Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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      »Wes­halb mei­nen Sie denn, daß er ein Ple­be­jer ist, lie­ber On­kel? Mir scheint, daß er sehr gute Ma­nie­ren hat.«

      »Alle Welt hat heu­te gute Ma­nie­ren, mein Kind.«

      »Nein, lie­ber On­kel, alle Welt hat nicht das Auf­tre­ten und die Hal­tung, die nur der stän­di­ge Ver­kehr mit der gu­ten Ge­sell­schaft ver­leiht; ich bin gern be­reit, mit Ih­nen zu wet­ten, daß der jun­ge Mann zum Adel ge­hört.«

      »Du hast nicht ge­ra­de viel Zeit ge­habt, um ihn ge­nau an­zu­se­hen.«

      »Ich sehe ihn ja nicht zum ers­ten Male.«

      »Und es ist auch nicht das ers­te­mal, daß du auf der Su­che nach ihm bist«, er­wi­der­te der Ad­mi­ral la­chend.

      Emi­lie wur­de rot, und ihr On­kel wei­de­te sich dar­an, sie eine Zeit­lang in ih­rer Ver­le­gen­heit zu las­sen; dann sag­te er: »Emi­lie, du weißt, daß ich dich wie mein ei­ge­nes Kind lie­be, und zwar ge­ra­de des­halb, weil du die ein­zi­ge in der Fa­mi­lie bist, die den Ah­nen­stolz be­sitzt, den eine vor­neh­me Ge­burt ver­leiht. Wer, beim Teu­fel, hät­te ah­nen kön­nen, daß sol­che wich­ti­gen Grund­sät­ze heu­te so sel­ten ge­wor­den sein wür­den? Also, ich will dein Ver­trau­ter sein. Ich sehe wohl, Klei­ne, daß die­ser jun­ge Gent­le­man dir nicht gleich­gül­tig ist. Still! Die Fa­mi­lie wür­de uns aus­la­chen, wenn wir un­ter falscher Flag­ge se­gel­ten. Du weißt, was das be­deu­tet. Also laß mich dir hel­fen, Kind. Hal­ten wir die Sa­che ge­heim, und ich ver­spre­che dir, daß ich ihn in un­ser Haus brin­gen wer­de.«

      »Und wann, lie­ber On­kel?«

      »Mor­gen.«

      »Aber, lie­ber On­kel, das ver­pflich­tet mich doch noch zu nichts?«

      »Ab­so­lut zu nichts, und du kannst ihn be­schie­ßen, ihn in Brand ste­cken und ihn dann wie eine ge­brauch­te alte Tas­se ste­hen­las­sen, wenn es dir be­liebt. Er wird dann nicht der ers­te Sol­che sein, nicht wahr?«

      »Du bist so gut, lie­ber On­kel!«

      So­bald der Graf heim­ge­kehrt war, setz­te er sei­ne Bril­le auf die Nase, zog heim­lich die Kar­te aus der Ta­sche und las: »Ma­xi­mi­li­an Lon­gue­ville, Rue de Sen­tier.«

      »Sei be­ru­higt, mei­ne Lie­be,« sag­te er zu Emi­lie, »du kannst mit al­ler Ge­wis­sens­ru­he nach ihm an­geln, er ge­hört ei­ner un­se­rer his­to­ri­schen Fa­mi­li­en an; und wenn er noch nicht Pair von Frank­reich ist, so wird er es un­fehl­bar wer­den.«

      »Und wo­her wis­sen Sie das?«

      »Das ist mein Ge­heim­nis.«

      »Ken­nen Sie denn sei­nen Na­men?«

      Der Graf nick­te mit sei­nem grau­en Haup­te, das ei­nem al­ten Ei­chen­stamm glich, um den ei­ni­ge Blät­ter, die die Herbst­käl­te zu­sam­men­trock­nen ließ, sich rank­ten; auf die­ses Zei­chen hin be­gann sei­ne Nich­te, ihn die im­mer wie­der neue Macht ih­rer Ko­ket­te­ri­en füh­len zu las­sen. Sie ver­stand die Kunst, den al­ten See­mann zu um­schmei­cheln, und über­häuf­te ihn mit den kind­lichs­ten Zärt­lich­kei­ten und den sü­ßes­ten Wor­ten; sie ging selbst so­weit, ihn zu um­ar­men, um das ihr so wich­ti­ge Ge­heim­nis zu er­fah­ren. Der Alte, der sei­ne Zeit da­mit ver­brach­te, sich von sei­ner Nich­te sol­che Sze­nen vor­spie­len zu las­sen, und sie oft mit ei­nem Schmuck oder der Über­las­sung sei­ner Loge im Théâtre des Ita­li­ens be­zahl­te, ge­fiel sich dies­mal dar­in, sich bit­ten und vor al­lem, sich lieb­ko­sen zu las­sen. Da er aber sein Ver­gnü­gen zu lan­ge aus­deh­nen woll­te, so wur­de Emi­lie böse, ging von Zärt­lich­kei­ten zu bos­haf­ten Be­mer­kun­gen über, schmoll­te und nä­her­te sich ihm dann doch wie­der, von ih­rer Neu­gier ge­trie­ben. Der schlaue See­mann ließ sich von ihr das fei­er­li­che Ver­spre­chen ge­ben, in Zu­kunft zu­rück­hal­ten­der, sanf­ter, we­ni­ger ei­gen­sin­nig und spar­sa­mer zu sein, vor al­lem aber, daß sie ihm al­les sa­gen wür­de. Die­ser Ver­trag wur­de ge­schlos­sen und mit ei­nem Kus­se be­sie­gelt, den er auf Emi­li­ens wei­ße Stirn drück­te; dann nahm er sie in einen Win­kel des Zim­mers mit sich, setz­te sie auf sei­ne Knie, nahm die Kar­te zwi­schen zwei Fin­ger, um sie zu ver­de­cken, ent­hüll­te Buch­sta­be für Buch­sta­be den Na­men Lon­gue­ville und wei­ger­te sich hart­nä­ckig, sie mehr se­hen zu las­sen. Die­ser Vor­gang er­höh­te noch Fräu­lein von Fon­tai­nes heim­li­ches Seh­nen, die einen großen Teil der Nacht in den herr­lichs­ten Traum­bil­dern, wie sie ih­rer Ein­bil­dungs­kraft vor­ge­schwebt hat­ten, schwelg­te. Dank die­sem Vor­fall, den sie so oft her­bei­ge­sehnt hat­te, konn­te Emi­lie jetzt et­was ganz an­de­res als eine Chi­mä­re als Quel­le all der vor­ge­stell­ten Reich­tü­mer an­se­hen, mit de­nen sie ihr künf­ti­ges Ehe­le­ben aus­ge­schmückt hat­te. Wie alle jun­gen Per­so­nen, die die Ge­fah­ren der Lie­be und Ehe nicht ken­nen, schwärm­te sie für die trü­ge­ri­schen Äu­ßer­lich­kei­ten der Ehe und der Lie­be. Und so keim­te in ihr ein Ge­fühl auf, wie fast alle sol­che lau­nen­haf­ten Ge­füh­le im ju­gend­li­chen Al­ter ent­ste­hen, die­se sü­ßen und doch so bit­te­ren Irr­tü­mer, die einen so un­heil­vol­len Ein­fluß auf die Exis­tenz jun­ger Mäd­chen aus­üben, die so un­er­fah­ren sind, daß sie die Sor­ge für ihr zu­künf­ti­ges Glück al­lein auf sich neh­men. Am an­dern Mor­gen, wäh­rend Emi­lie noch schlief, be­gab sich ihr On­kel ei­ligst nach Che­vreu­se. Hier fand er auf dem Hofe ei­ner ele­gan­ten Vil­la den jun­gen Mann vor, den er am Abend vor­her so rück­sichts­los be­lei­digt hat­te; mit der lie­bens­wür­di­gen Höf­lich­keit der al­ten Her­ren am frü­he­ren Hofe ging er auf ihn zu.

      »Mein ver­ehr­ter Herr, wer hät­te ge­dacht, daß ich im Al­ter von drei­und­sieb­zig Jah­ren noch in eine Af­fä­re mit dem Soh­ne oder dem En­kel ei­nes mei­ner bes­ten Freun­de ver­wi­ckelt wer­den könn­te! Ich bin Vi­zead­mi­ral, mein Herr. Das darf wohl hei­ßen, daß mich ein Duell so we­nig be­küm­mert wie das Rau­chen ei­ner Zi­gar­re. Zu mei­ner Zeit konn­ten zwei jun­ge Leu­te erst in­ti­me Freun­de wer­den, nach­dem sie die Far­be ih­res Blu­tes ge­se­hen hat­ten. Aber ges­tern, beim hei­li­gen Kreuz, hat­te ich et­was zu viel Rum ge­la­den und bin an Ih­nen ge­ken­tert. Mer­ken Sie sich: ich wür­de mich lie­ber hun­dert Zu­recht­wei­sun­gen von sei­ten ei­nes Lon­gue­ville aus­set­zen, als sei­ner Fa­mi­lie den ge­rings­ten Kum­mer be­rei­ten.«

      Wie kühl sich auch der jun­ge Mann ge­gen den Gra­fen Ker­ga­rou­et zu be­neh­men such­te, lan­ge konn­te er doch nicht der frei­mü­ti­gen Herz­lich­keit sei­nes Geg­ners wi­der­ste­hen und ließ sich von ihm die Hand drücken.

      »Sie woll­ten aus­rei­ten,« sag­te der Graf, »las­sen Sie sich nicht stö­ren. Wenn Sie aber nichts an­de­res vor­ha­ben, dann be­glei­ten Sie mich, ich lade Sie heu­te zum Es­sen in die Vil­la Pla­nat ein. Mein Nef­fe, der Graf von Fon­taine, ist ein Mann, den Sie ken­nen­ler­nen müs­sen. Potz Wet­ter, ich habe die Ab­sicht, Sie zur Ent­schä­di­gung für mei­ne Grob­heit fünf der hüb­sche­s­ten Frau­en von Pa­ris vor­zu­stel­len. Ha, ha, jun­ger Mann, Ihre Stirn glät­tet sich. Ich lie­be die

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