Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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dem Wun­sche Aus­druck, einen Aus­ritt zu ma­chen. Un­merk­lich ge­wöhn­te sie ih­ren al­ten On­kel und ihre Brü­der dar­an, sie auf sol­chen Mor­gen­rit­ten zu be­glei­ten, die, wie sie be­haup­te­te, ih­rer Ge­sund­heit sehr zu­träg­lich wa­ren. Ei­gen­ar­ti­ger­wei­se be­vor­zug­te sie hier­bei die Um­ge­bun­gen des Dor­fes, wo Lady Dud­ley wohn­te. Trotz ih­res Um­her­strei­fens zu Pfer­de sah sie den Frem­den nicht so schnell wie­der, wie die hoff­nungs­freu­di­ge Su­che nach ihm sie er­war­ten ließ. Wie­der­holt be­such­te sie den Ball von Sceaux wie­der, ohne dort den jun­gen Eng­län­der zu fin­den, der wie vom Him­mel her­ab­ge­fal­len war, um ihre Träu­me zu be­schäf­ti­gen und zu ver­schö­nern. Ob­gleich nichts die ent­ste­hen­de Lie­be ei­nes jun­gen Mäd­chens so an­sta­chelt wie ein Hin­der­nis, so kam doch für Fräu­lein Emi­lie von Fon­taine ein Mo­ment, da sie im Be­grif­fe war, die­se merk­wür­di­ge heim­li­che Ver­fol­gung auf­zu­ge­ben, weil sie an dem Er­fol­ge ei­nes Un­ter­neh­mens ver­zwei­fel­te, des­sen Ei­gen­ar­tig­keit einen Be­griff von der Kühn­heit ih­res Cha­rak­ters ge­ben kann. Sie hät­te in der Tat auch noch lan­ge um das Dorf Gha­ten­ay her­u­mir­ren kön­nen, ohne ih­ren Un­be­kann­ten wie­der­zu­se­hen. Die jun­ge Kla­ra – mit die­sem Na­men hat­te Fräu­lein von Fon­taine sie ja nen­nen hö­ren – war kei­ne Eng­län­de­rin, und der für einen Frem­den Ge­hal­te­ne wohn­te nicht in den blü­hen­den, duf­ten­den An­la­gen von Cha­ten­ay.

      Ei­nes Abends, als Emi­lie mit ih­rem On­kel aus­ge­rit­ten war, dem seit Be­ginn der schö­nen Tage sei­ne Gicht ziem­lich lan­ge Ruhe ge­las­sen hat­te, be­geg­ne­te sie der Lady Dud­ley. Ne­ben der be­rühm­ten Frem­den saß in der Ka­le­sche Herr von Van­den­es­se. Emi­lie er­kann­te das hüb­sche Paar, und ihr Ver­dacht war so­fort ver­schwun­den, wie Träu­me schwin­den. Är­ger­lich wie eine ver­geb­lich war­ten­de Frau, riß sie so scharf an den Zü­geln, daß ihr On­kel die größ­te Mühe hat­te, ihr zu fol­gen, so hat­te sie ihr Pony los ja­gen las­sen.

      »Ich bin an­schei­nend zu alt ge­wor­den, um die­se zwan­zig­jäh­ri­gen Geis­ter zu ver­ste­hen,« sag­te sich der See­mann und setz­te sein Pferd in Ga­lopp, »oder viel­leicht ist die heu­ti­ge Ju­gend der ehe­ma­li­gen nicht mehr ähn­lich. Aber was hat denn mei­ne Nich­te? Jetzt läßt sie auf ein­mal ihr Pferd so lang­sam ge­hen, wie ein Gen­darm in Pa­ris auf der Stra­ße pa­trouil­liert. Man möch­te bei­na­he sa­gen, daß sie den bra­ven Bour­geois dort stel­len will, der aus­sieht wie ein träu­men­der Poet, denn er hat, wie mir scheint, ein Al­bum in der Hand. Aber wie dumm bin ich! Soll­te das nicht der jun­ge Mann sein, nach dem wir auf der Su­che sind?«

      Bei die­sem Ge­dan­ken mä­ßig­te der alte See­mann den Gang sei­nes Pfer­des, um sich sei­ner Nich­te ohne Geräusch nä­hern zu kön­nen. Der Vi­zead­mi­ral hat­te sel­ber zu vie­le Strei­che im Jah­re 1771 und den fol­gen­den, in der Epo­che, da die ga­lan­ten Aben­teu­er be­liebt wa­ren, ge­macht, um nicht so­fort zu ver­mu­ten, daß Emi­lie rein durch Zu­fall den Un­be­kann­ten vom Ball von Sceaux wie­der­ge­trof­fen hat­te. Un­ge­ach­tet des Schlei­ers, den das Al­ter über sei­ne grau­en Au­gen ge­brei­tet hat­te, konn­te der Graf von Ker­ga­rou­et bei sei­ner Nich­te die Zei­chen un­ge­wöhn­li­cher Er­re­gung er­ken­nen, trotz der Un­be­weg­lich­keit, zu der sie ihr Ge­sicht zu zwin­gen ver­such­te. Der durch­drin­gen­de Blick des jun­gen Mäd­chens war mit ei­ner Art star­ren Stau­nens auf den Frem­den ge­rich­tet, der ru­hig vor ihr her­ging.

      »So ist es!« sag­te sich der See­mann, »sie wird ihn ver­fol­gen, wie ein Han­dels­schiff einen Kor­sa­ren ver­folgt. Und wenn sie ge­se­hen ha­ben wird, daß er sich ent­fernt, dann wird sie in Verzweif­lung sein, daß sie nicht weiß, ob er sie liebt und ob es ein Mar­quis oder ein Bür­ger­li­cher ist. Die jun­gen Men­schen müß­ten im­mer eine alte Perücke wie mich bei sich ha­ben …«

      Er trieb sein Pferd aufs Ge­ra­te­wohl vor­wärts, so daß das sei­ner Nich­te wei­ter­ging und schob es so schnell zwi­schen sie und den jun­gen Spa­zier­gän­ger, daß er ihn zwang, schnell auf den grü­nen Ra­sen­strei­fen zu tre­ten, der den Weg ein­säum­te. Wäh­rend er sein Pferd jetzt an­hielt, rief der Graf ihm zu:

      »Kön­nen Sie denn nicht aus­wei­chen?«

      »Oh, Ver­zei­hung, mein Herr«, ant­wor­te­te der Un­be­kann­te. »Ich wüß­te nicht, daß ich mich bei Ih­nen zu ent­schul­di­gen hät­te, da Sie mich bei­na­he über­rit­ten ha­ben.«

      »Ach, Freund­chen, kei­ne Re­den wei­ter«, er­wi­der­te der See­mann scharf und in ei­nem Tone, des­sen höh­ni­scher Klang et­was Be­lei­di­gen­des hat­te.

      Gleich­zei­tig er­hob der Graf sei­ne Reit­peit­sche, als ob er sei­nem Pfer­de einen Hieb ver­set­zen woll­te und streif­te da­bei die Schul­ter sei­nes Geg­ners, wäh­rend er sag­te: »Die li­be­ra­len Bour­geois sind Kan­ne­gie­ßer, und je­der Kan­ne­gie­ßer soll­te vor­sich­tig sein.«

      Der jun­ge Mann stieg bei die­ser höh­ni­schen Be­mer­kung die Stra­ßen­bö­schung hin­auf, stell­te sich hier mit ge­kreuz­ten Ar­men hin und er­wi­der­te in sehr er­reg­tem Tone:

      »Mein Herr, wenn ich Ihr wei­ßes Haar sehe, kann ich ei­gent­lich nicht an­neh­men, daß es Ih­nen noch Spaß macht, ein Duell zu pro­vo­zie­ren.«

      »Wei­ßes Haar?« schrie der See­mann, ihn un­ter­bre­chend, »das lügst du in dei­nen Hals hin­ein, grau sind sie erst.«

      Der so be­gon­ne­ne Dis­put wur­de nach we­ni­gen Se­kun­den so heiß, daß der jun­ge Geg­ner den ge­mä­ßig­ten Ton, den er bis da­hin fest­zu­hal­ten sich be­müht hat­te, fal­len ließ. So­bald der Graf von Ker­ga­rou­et sei­ne Nich­te mit al­len An­zei­chen leb­haf­ter Un­ru­he sich ih­nen nä­hern sah, nann­te er sei­nem Wi­der­sa­cher sei­nen Na­men und er­such­te ihn, vor der jun­gen Dame, die sei­ner Hut an­ver­traut war, Schwei­gen zu be­wah­ren. Der Un­be­kann­te konn­te ein Lä­cheln nicht un­ter­drücken, über­reich­te dem al­ten See­mann eine Kar­te, in­dem er ihn dar­auf auf­merk­sam mach­te, daß er ein Land­haus in Che­vreu­se be­wohn­te, und ent­fern­te sich dann schnell, nach­dem er es ihm nä­her be­zeich­net hat­te.

      »Bei­na­he hät­test du die­sen ar­men Zi­vi­lis­ten ver­letzt, mei­ne lie­be Nich­te«, sag­te der Graf, der sich be­eilt hat­te, Emi­lie ent­ge­gen­zu­rei­ten. »Du hast dein Pferd nicht fest im Zü­gel. Du läßt mich da mei­ne Wür­de aufs Spiel set­zen, da­mit ich dei­ne Tor­hei­ten de­cke; wärst du bei mir ge­blie­ben, so hät­te ein ein­zi­ger Blick oder ein freund­li­ches Wort von dir, wie du sie so nett zu sa­gen weißt, wenn du nicht rück­sichts­los sein willst, al­les in Ord­nung ge­bracht, wäh­rend er so einen Arm­bruch hät­te da­von­tra­gen kön­nen.«

      »Aber, lie­ber On­kel, es war doch Ihr Pferd und nicht meins, das die Schuld trägt. Ich glau­be wahr­haf­tig, Sie kön­nen nicht mehr rei­ten; Sie sind nicht mehr der gute Rei­ter, der Sie noch im letz­ten Jah­re wa­ren. Aber an Stel­le die­ses lee­ren Ge­re­des …«

      »Teu­fel noch­mal! Das nennst du lee­res Ge­re­de, wenn du dei­nem On­kel Grob­hei­ten sagst?«

      »Müs­sen wir uns nicht er­kun­di­gen,

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