Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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sein wür­den. Nach­dem sie neun­zehn Jah­re aus der Angst nicht her­aus­ge­kom­men war, war es für sie ein so sü­ßes Ge­fühl, sich ein­mal an ei­nem ein­zi­gen Tage ganz der Freu­de hin­ge­ben zu kön­nen, daß Kon­stan­ze ih­rer Toch­ter das Ver­spre­chen gab, das Glück ih­res Man­nes durch kei­nen Ein­wand zu trü­ben und sich in al­les zu fü­gen. Als Herr Grin­dot sie ge­gen elf Uhr ver­las­sen hat­te, warf sie sich ih­rem Man­ne vor Freu­de wei­nend an den Hals und sag­te: »Ach, Cäsar, du hast mich ganz när­risch vor Glück­se­lig­keit ge­macht.«

      »Vor­aus­ge­setzt, daß es so bleibt, nicht wahr?« sag­te Cäsar la­chend.

      »Es wird so blei­ben, ich habe kei­ne Angst mehr«, sag­te Frau Bi­rot­teau.

      »Gott sei Dank,« sag­te der Par­füm­händ­ler, »end­lich läßt du mir Ge­rech­tig­keit wi­der­fah­ren.«

      Wer groß­den­kend ge­nug ist, um sich sei­ne ei­ge­nen Schwä­chen ein­zu­ge­ste­hen, wird zu­ge­ben, daß eine arme Wai­se, die vor acht­zehn Jah­ren ers­te Ver­käu­fe­rin im Pe­tit-Ma­te­lot, Ile Saint-Louis, war, und ein ar­mer Bau­ern­jun­ge, der mit ei­nem Stock in der Hand, zu Fuß, in ei­sen­be­schla­ge­nen Stie­feln aus der Tou­rai­ne nach Pa­ris ge­kom­men war, sich ge­schmei­chelt und glück­lich füh­len muß­ten, ein sol­ches Fest und aus so löb­li­chen Grün­den ge­ben zu kön­nen.

      »Ich wür­de, bei Gott, hun­dert Fran­ken her­ge­ben,« sag­te Cäsar, »wenn wir jetzt Be­such be­kämen.«

      »Der Herr Abbé Loraux«, mel­de­te Vir­gi­nie.

      Und der Abbé Loraux trat ein. Die­ser Pries­ter war da­mals Vi­kar an der Kir­che Saint-Sul­pi­ce. Nie­mals hat die Macht des Geis­tes sich kräf­ti­ger er­wie­sen als bei die­sem Pries­ter, des­sen Um­gang einen tie­fen Ein­druck auf alle, die ihn ken­nen­lern­ten, mach­te. Sein mür­ri­sches Ge­sicht, so häß­lich, daß man kaum zu ihm Ver­trau­en fas­sen konn­te, hat­te die Übung der ka­tho­li­schen Tu­gen­den er­ha­ben ge­macht: der himm­li­sche Glanz er­schi­en schon hie­nie­den dar­auf. Die Rein­heit, die sein gan­zes We­sen durch­drang, ver­schö­ner­te sei­ne un­an­ge­neh­men Züge, und sei­ne hei­ße Men­schen­lie­be ver­edel­te ihre un­re­gel­mä­ßi­gen Li­ni­en, ein Phä­no­men, das dem ent­ge­gen­ge­setzt war, das bei Cla­paron al­les ver­tiert und ver­dor­ben hat­te. In sei­nen Run­zeln spie­gel­ten sich die drei mensch­li­chen Tu­gen­den Lie­be, Glau­be und Hoff­nung wi­der. Sei­ne Rede war sanft, lang­sam und ein­dring­lich. Er trug die Tracht der Pa­ri­ser Geist­lich­keit und ge­stat­te­te sich einen kas­ta­ni­en­brau­nen Über­rock. Kein Ehr­geiz hat­te sich in die­ses rei­ne Herz ein­ge­schli­chen, das die En­gel der­einst in sei­ner ur­sprüng­li­chen Un­schuld zu Gott em­por­tra­gen soll­ten. Es be­durf­te erst ei­nes sanf­ten Zwan­ges von sei­ten der Toch­ter Lud­wigs XVI., um den Abbé Loraux zu be­we­gen, eine Pfar­re in Pa­ris, und noch dazu eine der be­schei­dens­ten, an­zu­neh­men. Jetzt be­trach­te­te er mit un­ru­hi­gen Bli­cken alle die­se Pracht und lä­chel­te kopf­schüt­telnd der Kauf­manns­fa­mi­lie zu.

      »Lie­be Kin­der,« sag­te er, »mein Amt ist nicht, Fes­ten bei­zu­woh­nen, son­dern die Be­trüb­ten zu trös­ten. Ich kom­me, um Herrn Cäsar zu dan­ken und ihn zu be­glück­wün­schen. Nur zu ei­nem ein­zi­gen Fes­te will ich hier er­schei­nen, näm­lich zur Hoch­zeit die­ses schö­nen Kin­des.«

      Nach ei­ner Vier­tel­stun­de ver­ab­schie­de­te sich der Abbé, ohne daß der Par­füm­händ­ler oder sei­ne Frau ge­wagt hät­ten, ihm die Woh­nung zu zei­gen. Sei­ne erns­te Er­schei­nung hat­te et­was kal­tes Was­ser auf die glü­hen­de Freu­de Cäsars ge­gos­sen. Alle be­ga­ben sich nun in der neu­en Pracht zur Ruhe und nah­men die net­ten, zier­li­chen Ge­gen­stän­de, die sie sich ge­wünscht hat­ten, in Be­sitz. Cäsa­ri­ne half ih­rer Mut­ter beim Aus­klei­den vor ei­nem Toi­let­ten­spie­gel aus weißem Mar­mor. Cäsar hat­te sich ei­ni­ges Über­flüs­si­ge an­ge­schafft, das er so­gleich in Ge­brauch neh­men woll­te. Alle dach­ten beim Ein­schla­fen an die freu­di­gen Er­eig­nis­se des nächs­ten Ta­ges. Nach­dem sie die Mes­se be­sucht und das Ve­sper­ge­bet ge­spro­chen hat­ten, klei­de­ten sich Cäsa­ri­ne und ihre Mut­ter ge­gen vier Uhr an; das Zwi­schen­ge­schoß hat­ten sie vor­her dem welt­li­chen Arm der Leu­te Che­vets über­ge­ben. Nie­mals hat­te eine Toi­let­te Kon­stan­ze bes­ser ge­stan­den als die­ses spit­zen­be­setz­te rote Sam­met­kleid mit kur­z­en, mit Schlei­fen ver­zier­ten Är­meln; ihre schö­nen Arme von noch ju­gend­li­cher Fri­sche, ihr schne­eig leuch­ten­der Bu­sen, ihr Hals, ihre rei­zend ge­schwun­ge­nen Schul­tern – al­les wur­de von dem wei­chen Stoff und der präch­ti­gen Far­be noch ge­ho­ben. Die na­tür­li­che Be­frie­di­gung, die jede Frau emp­fin­det, wenn sie sich der vol­len Macht ih­rer Schön­heit be­wußt ist, gab ih­rem grie­chi­schen Pro­fil eine ge­wis­se Süße, des­sen schö­ner Schnitt in der gan­zen Fein­heit ei­ner Ka­mee er­schi­en. Cäsa­ri­ne, in weißem Krepp, trug einen Ro­sen­kranz im Haar und eine Rose an der Sei­te; eine Schär­pe be­deck­te züch­tig Schul­tern und Brust; so mach­te sie Po­pi­not ganz toll.

      »Die­se Leu­te ste­chen uns aus«, sag­te Frau Ro­guin zu ih­rem Mann, als sie durch die Woh­nung gin­gen. Die No­tar­frau war wü­tend, daß sie sich mit Kon­stan­zes Schön­heit nicht mes­sen konn­te; jede Frau weiß selbst ganz ge­nau, ob ihr eine Ri­va­lin über­le­gen ist oder nicht.

      »Ach! das wird nicht lan­ge dau­ern, und bald wirst du die arme Frau, wenn du sie auf der Stra­ße zu Fuß und rui­niert tref­fen wirst, mit dei­nen Wa­gen­rä­dern be­sprit­zen!« sag­te Ro­guin lei­se zu sei­ner Frau.

      Vau­que­lin war von vollen­de­ter Lie­bens­wür­dig­keit; er war zu­sam­men mit Herrn von Lacépè­de, sei­nem Kol­le­gen von der Aka­de­mie, ge­kom­men, der ihn mit dem Wa­gen ab­ge­holt hat­te. Als sie die strah­lend schö­ne Haus­frau er­blick­ten, konn­ten die bei­den Ge­lehr­ten ein Kom­pli­ment von wis­sen­schaft­li­chem An­strich nicht un­ter­drücken.

      »Gnä­di­ge Frau, Sie be­sit­zen ein Ge­heim­nis, das die Wis­sen­schaft noch nicht kennt, näm­lich Ju­gend und Schön­heit sich zu er­hal­ten.«

      »Sie sind hier ge­wis­ser­ma­ßen zu Hau­se, Herr Aka­de­mi­ker«, sag­te Bi­rot­teau. »Ja, Herr Graf,« fuhr er, zu dem Groß­kanz­ler der Ehren­le­gi­on ge­wen­det, fort, »ich ver­dan­ke mein Ver­mö­gen Herrn Vau­que­lin. Ich habe die Ehre, Euer Herr­lich­keit den Herrn Prä­si­den­ten des Han­dels­ge­richts vor­zu­stel­len. Dies ist der Herr Graf von Lacépè­de, Pair von Frank­reich, und ei­ner der großen Män­ner Frank­reichs; er hat vier­zig Bän­de ge­schrie­ben«, sag­te er zu Le­bas, der den Ge­richts­prä­si­den­ten be­glei­te­te.

      Die Gäs­te ka­men pünkt­lich. Das Di­ner war, wie alle Di­ners der Kauf­leu­te, sehr lus­tig und ge­müt­lich, ge­würzt mit plum­pen Scher­zen, über die im­mer ge­lacht wird. Die vor­züg­li­chen Spei­sen und die gu­ten Wei­ne wur­den sehr ge­wür­digt. Als die Ge­sell­schaft auf­brach, um in den Sa­lons den Kaf­fee zu neh­men, war es halb zehn ge­wor­den. Ei­ni­ge Wa­gen hat­ten schon un­ge­dul­di­ge Tän­ze­rin­nen ge­bracht. Eine Stun­de spä­ter war der Tanz­saal voll und der Ball in vol­lem Gan­ge. Herr von Lacépè­de

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