Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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Frem­den dach­te; aber als wäh­rend des Di­ners ein je­der sich dar­in ge­fiel, an Herrn Lon­gue­ville einen neu­en Vor­zug zu rüh­men und be­haup­te­te, daß er al­lein ihn ent­deckt hät­te, blieb Fräu­lein von Fon­taine eine Zeit­lang stumm; eine klei­ne spöt­ti­sche Be­mer­kung ih­res On­kels weck­te sie plötz­lich aus ih­rer Apa­thie und sie be­merk­te ziem­lich spitz, daß eine sol­che gött­li­che Voll­kom­men­heit ir­gend­ei­nen großen Feh­ler ver­de­cken müs­se, und daß sie sich hüte, auf den ers­ten Blick über einen so ge­wand­ten Men­schen ein Ur­teil ab­zu­ge­ben. »Wer der­art al­ler Welt ge­fällt, ge­fällt nie­man­dem«, füg­te sie hin­zu, »und der schlimms­te Feh­ler ist, wenn man kei­nen Feh­ler hat.« Wie alle ver­lieb­ten jun­gen Mäd­chen schmei­chel­te sich Emi­lie mit der Hoff­nung, sie kön­ne ihr Füh­len im tiefs­ten Her­zen ver­bor­gen hal­ten und die Ar­gus­au­gen ih­rer Um­ge­bung ir­re­füh­ren; aber nach Ver­lauf von vier­zehn Ta­gen war je­des Mit­glied der zahl­rei­chen Fa­mi­lie in das häus­li­che Ge­heim­nis ein­ge­weiht. Beim drit­ten Be­su­che, den Herr Lon­gue­ville mach­te, glaub­te Emi­lie zu er­ken­nen, daß sie der Haupt­an­laß dazu sei. Die­se Ent­de­ckung ver­ur­sach­te ihr eine so be­rau­schen­de Freu­de, daß sie sel­ber in Er­stau­nen ge­riet, als sie dar­über nach­dach­te. Denn es lag dar­in et­was, was ih­ren Stolz schmerz­lich be­rühr­te. Ge­wöhnt, sich zum Mit­tel­punk­te der Ge­sell­schaft zu ma­chen, muß­te sie nun eine Macht an­er­ken­nen, die sie ge­gen ih­ren Wil­len an sich zog; sie ver­such­te, sich da­ge­gen auf­zu­leh­nen, aber sie konn­te das ver­füh­re­ri­sche Bild des jun­gen Man­nes nicht aus ih­rem Her­zen ver­ban­nen. Dazu ka­men bald noch an­de­re Beun­ru­hi­gun­gen. Zwei Ei­gen­schaf­ten des Herrn Lon­gue­ville stan­den der all­ge­mei­nen Neu­gier­de und be­son­ders der des Fräu­leins von Fon­taine ent­ge­gen, näm­lich sei­ne un­er­war­te­te Zu­rück­hal­tung und sei­ne Be­schei­den­heit. Den ge­schick­ten Fra­gen, die Emi­lie in die Un­ter­hal­tung ein­flie­ßen ließ, und den Fal­len, die sie da­bei stell­te, um dem jun­gen Man­ne Nä­he­res über sein Le­ben zu ent­lo­cken, wuß­te er mit der Ge­wandt­heit ei­nes Di­plo­ma­ten, der sein Ge­heim­nis hü­ten will, aus­zu­wei­chen. Sprach sie über Ma­le­rei, so ant­wor­te­te ihr Herr Lon­gue­ville als Ken­ner. Mach­te sie Mu­sik, so be­wies ihr der jun­ge Mann, ohne sich da­mit zu brüs­ten, daß er ein gu­ter Kla­vier­spie­ler war. An ei­nem Aben­de ent­zück­te er die gan­ze Ge­sell­schaft, als er sei­ne wun­der­vol­le Stim­me mit der Emi­lies in ei­nem der schöns­ten Duet­te Ci­ma­ro­sas ver­ei­nig­te; wenn man aber ver­such­te, ihn aus­zu­for­schen, ob er ein Künst­ler wäre, so scherz­te er mit sol­cher Ge­wandt­heit dar­über hin­weg, daß er die­sen Da­men, die so ge­übt in der Kunst des Ge­dan­ken­le­sens wa­ren, kei­ne Mög­lich­keit ge­währ­te, her­aus­zu­be­kom­men, zu wel­cher ge­sell­schaft­li­chen Sphä­re er ge­hör­te. Wie kühn auch der alte On­kel sei­nen En­ter­ha­ken ge­gen die­ses Schiff schleu­der­te, Lon­gue­ville ver­stand ihm aus­zu­wei­chen und den Reiz des Ge­heim­nis­vol­len zu be­wah­ren; und es wur­de ihm um so leich­ter, in der Vil­la Pla­nat »der schö­ne Un­be­kann­te« zu blei­ben, als die Neu­gier­de nie­mals die Gren­zen der Höf­lich­keit über­schritt. Emi­lie, die die­se Zu­rück­hal­tung pein­lich emp­fand, hoff­te bei der Schwes­ter ein bes­se­res Re­sul­tat ver­trau­li­cher Er­öff­nun­gen zu er­zie­len, als bei dem Bru­der. Un­ter­stützt von dem On­kel, der sich auf der­ar­ti­ge Ma­nö­ver wie auf Schiffs­ma­nö­ver ver­stand, ver­such­te sie, die bis­her stum­me Per­sön­lich­keit des Fräu­leins Kla­ra Lon­gue­ville auf die Sze­ne zu brin­gen. Die Ge­sell­schaft der Vil­la be­zeug­te bald den drin­gen­den Wunsch, eine so lie­bens­wür­di­ge Per­son ken­nen­zu­ler­nen und ihr et­was Zer­streu­ung zu ver­schaf­fen. Ein zwang­lo­ser Ball wur­de in Vor­schlag ge­bracht und ak­zep­tiert. Die Da­men wa­ren ziem­lich hoff­nungs­voll, daß sie ein jun­ges Mäd­chen von sech­zehn Jah­ren wür­den zum Re­den brin­gen kön­nen. Trotz der klei­nen Wol­ken, die der Ver­dacht zu­sam­men­zog und die Neu­gier­de ent­ste­hen ließ, hat­te doch hel­ler Son­nen­schein über Fräu­lein von Fon­tai­nes See­le sich er­gos­sen, die einen köst­li­chen Ge­nuß dar­in fand, sich mit ei­nem an­de­ren We­sen ver­bun­den zu füh­len. Sie be­gann jetzt auch, die ge­sell­schaft­li­chen Pf­lich­ten bes­ser zu ver­ste­hen. Sei es, daß das Glück uns bes­ser macht, sei es, daß sie zu sehr mit sich selbst be­schäf­tigt war, um an­de­re zu quä­len, sie wur­de we­ni­ger bos­haft, nach­gie­bi­ger, sanf­ter. Über die­se We­sens­än­de­rung war ihre Fa­mi­lie er­staunt und ent­zückt. Es war wohl mög­lich, daß ihr Ego­is­mus sich in Lie­be ver­wan­delt hat­te. Die An­kunft ih­res schüch­ter­nen und ge­heim­nis­vol­len An­be­ters zu er­war­ten, be­rei­te­te ihr eine tief emp­fun­de­ne Freu­de. Ohne daß ein Wort über ihre Lei­den­schaft zwi­schen ih­nen laut ge­wor­den war, wuß­te sie, daß sie ge­liebt wur­de, und sie kos­te­te den Ge­nuß aus, alle Schät­ze ih­res reich ent­wi­ckel­ten Geis­tes vor dem jun­gen Un­be­kann­ten aus­zu­brei­ten. Sie merk­te wohl, daß auch sie ein­ge­hend ge­prüft wur­de, und sie be­müh­te sich, alle Feh­ler, die auf ih­rer Er­zie­hung be­ruh­ten, ab­zu­le­gen. Es war die Lie­be, die sie ver­an­laß­te, sich zum ers­ten­mal zu un­ter­wer­fen und sich selbst bit­te­re Vor­wür­fe zu ma­chen. Sie woll­te ge­fal­len und sie ent­zück­te, sie lieb­te und sie wur­de an­ge­be­tet. Da ihre An­ge­hö­ri­gen wuß­ten, daß ihr Stolz sie aus­rei­chend be­schütz­te, so lie­ßen sie ihr ge­nü­gend Frei­heit, so daß sie alle die klei­nen be­glücken­den Kin­de­rei­en aus­kos­ten konn­te, die der ers­ten Lie­be so viel Reiz und so viel Kraft ver­lei­hen. Mehr als ein­mal gin­gen der jun­ge Mann und Fräu­lein von Fon­taine al­lein in den Al­leen des Parks spa­zie­ren, der von der Na­tur ge­schmückt war, wie eine Frau zum Bal­le. Mehr als ein­mal er­freu­ten sie sich an dem ziel- und zweck­lo­sen Ge­plau­der, des­sen Sät­ze, wenn sie an­schei­nend kei­nen rech­ten Sinn ha­ben, um so wär­me­res Emp­fin­den in sich ber­gen. Ge­mein­sam be­wun­der­ten sie oft­mals die herr­li­chen Far­ben des Son­nen­un­ter­gangs. Sie pflück­ten Gän­se­blüm­chen, um die Blät­ter ab­zu­zup­fen, und san­gen die lei­den­schaft­lichs­ten Duet­te, in­dem sie sich der Töne Per­go­le­ses oder Ros­si­nis als ge­treu­er Dol­met­scher für ihr heim­li­ches Emp­fin­den be­dien­ten.

      So kam der Ball­tag her­an. Kla­ra Lon­gue­ville und ihr Bru­der, den die Kam­mer­die­ner hart­nä­ckig mit dem Adelsprä­di­kat nann­ten, wa­ren der Glanz­punkt des Abends. Zum ers­ten­mal in ih­rem Le­ben be­rei­te­te der Tri­umph ei­nes an­dern jun­gen Mäd­chens Fräu­lein von Fon­taine Freu­de. Sie über­häuf­te Kla­ra mit ehr­lich ge­mein­ten lie­be­vol­len Zärt­lich­kei­ten und Be­mü­hun­gen, die die Frau­en ein­an­der ge­wöhn­lich nur dann er­wei­sen, wenn sie die Män­ner ei­fer­süch­tig ma­chen wol­len. Emi­lie aber ver­folg­te ein be­stimm­tes Ziel, sie woll­te Ge­heim­nis­se her­aus­be­kom­men. Aber Fräu­lein Lon­gue­ville be­wies als weib­li­ches We­sen noch mehr geis­ti­ge Ge­wandt­heit als ihr Bru­der; da­bei mach­te sie gar nicht den Ein­druck, als ob sie et­was ver­schwei­gen wol­le, und ver­stand es, die Un­ter­hal­tung auf ei­nem Ge­biet, das mit per­sön­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten nichts zu tun hat­te, fest­zu­hal­ten, und sie tat das in ei­ner so rei­zen­den Wei­se, daß Fräu­lein von Fon­taine von ei­ner Art Neid er­grif­fen wur­de und sie eine »Si­re­ne« nann­te. Wäh­rend Emi­lie ge­plant hat­te, Kla­ra zum Re­den zu brin­gen, forsch­te Kla­ra Emi­lie aus; sie woll­te sich ein Ur­teil bil­den, und sie wur­de von der an­dern ins Ver­hör ge­nom­men; sie är­ger­te

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