihnen doch …« Norbert sah auf die Perle dunkelroten Bluts, die sich auf seiner Fingerkuppe bildete. Mit einem kleinen, dünnen Glasröhrchen saugte die Laborantin die rote Flüssigkeit auf.
»Das Kind ist in Lebensgefahr«, unterbrach der Arzt ihn schroff. »Deshalb müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen. Wir haben Blutkonserven per Fernschreiber angefordert. Doch das dauert viel zu lange. Bis sie hier sind, ist es wahrscheinlich zu spät.«
»Aber nützt es Ihnen, nützt es Uwe, wenn Sie Ihre Zeit mit mir vertrödeln?« Norbert wäre am liebsten davongelaufen. Er wusste ja seit Langem, dass er nicht der Vater des Jungen war. Er brauchte keine offizielle Bestätigung.
»Da die Mutter nicht über die entsprechende Blutgruppe verfügt, müssen wir …«
»Die Mutter?«, unterbrach Norbert den Arzt. »Ist sie denn hier?«
»Ein Taxi hat sie vor einigen Minuten hierhergebracht. Man hat ihr in Sophienlust wohl erzählt, was passiert ist.« Voll Mitleid dachte der Mediziner an die hübsche junge Frau, die so verzweifelt am Bett ihres Kindes stand.
Die Laborantin hatte ein elektrisches Gerät eingeschaltet und zuvor das kleine Glasröhrchen hineingesteckt. Jetzt las sie aufmerksam die Skala ab. Sie reichte dem Arzt einen Zettel mit den Werten.
Überrascht schaute er ihr über die Schulter, kontrollierte die Zahlen. Sie stimmten, es gab keinen Zweifel.
»Na, das nenne ich Glück haben! Kommen Sie!« Der Mann im weißen Kittel fasste Norbert Hellbach am Arm, zog ihn förmlich mit sich fort.
»Wohin denn?«, fragte der Dirigent und wehrte sich gegen die Bevormundung.
»Es ist bereits alles zur Blutübertragung vorbereitet. Sie spüren kaum etwas davon.« Der Arzt schob den Dirigenten in einen weißgefliesten Raum mit vielen blitzenden Geräten.
Auf einer Bahre lag der kleine Uwe. Man hatte ihm einen unförmigen Kopfverband angelegt. Seine Augen waren geschlossen. Er atmete schwach. Bleich waren seine dicken Bäckchen. Seltsam starr und leblos sah er aus.
Norbert erschrak. War das das Kind, das so fröhlich durch die Wohnung getobt war? Das Kind, das so herzlich lachen, so glücklich strahlen konnte?
»Aber ich bin doch nicht der Vater«, stöhnte er gequält. Als man ihn auf eine Liege drücken wollte, stemmte er sich mit aller Kraft dagegen.
»Vertrauen Sie uns bitte, Herr Hellbach. Im Interesse des Kindes.«
»Sie werden Uwe umbringen, wenn Sie ihm mein Blut übertragen«, keuchte Norbert angstvoll. Schweiß stand ihm auf der Stirn.
»Darüber reden wir später. Ich sagte Ihnen doch schon, dass wir keine Zeit zu verlieren haben.« Der Arzt streifte Norberts Ärmel hoch, desinfizierte seinen Unterarm. Mit größter Sorgfalt wählte er die Vene aus, stach die Nadel hinein. Eine Schwester hielt schon den dünnen glasklaren Plastikschlauch bereit.
Man musste Norbert Hellbach festschnallen, um zu vermeiden, dass er sich immer wieder hochstemmte.
»Halten Sie doch bitte den Arm ruhig, sonst rutscht die Nadel wieder heraus. Wollen Sie denn Ihrem Kind nicht helfen? Wollen Sie denn, dass es stirbt?« Die Stimme des Mediziners klang vorwurfsvoll. Er erlebte in seinem Beruf oft die sonderbarsten Dinge. Doch dass ein Vater sich weigerte, seinem schwerverletzten Sohn zu helfen, das war neu.
»Wenn es mein Sohn wäre!«, rief Norbert Hellbach aufgebracht. »Aber er trägt doch nur meinen Namen. Sie dürfen sich davon nicht täuschen lassen, Herr Doktor.«
»Da Sie dieselbe seltene Blutgruppe besitzen wie der kleine Uwe, gibt es aus medizinischer Sicht an Ihrer Vaterschaft keinen Zweifel«, antwortete der Mann im weißen Kittel ruhig. Er beugte sich über das Kind auf der Trage neben dem Dirigenten und überprüfte den Sitz der Schläuche.
Norbert Hellbach verdrehte die Augen. Dann sagte er so langsam und deutlich, als spreche er zu einem Irren: »Meine Frau hat dieses Kind durch eine künstliche Befruchtung empfangen, weil ich selbst nicht in der Lage bin … Ich hatte als junger Mensch einen schweren Unfall. Die Ärzte sagten mir damals, dass ich nie Vater werden kann.«
Der Mann, der jetzt aufmerksam die Blutübertragung kontrollierte, lächelte mild. »Auch Ärzte irren sich manchmal.«
»Sie glauben … Sie meinen …« Norbert Hellbach kämpfte mit den Gurten, die seinen Oberkörper auf der Liege festhielten. Zu gern hätte er sich aufgerichtet. Doch es ging nicht. »Das ist doch nicht möglich!« Er begriff die ganze Welt nicht mehr. Er, der im Beruf so glänzende Erfolge hatte, war längst überzeugt gewesen, privat ein Versager zu sein. Dass es nun doch anders sein sollte, konnte er nicht glauben.
»Und weshalb nicht? Sie sind doch gesund, führen eine glückliche Ehe.« Der Mann im weißen Kittel schüttelte leicht den Kopf. Wie konnte man sich nur so stur stellen?
Langsam begriff der Dirigent, dass der Arzt die Wahrheit sagte.
Uwe war tatsächlich sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut. Und er hatte dieses hilflose Geschöpf so hässlich behandelt. Tief beschämt sah er hinüber. Still und friedlich lag der kleine Junge da. Ein dünner Plastikschlauch verband ihn selbst mit ihm. Ein Plastikschlauch, durch den unaufhörlich Blut floss. Sein Blut für das Kind. Kaum merklich röteten sich bereits die bleichen Lippen.
Ganz plötzlich erfasste Norbert Hellbach eine tiefe Zuneigung zu dem kleinen Wesen, das er noch vor Tagen so schroff abgelehnt hatte. Jetzt, da er wusste, dass Uwe sein Kind war, schämte er sich seines Verhaltens. Er schloss die Augen.
*
»Jetzt wird alles gut«, flüsterte wenig später eine Stimme neben ihm. Eine Stimme, die sanft und zärtlich klang wie das Rauschen des Sommerwindes. Eine Stimme, die er sofort erkannte.
Norbert riss die Augen auf. Wieder hinderten ihn die Gurte daran, emporzuschnellen. »Inge, kannst du mir verzeihen?«, stöhnte er. »Kannst du vergessen, was für böse Dinge ich gesagt habe, wie herzlos ich gegen dich war? Es tut mir so leid. Wie sehr, das kann ich gar nicht ausdrücken.« Er tastete mit der freien Hand nach Inges Fingern, berührte sie sanft und schüchtern.
»Ich konnte dich immer sehr gut verstehen«, antwortete die hübsche blonde Frau leise. »Ich weiß, welche Belastung es für dich war, dass ein anderer Uwes Vater sein sollte. Warum haben wir nie daran gedacht, dass es auch anders sein könnte? Ich bin so froh, dass nun der Beweis erbracht