Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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die jun­gen Leu­te nicht, Re­vo­lu­tio­näre zu sein, wenn sie nur dem Kö­nig ge­stat­ten, ihre Auf­läu­fe zu zer­streu­en.«

      Ei­ni­ge Schrit­te wei­ter, als der Graf und sein jun­ger Beglei­ter mit­ten im Ge­hölz wa­ren, sah der See­mann eine jun­ge, ziem­lich schlan­ke Bir­ke, hielt sein Pferd an, zog eine sei­ner Pis­to­len her­aus und schoß auf fünf­zehn Schritt Ent­fer­nung eine Ku­gel mit­ten in den Baum.

      »Sie se­hen, mein Lie­ber, ich brau­che ein Duell nicht zu scheu­en,« sag­te er mit ko­mi­scher Wür­de und sah Herrn Lon­gue­ville an.

      »Ich auch nicht,« er­wi­der­te die­ser, zog schnell sei­ne Pis­to­le, ziel­te auf das Loch, das die Ku­gel des Gra­fen ge­macht hat­te, und pla­zier­te die sei­ni­ge dicht da­ne­ben.

      »Das nen­ne ich einen wohl­er­zo­ge­nen jun­gen Mann,« rief der See­mann mit ei­ner ge­wis­sen Be­geis­te­rung.

      Wäh­rend des Rit­tes, den er mit dem Man­ne mach­te, den er schon als sei­nen Nef­fen an­sah, fand er tau­send An­läs­se, ihn über all die Klei­nig­kei­ten aus­zu­fra­gen, de­ren ge­naue Kennt­nis, nach sei­nem be­son­de­ren Ko­dex, ihn erst zu ei­nem voll­kom­me­nen Gent­le­man mach­te.

      »Ha­ben Sie Schul­den?« frag­te er sei­nen Beglei­ter schließ­lich nach vie­len an­dern Fra­gen.

      »Nein.«

      »Wie, Sie be­zah­len al­les, was Sie kau­fen?«

      »Pünkt­lich, mein Herr. Sonst wür­den wir je­den Kre­dit und jede Ach­tung ein­bü­ßen.«

      »Aber Sie ha­ben doch we­nigs­tens mehr als eine Ge­lieb­te? Was, Sie wer­den rot, Ka­me­rad? … Wie ha­ben sich die Sit­ten ge­än­dert. Mit die­sen Ide­en von ge­setz­mä­ßi­ger Ord­nung, mit dem Kan­tis­mus und der Frei­heit ist die Ju­gend ver­dor­ben wor­den. Ihr habt we­der eine Gui­mard, noch eine Duthé, noch Gläu­bi­ger, und ihr ver­steht nichts von He­ral­dik; aber, jun­ger Freund, dann habt ihr ja gar kei­ne ›Er­zie­hung‹ ge­nos­sen! Mer­ken Sie sich; wer sei­ne Dumm­hei­ten nicht im Früh­ling macht, der macht sie im Win­ter. Wenn ich mit sieb­zig Jah­ren acht­zig­tau­send Fran­ken Ren­te habe, so ist das wahr­schein­lich des­halb, weil ich mit drei­ßig Jah­ren das Ka­pi­tal auf­ge­zehrt hat­te … oh, in al­len Ehren, mit mei­ner Frau. Aber Ihre Un­voll­kom­men­hei­ten wer­den mich nicht hin­dern, Ihren Be­such in der Vil­la Pla­nat an­zu­kün­di­gen. Den­ken Sie dar­an, daß Sie mir ver­spro­chen ha­ben, hin­zu­kom­men, ich er­war­te Sie dort.«

      »Was für ein merk­wür­di­ger klei­ner Al­ter,« sag­te sich der jun­ge Lon­gue­ville, »wie ein jun­ger Teu­fels­kerl; aber wenn er sich auch den An­schein ei­nes Bie­der­man­nes gibt – ich traue ihm nicht.«

      Am an­dern Tage ge­gen vier Uhr, als die Ge­sell­schaft sich in den Sa­lons und im Bil­lard­zim­mer auf­hielt, mel­de­te ein Die­ner den Be­woh­nern der Vil­la Pla­nat »Herrn von Lon­gue­ville«. Beim Na­men des Günst­lings des Gra­fen von Ker­ga­rou­et ström­te die gan­ze Ge­sell­schaft, bis auf den Bil­lard­spie­ler, der im Be­griff war, einen Fehl­stoß zu ma­chen, zu­sam­men, um Fräu­lein von Fon­tai­nes Hal­tung zu be­ob­ach­ten und den Phö­nix in Men­schen­ge­stalt zu prü­fen, der, im Ge­gen­satz zu so vie­len Ri­va­len, sich eine eh­ren­vol­le Er­wäh­nung ver­dient hat­te. Sei­ne eben­so vor­neh­me wie ein­fa­che Klei­dung, sei­ne lie­bens­wür­di­gen Ma­nie­ren, sein höf­li­ches We­sen, sei­ne wei­che Stim­me, de­ren Klang zu Her­zen ging, ge­wan­nen Herrn Lon­gue­ville das Wohl­wol­len der gan­zen Fa­mi­lie. Die Pracht der Woh­nung des rei­chen Ge­ne­ral­ein­neh­mers schi­en ihm nichts Un­ge­wohn­tes zu sein. Sei­ne Un­ter­hal­tung war die ei­nes Man­nes von Welt, aber je­der konn­te leicht mer­ken, daß er eine vor­züg­li­che Er­zie­hung ge­nos­sen hat­te und die bes­ten und aus­ge­dehn­tes­ten Be­zie­hun­gen be­saß. Er zeig­te sich bei ei­nem harm­lo­sen Ge­spräch über Schiffs­bau­ten, das der alte See­mann be­gon­nen hat­te, in der Ma­te­rie so be­wan­dert, daß eine der Da­men be­merk­te, er müs­se die po­ly­tech­ni­sche Schu­le be­sucht ha­ben. »Gnä­di­ge Frau,« ant­wor­te­te er, »ich glau­be, man kann es als einen Ruh­mes­ti­tel an­se­hen, wenn man dort auf­ge­nom­men wird.«

      Trotz leb­haf­ten Drän­gens lehn­te er höf­lich aber be­stimmt die Bit­te ab, zum Es­sen da­zu­blei­ben, und schnitt die Ge­gen­grün­de der Da­men mit der Be­mer­kung ab, daß er der Hip­po­kra­tes sei­ner jun­gen Schwes­ter sei, de­ren zar­te Ge­sund­heit sei­ne be­son­de­re Sorg­sam­keit er­for­de­re.

      »Der Herr ist wohl Arzt?« frag­te eine Schwä­ge­rin Emi­lies iro­nisch.

      »Der Herr hat die po­ly­tech­ni­sche Schu­le be­sucht,« ent­geg­ne­te freund­lich Fräu­lein von Fon­taine, de­ren Ant­litz sich mit blü­hen­der Far­be be­leb­te, als sie ver­nahm, daß das jun­ge Mäd­chen auf dem Bal­le Herrn Lon­gue­vil­les Schwes­ter war.

      »Aber, mei­ne Lie­be, man kann doch ein Arzt sein und trotz­dem die po­ly­tech­ni­sche Schu­le be­sucht ha­ben, nicht wahr, mein Herr?«

      »Dem steht nichts im Wege, gnä­di­ge Frau,« er­wi­der­te der jun­ge Mann.

      Al­ler Au­gen rich­te­ten sich jetzt auf Emi­lie, die mit ei­ner ge­wis­sen ängst­li­chen Neu­gier den ver­füh­re­ri­schen Un­be­kann­ten be­trach­te­te. Sie at­me­te erst wie­der auf, als er lä­chelnd hin­zu­füg­te: »Ich selbst habe nicht den Vor­zug, ein Arzt zu sein, und ich habe so­gar dar­auf ver­zich­tet, eine Stel­lung bei der Wege- und Was­ser­bau­ver­wal­tung an­zu­neh­men, um mir mei­ne Un­ab­hän­gig­keit zu be­wah­ren.«

      »Und Sie ha­ben wohl dar­an ge­tan,« sag­te der Graf. »Aber wie kön­nen Sie es als einen Vor­zug an­se­hen, ein Arzt zu sein?« füg­te der vor­neh­me Bre­to­ne hin­zu. »Für einen Mann wie Sie, mein jun­ger Freund …«

      »Herr Graf, ich habe eine un­be­grenz­te Hochach­tung vor al­len Be­ru­fen, die einen nütz­li­chen Zweck ha­ben.«

      »Oh, dar­in sind wir ei­nig: ich neh­me an, daß Sie vor die­sen Be­ru­fen den­sel­ben Re­spekt ha­ben, wie ein jun­ger Mann vor ei­ner al­ten Stifts­da­me.«

      Der Be­such des Herrn Lon­gue­ville war we­der zu lang noch zu kurz. Er emp­fahl sich, so­bald er wahr­nahm, daß er all­ge­mein ge­fal­len und je­den neu­gie­rig be­züg­lich sei­ner Per­son ge­macht hat­te. »Das ist ein schlau­er Bru­der,« sag­te der Graf, als er in den Sa­lon zu­rück­kehr­te, nach­dem er ihn hin­aus­be­glei­tet hat­te.

      Fräu­lein von Fon­taine, die al­lein von die­sem Be­such vor­her un­ter­rich­tet war, hat­te sehr sorg­fäl­tig Toi­let­te ge­macht, um die Bli­cke des jun­gen Man­nes auf sich zu zie­hen; aber sie muß­te, was ihr et­was Kum­mer ver­ur­sach­te, be­mer­ken, daß er ihr nicht so viel Auf­merk­sam­keit schenk­te, wie sie zu ver­die­nen glaub­te. Die Fa­mi­lie war ziem­lich er­staunt über das Schwei­gen, das sie be­wahrt hat­te. Ge­wöhn­lich ent­fal­te­te Emi­lie vor neu­en Be­su­chern ihre Ko­ket­te­rie, ihr geist­rei­ches Ge­schwätz und die

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