Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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Le­ben vor sich hat.« Dann über­ließ sie sich an­dern Ge­dan­ken, die ihr viel in­ter­essan­ter wa­ren, als die frü­he­ren; da ver­riet ihr ein leich­tes Rau­schen der Blät­ter, daß Ma­xi­mi­li­an sie schon eine Zeit­lang, ge­wiß mit Sehn­sucht, be­ob­ach­te­te.

      »Wis­sen Sie, daß das sehr schlecht ist, ein jun­ges Mäd­chen so zu über­ra­schen?« sag­te sie lä­chelnd.

      »Be­son­ders wenn es mit sei­nen Ge­heim­nis­sen be­schäf­tigt ist«, er­wi­der­te Ma­xi­mi­li­an lis­tig.

      »Wa­rum soll­te ich kei­ne Ge­heim­nis­se ha­ben? Sie ha­ben ja si­cher auch wel­che.«

      »Dach­ten Sie wirk­lich über Ihre Ge­heim­nis­se nach?« ent­geg­ne­te er la­chend.

      »Nein, ich dach­te an die Ih­ri­gen. Mei­ne ken­ne ich.«

      »Aber,« rief der jun­ge Mann zärt­lich aus und bot Fräu­lein von Fon­taine den Arm, »viel­leicht sind mei­ne Ge­heim­nis­se die Ih­ri­gen und Ihre die mei­nen.«

      Nach ei­ni­gen Schrit­ten be­fan­den sie sich un­ter ei­ner Baum­grup­pe, die die Far­ben der un­ter­ge­hen­den Son­ne wie mit ei­ner röt­lich­brau­nen Wol­ke um­hüll­ten. Die­se wun­der­ba­re Na­tur­er­schei­nung ver­lieh dem Mo­men­te eine ge­wis­se Fei­er­lich­keit. Die leb­haf­te freie Be­we­gung des jun­gen Man­nes und vor al­lem der Aufruhr sei­nes po­chen­den Her­zens, des­sen has­ti­ge Schlä­ge zu Emi­li­ens Arm re­de­ten, ver­setz­ten sie in eine um so tiefer­ge­hen­de Er­re­gung, als die­se durch die ein­fachs­ten und harm­lo­ses­ten Um­stän­de ver­an­laßt wor­den war. Die Zu­rück­hal­tung, in der die jun­gen Mäd­chen der vor­neh­men Ge­sell­schafts­krei­se sonst zu le­ben ge­wohnt sind, gibt ih­ren Ge­fühls­aus­brü­chen eine un­glaub­li­che Ge­walt, und sie ge­ra­ten in die größ­te Ge­fahr, wenn sie mit ei­nem lei­den­schaft­li­chen Ge­lieb­ten zu­sam­men­tref­fen. Noch nie­mals hat­ten die Au­gen Emi­lies und Ma­xi­mi­lians sich so vie­les, was man nicht aus­zu­spre­chen wagt, ge­sagt. Hin­ge­ris­sen von die­ser Trun­ken­heit, ver­ga­ßen sie leicht die klei­nen Be­den­ken ih­res Stol­zes und die küh­len Er­wä­gun­gen ih­res Miß­trau­ens. Sie konn­ten zu­erst ih­rem se­li­gen Ge­fühl nur durch einen hei­ßen Druck ih­rer Hän­de Aus­druck ge­ben.

      »Herr Lon­gue­ville, ich muß eine Fra­ge an Sie rich­ten«, sag­te Fräu­lein von Fon­taine zit­ternd und er­regt. »Aber ich bit­te Sie drin­gend, zu be­den­ken, daß ich zu die­ser Fra­ge ge­wis­ser­ma­ßen durch die ziem­lich ei­gen­ar­ti­ge Lage ge­zwun­gen bin, in der ich mich mei­ner Fa­mi­lie ge­gen­über be­fin­de.«

      Eine für Emi­lie schreck­li­che Pau­se trat nach die­sen fast ge­stam­mel­ten Sät­zen ein. Wäh­rend die­ser Stil­le wag­te das stol­ze jun­ge Mäd­chen nicht, dem leuch­ten­den Bli­cke des­sen, den sie lieb­te, zu be­geg­nen, denn sie hat­te im ge­hei­men die Emp­fin­dung, daß das, was sie jetzt sa­gen wür­de, er­nied­ri­gend war: »Sind Sie ade­lig?«

      Als die­se Wor­te aus­ge­spro­chen wa­ren, hät­te sie sich am liebs­ten auf dem Mee­res­grun­de ver­steckt.

      »Mein Fräu­lein,« er­wi­der­te Lon­gue­ville, wäh­rend sein er­reg­tes Ge­sicht den Aus­druck wür­de­vol­len Erns­tes an­nahm, »ich ver­spre­che Ih­nen, die­se Fra­ge ohne Um­schwei­fe zu be­ant­wor­ten, wenn Sie mir auf­rich­tig auf die ant­wor­ten wol­len, die ich an Sie zu rich­ten habe.« Er ließ den Arm des jun­gen Mäd­chens los, das plötz­lich die Emp­fin­dung hat­te, daß es al­lein in der Welt stün­de, und sag­te: »Was bezwe­cken Sie mit die­ser Fra­ge nach mei­ner Her­kunft?« Un­be­weg­lich, kalt und stumm blieb sie ste­hen. »Mein Fräu­lein,« fuhr Ma­xi­mi­li­an fort, »ge­hen wir nicht wei­ter, wenn wir uns nicht ver­ste­hen. – Ich lie­be Sie«, sag­te er, und sei­ne Stim­me klang warm und herz­lich. »Und nun sa­gen Sie mir,« füg­te er mit glück­li­chem Ge­sicht hin­zu, als er einen Aus­ruf des Ent­zückens ver­nahm, den das jun­ge Mäd­chen nicht hat­te zu­rück­hal­ten kön­nen, »wes­halb fra­gen Sie mich, ob ich ade­lig bin?«

      »Könn­te er so spre­chen, wenn er es nicht wäre?« rief eine in­ne­re Stim­me, die Emi­lie aus der Tie­fe ih­res Her­zens zu ver­neh­men glaub­te. Sie er­hob dank­bar den Kopf, schi­en neue Kraft aus dem Bli­cke des jun­gen Man­nes zu schöp­fen und reich­te ihm den Arm, als ob sie einen neu­en Bund mit ihm schlie­ßen woll­te.

      »Ha­ben Sie ge­glaubt, daß ich so sehr auf den Rang sehe?« frag­te sie mit fei­nem Spot­te.

      »Ich habe mei­ner Frau kei­nen Ti­tel an­zu­bie­ten«, ent­geg­ne­te er, halb scherz­haft, halb ernst. »Aber wenn ich sie von ho­hem Ran­ge und aus ei­nem Krei­se wäh­le, wo sie das vä­ter­li­che Ver­mö­gen an Lu­xus und an die An­nehm­lich­kei­ten des Reich­tums ge­wöhnt hat, so weiß ich, wozu mich eine sol­che Wahl ver­pflich­tet. Die Lie­be ent­schä­digt zwar für al­les, aber nur die Lie­ben­den. Für die Ehe ist doch ein we­nig mehr nö­tig als das Dach des Him­mels­zel­tes und der Tep­pich der Wie­sen.«

      Er ist reich, dach­te sie. Und was er von den Ti­teln sag­te, da­mit will er mich viel­leicht prü­fen! Man wird ihm hin­ter­bracht ha­ben, daß ich in den Adel ver­narrt sei, und daß ich einen Pair von Frank­reich hei­ra­ten wol­le. Mei­ne schein­hei­li­gen Schwes­tern wer­den mir die­sen Streich ge­spielt ha­ben. – »Ich ver­si­che­re Ih­nen, mein Herr,« sag­te sie laut, »daß ich frü­her über das Le­ben und die Ge­sell­schaft recht über­trie­be­ne An­sich­ten ge­habt habe; heu­te aber,« fuhr sie mit Nach­druck fort und warf ihm einen Blick zu, der ihn när­risch ma­chen konn­te, »heu­te weiß ich, worin für die Frau der wah­re Reich­tum zu fin­den ist.«

      »Ich be­darf des Glau­bens, daß Sie auf­rich­tig spre­chen«, er­wi­der­te er mit freund­li­chem Ernst. »Noch in die­sem Win­ter, mei­ne teu­re Emi­lie, viel­leicht schon eher als in zwei Mo­na­ten, wer­de ich stolz auf das sein, was ich Ih­nen an­bie­ten kann, wenn Sie auf den Ge­nuß von Reich­tum Wert le­gen. Das soll das ein­zi­ge Ge­heim­nis sein, das ich hier noch be­wah­re,« sag­te er und wies auf sein Herz; »denn von dem Er­fol­ge hängt mein Glück, ich wage nicht zu sa­gen, un­ser Glück, ab …«

      »Oh, sa­gen Sie es, sa­gen Sie es!«

      So kehr­ten sie, mit schö­nen Zu­kunfts­plä­nen be­schäf­tigt, lang­sa­men Schrit­tes zu der Ge­sell­schaft im Sa­lon zu­rück. Noch nie­mals hat­te Fräu­lein von Fon­taine ih­ren An­be­ter so lie­bens­wür­dig und so geist­voll ge­se­hen: sei­ne schlan­ke Fi­gur, sein an­zie­hen­des We­sen er­schie­nen ihr noch reiz­vol­ler, seit­dem die eben statt­ge­hab­te Un­ter­re­dung sie des Be­sit­zes ei­nes Her­zens ver­si­chert hat­te, um das sie alle Frau­en be­nei­den konn­ten. Sie san­gen ein ita­lie­ni­sches Duett mit sol­chem Aus­druck, daß die Ge­sell­schaft be­geis­tert Bei­fall klatsch­te. Ihr Ab­schied hat­te et­was Kon­ven­tio­nel­les, hin­ter dem sie ihr Glück ver­ber­gen woll­ten. So wur­de die­ser Tag für das jun­ge Mäd­chen eine Ket­te, die sie noch fes­ter an das Ge­schick des Un­be­kann­ten fes­sel­te. Die Kraft und Wür­de, die er bei der Sze­ne, in der sie sich ihre Ge­füh­le ge­stan­den, ent­wi­ckelt hat­te, muß­ten Fräu­lein von Fon­taine

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